Die erste Begegnung zwischen In-nam (Hwang Jung-min) und Ray (Lee Jung-jae) braucht keine Worte. Zwei Messer, ein Korridor, rechts der Profikiller, links der Yakuza-Prinz – keine weiteren Fragen. Tatsächlich wird vor, während und nach dem Kampf kein einziges Wort gewechselt. Erst nachdem beide Berufsverbrecher dazu gekommen sind, ihre Wunde zu lecken, wird reichlich redundant in den Hörer gedroht: man werde einander beim nächsten Treffen umbringen, etc. Zuvor ist der Film schon mit den Protagonisten von Südkorea nach Japan, zurück nach Südkorea und schließlich nach Thailand gereist; hat Kindesentführungen, Fingeramputationen, Organhandel und überhaupt die tiefsten Tiefen menschlicher Abgründe gesehen.
Zum Kern der Sache, nämlich dem besagten finalen Duell zwischen den hard-boiled Gangstergrößen, kommt „Deliver Us From Evil“ im Flur eines illegalen Organhandelzentrums erst mit Verzögerung. Das liegt primär daran, dass nur einer der Beteiligten, der Yakuza Ray, wirklich an dem Duell interessiert ist. Er gibt in diesem Fall den Jäger, der auf Rache für seinen ermordeten Bruder sinnt – eine eher sportliche als tatsächlich emotionale Unternehmung, wie sich bald herausstellt. Der Gejagte, In-nam, der zugleich der Mörder des Yakuza-Bruders ist, hat wenig Interesse an diesem Kräftemessen. Er versucht zwischen den Auseinandersetzungen mit Ray und der halben Unterwelt Bangkoks, gemeinsam mit der Transexuellen Yoo-Yi (Park Jung-min) seine Tochter, die er vor Jahren zurückgelassen hat, aus den Fängen der professionell organisierten Organhändler zu befreien.
Action wie im Hamsterrad
Der Grundkonstellation entsprechend herrscht im Bangkoker Untergrund bald Chaos. Leider weiß Regisseur Hong Won-Chan das darin verborgene Potenzial allzu selten zu nutzen. Im Gegensatz zu seinem Debütfilm „Office“, der die erbarmungslose Arbeitswelt Südkoreas als perfekte Schablone für einen dicht inszenierten Slasherfilm nutze, ist hier alles größer, lauter und wilder. Faust, Messer und Klaviersaite werden mit Pistole, Sturmgewehr und Handgranate ergänzt, und die Kämpfenden finden ihren Weg aus den engen Korridoren ins Freie. Die Schlachten in der honigfarbenen Hauptstadt Thailands finden bald nicht nur zwischen den Rivalen statt, sondern rufen auch Polizei, SWAT-Teams und die bereits erwähnten lokalen Gangsterhorden auf den Plan. Es fliegt viel in die Luft in diesem eigenwillig inszenierten Wechselspiel aus Zeitlupen und Beschleunigungen. Wirkliche Dynamik kommt dabei aber selten auf. Ab und an werden die Karten durch den Auftritt von Thailands Räubern und Gendarmen neu gemischt, die meiste Zeit aber dreht sich der Film wie ein Hamsterrad, in dem jeder irgendwem hinterherjagt, ohne genau zu wissen, von wem er selbst nun gerade gejagt wird.
Extremsport mit Phlegma
Das ist spektakulär genug, um nicht zu langweilen, doch zwischen dem Exzess steht viel Leerlauf. Die Gangster- bzw. Profikiller-Archetypen In-nam und Ray, die ohnehin nicht für eine Charakterstudie angelegt sind, führen ihren je nach Perspektive sportlichen oder erbitterten Kampf auf Leben und Tod sukzessive mit fader Routine aus. Die Inszenierung arbeitet dabei oft gegen den emotionalen Kern der Geschichte. Jung-min Park bringt als die Transsexuelle Yoo-Yi zwar ein wenig Menschlichkeit zwischen den Gangsterzwist, steht aber die meiste Zeit schlicht auf Standby. Die im Actionkino so beliebte Kind/Beschützer-Beziehung kann ebenso wenig an die Geschichte andocken. Sie ist nicht das Band, das die Actionszenen zusammenhält, sondern eher ein affektives Aufputschmittel für die Phasen der Erschöpfung; eine Art narratives Riechsalz, das die Protagonisten immer wieder zur Höchstleistung anspornt. Den physischen Grenzgängen zum Trotz bleibt „Deliver Us From Evil“ letztlich Extremsport mit Phlegma.