Erdmännchen und Mondrakete

Drama | Südafrika 2017 | 97 Minuten

Regie: Hanneke Schutte

Nach dem Tod seines Vaters muss ein 13-jähriges Mädchen aus Südafrika vorübergehend zu seinen Großeltern aufs Land ziehen. Dort lernt die ängstliche, sich selbst als verflucht fühlende Jugendliche einen lebensfrohen, scheinbar furchtlosen Jungen kennen, der mit einer selbstgebauten Rakete zu einer Reise ins All aufbrechen will. Der stimmungsvoll inszenierte Jugendfilm erzählt sensibel von der Überwindung existenzieller Ängste, vom Tod und dem Abschiednehmen. Ernsthaft und altersgerecht gelingt es dem Film, auch schwierige Themen aufzugreifen und am Ende dennoch Mut zu machen. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
MEERKAT MAANTUIG
Produktionsland
Südafrika
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
The Film Factory
Regie
Hanneke Schutte
Buch
Hanneke Schutte
Kamera
Willie Nel
Musik
Clare Vandeleur
Schnitt
Warwick Allan
Darsteller
Anchen du Plessis (Gideonette de la Rey) · Rika Sennett (Oma Koekie Joubert) · Pierre van Pletzen (Opa Willem Joubert) · Thembalethu Ntuli (Bhubesi) · Hanlé Barnard (Mathilda Johanna de la Rey)
Länge
97 Minuten
Kinostart
15.07.2021
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Drama | Jugendfilm | Literaturverfilmung | Science-Fiction
Externe Links
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Jugenddrama um eine depressive 13-jährige Südafrikanerin, die nach dem Tod ihres Vaters einen kleinen Jungen kennenlernt, der scheinbar vor nichts Angst hat.

Diskussion

Gideonette, ein 13-jähriges Mädchen aus Südafrika, macht sich Sorgen. Nicht solche wie die anderen Teenager in ihrem Alter. Es geht ihr nicht um das Aussehen, nicht um Freundschaften, auch nicht um Konflikte mit den Eltern oder in der Schule. Sie macht sich existenzielle Sorgen, die sie einfach nicht loswird, weil diese ganz eng mit ihrem Namen verbunden sind. Dabei wurde ihr Vorname von ihrem Vater extra deshalb ausgewählt, um zu beweisen, dass dieser in ihrer Familie nicht mit einem Fluch belastet ist, wie alle anderen meinen.

Doch die Gräber auf dem Friedhof ihrer Vorfahren mit dem Namen Gideon de la Rey sprechen eine andere Sprache. Die traditionellen Geschichten über das gefährliche zottelige Untier, das Menschen frisst, kann die ängstliche Heranwachsende deshalb nur schwer ertragen. Noch schlimmer wird es, als eines Tages ihr Vater stirbt. „Genau wie in der Geschichte hat das Untier meinen Vater gefressen, und ich soll die nächste sein‟, folgert Gideonette. Und dann wird sie von ihrer überforderten Mutter auch noch zu ihren Großeltern aufs Land geschickt, die seltsam sind und zu denen sie seit Jahren nur wenig Kontakt hat.

Die Angst schnürt das Leben ab

Die Farben dieses südafrikanischen Coming-of-Age-Films von Hanneke Schutte sind auffällig matt. Die Geschichte beruht auf einem Buch der Autorin Riana Scheepers und bedient keine Postkartenklischees. Von Anfang an vermittelt die Inszenierung vielmehr durch die Farbgebung eine bedrückte Grundstimmung. Der Film nimmt über weite Strecken die Perspektive der schlanken 13-Jährigen ein, die sich durch ihre Ängste immer mehr zurückzieht und einschränkt.

Draußen leuchtet ein grelles Licht, doch sie verbringt die meiste Zeit in ihrem dunklen Zimmer. Gideonette wittert überall eine Gefahr. Seit dem Tod des Vaters trägt sie einen Helm. Zum Schutz. Dies ändert sich erst, als sie den kleinen Bhubesi kennenlernt. Der schmächtige Junge, der nicht sprechen kann und ein paar Jahre jünger ist, wirkt auf den ersten Blick merkwürdig. Er trägt eine Art Raumanzug und einen Helm, zeichnet gerne und bereitet sich auf eine lange Reise vor. Mit der riesigen Rakete in Erdmännchenform, die er mit Gideonettes Opa aus Holz und Stahl gebaut hat, will er ins All fliegen.

Die Konstruktion sieht wackelig aus; Gideonette ist gleichermaßen abgeschreckt wie fasziniert. Denn Bhubesi hat offensichtlich vor nichts Angst – ganz im Gegensatz zu ihr. Je mehr Gideonette sich auf Bhubesi einlässt, desto freier wird sie. Bis es zum Bruch kommt, weil ihr die träumerische Vorbereitung auf die Reise ins All auf einmal nur noch wie ein blödes eskapistisches Kinderspiel vorkommt.

Wie man Abschied nehmen kann

Es ist bemerkenswert, auf welch schwieriges Terrain sich dieser Kinder- und Jugendfilm vorwagt. Wenn Gideonette beispielsweise Tagebuchaufzeichnungen ihres Vaters entdeckt, dann zeigt sich mosaikartig, wie dieser sich wirklich gefühlt haben muss. Ohne Erklärungen, allein durch Bilder vermittelt der Film, was es bedeutet, psychisch krank zu sein, und welche Folgen sich daraus ergeben. In abgeschwächter Form zeigt sich dies auch am Verhalten von Gideonette, die sich durch ihre Gedanken immer wieder selbst Steine in den Weg wirft. Gideonette muss nicht gegen die Angst vor dem Erwachsenwerden oder den körperlichen oder seelischen Veränderungen ankämpfen, sondern gegen die Angst vor dem Leben an sich.

So geht es in „Erdmännchen und Mondrakete‟ auch immer wieder um den Tod, zu Beginn, im Rahmen eines recht gruseligen und makabren Schultheaterspiels, in Gestalt des zotteligen Monsters, das über Menschen herfällt, später in Bezug auf Gideonettes Vater und schließlich mit Blick auf Bhubesi. Vor allem aber geht es darum, wie man mit dem Tod – und der Angst davor – umgehen kann. Der scheinbar so furchtlose und lebensfrohe Bhubesi wird für Gideonette zum Vorbild, wobei der Film die Figur allerdings ihrer Funktion unterordnet. Dass Bhubesi eine große Last zu tragen hat, wird nur erwähnt, aber nicht gezeigt. Damit verklärt „Erdmännchen und Mondrakete“ die Tragik des Sterbens zugunsten der Perspektive, wie jene, die zurückbleiben, Abschied nehmen und wieder ins Leben zurückfinden können.

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