Drama | Deutschland 2017 | 82 Minuten

Regie: Katinka Narjes

Zwei einander symbiotisch verbundene Schwestern in ihren Dreißigern leben mit einem Kind in einem verwinkelten Bungalow samt Poolhaus, wo sie sich einen sinnlich-verträumten, aber auch kindlichen Kosmos aus Musik, Tanz, Wasser und magischem Denken geschaffen haben. Doch die Flucht vor den Ansprüchen des Erwachsenwerdens reibt sich zunehmend an eigenen Träumen und irrationalen Impulsen, die auf ein Ende der gegenseitigen Abhängigkeit hindrängen. Ein bestrickendes, herausragend gespieltes Drama über einen schmerzhaften Abnabelungsprozess kreiert aus formal strengen Einstellungen und fließenden Bildsequenzen eine ästhetisch kunstvolle Welt, die dennoch nichts Künstliches hat. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin
Regie
Katinka Narjes
Buch
Katinka Narjes
Kamera
Carmen Treichl
Musik
Maren Kessler · David Schwarz
Schnitt
Katinka Narjes
Darsteller
Odine Johne (Ava) · Lucy Wirth (Nene) · Emelie Harbrecht (Sabrina) · Roland Bonjour (Alex)
Länge
82 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Zwei Schwestern haben sich in einer sinnlich-verträumten Welt eingerichtet, merken aber, dass sie sich voneinander abnabeln müssen.

Diskussion

Es ist eine ganz eigene Welt, in die „Nixen“ den Zuschauer entführt. Die beiden Schwestern Ava (Odine Johne) und Nene (Lucy Wirth), die Anfang und Mitte Dreißig sind, leben in einer symbiotischen Beziehung zueinander. Seit ihrer Kindheit verbindet sie eine innige Nähe. In ihrer Zweisamkeit passt gerade noch Sabrina hinein, Nenes siebenjährige Tochter, gewissermaßen eine Erweiterung der beiden Frauen und eine Projektionsfläche für ihre eigenen spielerischen Impulse. In Avas und Nenes Welt dominieren die Farben Blau, Rot und Gelb; es ist ein sinnlich-verträumter Kosmos aus Musik, Tanz, Wasser und magischem Denken. Aber auch eine kindliche Welt, in der eigene Regeln gelten, nicht jene von außerhalb, aus der sogenannten Realität.

Versteckspielen vorm Erwachsenwerden

Diese Welt ist eine Flucht vor dem Erwachsenwerden, aber auch vor der Verwirklichung eigener Sehnsüchte. Zentraler Schauplatz ist ein verwinkelter, romantisch eingewachsener Bungalow samt Poolhaus. Dessen Räume, Türen und Fenster laden geradezu ein zu den (Versteck-)Spielen der drei weiblichen Wesen, aber auch zu den fließenden Bewegungen der Kamera, die dem so elastischen wie festen Band der Schwestern nachspüren.

Einen eigenen Raum besitzen Ava und Nene nicht, weder im konkreten noch im übertragenen Sinn. So ist Nene niemals in ihrer eigenen Wohnung zu sehen. Besitzer oder Mieter des Bungalows ist Avas Freund Alex. Dennoch darf der Mann nur gelegentlich am Beisammensein von Ava, Nene und Sabrina teilhaben. Es ist nachvollziehbar, dass er eifersüchtig ist. Gegen die Beziehung der Schwestern kommt er nicht an, und „besitzen“ im Sinne eines vollumfänglichen Verstehens wird er seine sprunghaft-eigenwillige Freundin ohnehin nie. Als Ava ihm eher aus einer Laune heraus die Beziehung aufkündigt, wirft der junge Mann sie hinaus; bis zum Abend soll sie ausgezogen sein.

Der Verlust des Hauses, von Pool und Klavier, scheint für die Schwestern, auch und gerade für Ava, der größere Verlust zu sein als der ihres Freundes. Obwohl sie Alex durchaus liebt, woran der Film wenig Zweifel lässt. Deshalb beschließen Ava und Nene, zusammen mit Sabrina in das hinter Blättern verborgene Poolhaus zu ziehen. Ihr geliebtes Versteckspiel weiten sie fortan auch auf den Alltag aus, um von Alex nicht entdeckt zu werden.

Ein inszenatorisches Bravourstück

Die Autorin und Regisseurin Katinka Narjes überzeugt mit ihrem dffb-Abschlussfilm „Nixen“ auf ganzer Linie: mit sprechenden, unaufdringlichen Dialogen (an denen auch Robin Getrost und die Schauspielerinnen mitformuliert haben), einer präzisen Regie, leise aufblitzendem Humor und viel Sinn für Atmosphären. Vor allem aber kreiert Narjes, die den Film auch geschnitten hat, zusammen mit der Kamerafrau Carmen Treichl eine ästhetische, kunstvolle Welt aus fließenden Bildsequenzen und formal strengen Einstellungen, ohne dass das Ganze künstlich wirken würde. Der betörende Rhythmus trägt mit dazu bei, dass die Figuren bei allem Stilwillen ganz und gar lebendig wirken. Ava und Nene sind durchaus Charaktere aus Fleisch und Blut.

Die Welt da draußen findet in „Nixen“ ebenfalls statt, auch wenn sie für die Schwestern nachrangig zu sein scheint. In ihr arbeiten sie - selbstredend gemeinsam – als Kellnerinnen in einem Lokal in Berlin; es gibt auch eine kritische, nur fernmündlich zugeschaltete Mutter. Zudem ist in der schwesterlichen Gemeinschaft längst nicht mehr alles gut: Nene träumt davon, Sängerin zu werden, wofür sie Ava an ihrer Seite zu brauchen meint. Ava wiederum will sich aus der Abhängigkeit lösen; ihr abruptes Schlussmachen mit Alex ist vielleicht eine Ersatzhandlung für den Schritt, der ihr bei ihrer Schwester (noch) nicht gelingt.

Der Gesang der Sirenen

Im Original heißt der Film noch schillernder „Sirens“, spielt also neben den weiblichen Fabelwesen mit den Fischschwänzen auch auf den Gesang der Sirenen an, was dem Film mit seinen zahlreichen gesungenen Jazzstücken und dem verführerischen Sog der Erzählung mehr entspricht. Maren Kessler und David Schwarz komponierten die stimmungsvollen, die Handlung eindrücklich mitgestaltenden Lieder eigens für „Nixen“; gesungen werden sie auch von den Schauspielerinnen Odine Johne und Lucy Wirth, die diese beiden Frauen, die ihren Platz im Leben erst noch finden müssen, beeindruckend gut, sehr nuanciert und mit großer gesanglicher und tänzerischer Könnerschaft im wahrsten Sinne des Wortes: verkörpern.

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