„Steht mir nicht zu!“, sagt Nour gleich mehrmals, nämlich von einem Mann galant umsorgt und zärtlich berührt zu werden. „Pas le droit, moi!“ Da ist gerade wieder einer ihrer romantischen Träume geplatzt. Denn der von ihr angeschmachtete Fitnesscoach hatte bei der Einladung zum Essen etwas anderes im Sinn als sie. Die burschikose und übergewichtige junge Frau ist der ewige Kumpel, ein von ihrem Umfeld als geradezu asexuell wahrgenommenes Wesen. Das geht so weit, dass Nour nach dem gemeinsamen Fußballspiel ganz selbstverständlich mit den Jungs unter die Dusche geht, während ihre beste Freundin empört vertrieben wird.
Eines Tages entdeckt Nour, die an der Rezeption eines Fitnessstudios arbeitet, ausgerechnet den Poledance für sich. Sie möchte auch an einer Stange schweben, sinnlich und schön und scheinbar federleicht. Die Realisierung dieses Traums erlaubt sich Nour zunächst nicht wirklich. Sie, die sich einen Panzer aus Sarkasmus, (Selbst-)Ironie und flotten Sprüchen zugelegt hat, hadert mit Selbstzweifeln und will nach den ersten kläglichen Versuchen aufgeben. Dass sie gegen alle Wahrscheinlichkeit dann doch mit dem erotischen Tanz an der Chromstange weitermacht, ist der Hartnäckigkeit ihrer Trainerin Sissi geschuldet, die ihre neue Schülerin ins Herz geschlossen hat.
Die weibliche Selbstermächtigungsstory als Fassade
Auch die weitere Story verläuft dann ziemlich genau so, wie man es nach einer solchen Eröffnung erwartet: Nour (gespielt von der französischen Comedienne Melha Bedia, die zusammen mit Frédéric Hazan, Anthony Marciano und Regisseurin Katia Lewkowicz auch das Drehbuch schrieb) lernt, sich selbst und ihren Körper zu akzeptieren und zu schätzen. Und zwar so, wie er tatsächlich ist. Wenigstens wird nicht die alte Geschichte vom hässlichen Entlein, das sich in einen stolzen Schwan verwandelt, noch einmal aufgewärmt.
Dennoch kommt „Forte“ ziemlich altbacken daher. Das liegt auch an den zur Genüge bekannten Komödien-Versatzstücken, zu denen auch die beiden auf wundersame Weise ständig verfügbaren und möglichst gegensätzlichen „best Buddies“ der Hauptfigur gehören, die vorhersehbare Selbstermächtigungs-Dramaturgie und die geradezu obsessive, aber grundbiedere Fixierung auf das Thema Sex. Damit gerät der Film, „MeToo“ hin, Regisseurin plus junge weibliche Co-Drehbuchautorin her, in recht abgestandene Gewässer. Bei allem demonstrativ vorgetragenen weiblichen Selbstbewusstsein scheint es beim Poledance, wie er hier präsentiert wird, letztlich doch vor allem darum zu gehen, der männlichen Fantasie zu Diensten zu sein. Beziehungsweise Männer dazu zu bringen, über einen „herfallen“ zu wollen (im französischen Original noch drastischer mit „violer“ ausgedrückt, was der verharmlosenden deutschen Synchronisation zum Trotz nichts anderes als „vergewaltigen“ bedeutet).
Rauer Ton, derbe Sprüche
Dass der Satz der Tanzlehrerin Sissi durch ein nachgeschobenes „C’est super!“ und Nours geschockten Blick verhalten ironisch gebrochen wird, macht die Sache nicht besser. Denn tatsächlich sind die Grundprämisse der Figuren und die Story des Films auf die Aufmerksamkeit beim (zumeist) anderen Geschlecht und den erotischen Erfolg hin ausgerichtet; von echter Intimität oder wirklicher Lust handelt der Film hingegen überhaupt nicht. In dieser Binnenlogik erscheint es dann fast konsequent, dass auch ein gewaltsames Begehren als Kompliment missverstanden wird.
Der raue Ton und derbe Sprüche gehören zum Stil von „Forte“, auch wenn nicht alle so menschenverachtend, sondern gelegentlich sogar echt witzig sind. Auch mit dem ein oder anderen Running Gag kann die Inszenierung ein paar Lacher landen. Doch es mangelt dem Film an Präzision; man könnte auch sagen: an Interesse und Zuneigung gegenüber den Figuren und der Erzählung. Vieles wird schlicht nur behauptet, aber nicht aus der Handlung heraus entwickelt, was selbst für den zentralen Erzählstrang gilt – dass Nour beim Poledance sich selbst anzunehmen und sogar lieben lernt.
Paradigmatisch dafür steht die finale Tanzszene, in der Nour ihren unkonventionellen Stil verbal (!) erklärt, und zwar während (!!) sie tanzt. Offensichtlicher lässt sich das mangelnde Vertrauen ins eigene filmische Erzählen kaum illustrieren. Wer sich für die Selbstermächtigung einer übergewichtigen jungen Frau interessiert, wird viel eher in der umwerfend komischen und lebensprallen autobiografischen Komödie „Johanna – eine (un-)typische Heldin“ fündig.