Die katholische Schule

Drama | Italien 2021 | 106 Minuten

Regie: Stefano Mordini

Im Jahr 1975 lockten drei römische Schüler aus der oberen Mittelschicht zwei Mädchen in eine Villa und folterten und vergewaltigten sie. Basierend auf dem sogenannten „Circeo-Massaker“ versucht der Film das gesellschaftliche Klima zu beleuchten, das für diese Tat mitverantwortlich war. Figuren und Handlungsstränge werden in der episodischen Erzählweise nur angeschnitten und dafür stärker Themen wie Machismo, Gewalt und Wohlstandsverwahrlosung ins Zentrum gerückt. Zwar liegt die Stärke des Films darin, eher die Lebenswelt der Figuren zu porträtieren, als Ursprünge erklären zu wollen, allerdings bleibt die ausführliche Grausamkeit der Tat scheinbar das Werk irrational handelnder Psychopathen. - Ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
LA SCUOLA CATTOLICA
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Picomedia
Regie
Stefano Mordini
Buch
Massimo Gaudioso · Luca Infascelli · Stefano Mordini
Kamera
Luigi Martinucci
Schnitt
Michelangelo Garrone
Darsteller
Emanuele Maria Di Stefano (Edoardo Albinati) · Benedetta Porcaroli (Donatella) · Federica Torchetti (Rosaria) · Luca Vergoni (Angelo Izzo) · Giulio Pranno (Andrea Ghira)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
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Eine filmische Aufarbeitung des sogenannten Circeo-Massakers von 1975, bei dem drei Schüler einer katholischen Schule in Rom zwei Mädchen entführten und folterten, wobei eines von ihnen ums Leben kam.

Diskussion

Eine schwarze Silhouette huscht zu dissonanten Streicherklängen durch die Nacht. Während die Kamera sich langsam einem geparkten Auto nähert, hören wir, wie eine junge Frau im Inneren verzweifelt um ihr Leben bettelt. Die Eröffnung von Stefano Mordinis „Die katholische Schule“ erinnert an einen Horrorfilm, und der Kriminalfall, auf dem der Film beruht, ist tatsächlich äußerst grausam: Drei römische Schüler aus der oberen Mittelschicht lockten 1975 zwei Mädchen in eine Villa, wo sie die beiden folterten und vergewaltigten. Nur durch Zufall wurden die beiden Opfer des in den Medien als „Circeo-Massaker“ bezeichneten Vorfalls in einem Kofferraum gefunden. Eine der Frauen war zu diesem Zeitpunkt schon tot, die andere überlebte schwerverletzt.

Edoardo Albinati, ein Mitschüler der Mörder, hat über dieses Ereignis ein fast 1300 Seiten langes Buch geschrieben, das Mordini nun zu einem nur 105 Minuten langen Film adaptiert hat. Dafür taucht er in die Welt der titelgebenden Knabenschule ein und widmet sich einer Vielzahl von Figuren. Dem Autor selbst etwa (Emanuele Maria di Stefano), der auch als Off-Erzähler die Geschehnisse kommentiert, dem smarten Alessandro (Giulio Fochetti), dem unscheinbaren Gianni (Francesco Cavallo), dem durchgeknallten Pik (Alessandro Cantalini), dem schon deutlich erwachsener wirkenden Aufreißer Jervi (Guido Quaglione) und dem gewalttätigen Izzo (Luca Vergoni).

Der Boden, auf dem die Gewalt wächst

Wir lernen diese jungen Männer und ihre Lebenswelt zwar ein wenig kennen, aber sie bleiben letztlich ähnlich schemenhaft wie die Silhouette am Anfang des Films. Mordini weiß darum, dass die kurze Laufzeit des Films und die episodische Erzählweise nicht für Charakterstudien geeignet sind. Die zahlreichen kleinen Handlungsstränge, bei denen es beispielsweise auch um Familienmitglieder geht, müssen zwangsläufig fragmentarisch bleiben. Tatsächlich erinnert „Die katholische Schule“ im Aufbau oft eher an einen Essayfilm, der mehr an inhaltlichen Motiven als an Figuren interessiert ist.

Mordini widmet sich einer Welt voller Wohlstand und moralischer Verwahrlosung. Zunächst ist es nur ein teuflisches Lächeln, das Abgründe hinter der Fassade der hübschen, adrett gekleideten Jungen vermuten lässt. „Die katholische Schule“ versucht die Tat nicht zu erklären, sondern deutet an, welches gesellschaftliche Klima sie zumindest teilweise mitverantwortet hat: Lieblose, manchmal auch gewalttätige Eltern, eine aggressive Männlichkeit, die einmal als „unheilbare Krankheit“ bezeichnet wird, sexuelle Unsicherheit, Homophobie, ein abschätziges Frauenbild und die durch reichlich Geld genährte Gewissheit, dass die eigenen Taten folgenlos bleiben.

Alltägliche Grausamkeit, die monströs eskaliert

Der grausame Umgang miteinander wirkt oft alltäglich und beiläufig, etwa wenn Pik seine Mutter (Jasmine Trinca) ständig wie eine Dienstbotin herumkommandiert oder Jervi ein bis über beide Ohren in ihn verliebtes Mädchen gleichgültig zwischen Tür und Angel entjungfert. Gelungen am Film ist, dass er sich nicht erschöpfend am Thema missbräuchliche Männlichkeit abarbeitet, sondern in seiner kaleidoskopartigen Struktur auch Zeit für Momente findet, die quer zum restlichen Film stehen. Eine Autofahrt etwa, bei der ausgelassen zu einem Song von Lucio Battisti gesungen wird oder die Misshandlung eines Mitschülers, der plötzlich Lust an seiner Erniedrigung entwickelt.

Die kühl und ausführlich gezeigte Tat markiert schließlich einen deutlichen Bruch. Wurden die Jungen zunächst noch als Produkt ihres Umfelds gezeichnet, haben wir es nun mit drei empathielosen und sadistischen Psychopathen zu tun. Mordini zeigt die Misshandlungen der Mädchen mit einer Grausamkeit, die keinen analytischen Blick mehr zulässt. Das ist gewissermaßen konsequent, weil der Film es auch darauf anlegt, dass diese Barbarei nicht einfach mit einem traumatischen Erlebnis aus der Kindheit erklärt werden kann.

Und doch nimmt die Grausamkeit dabei Dimensionen an, die den abschließenden Gewaltexzess in seiner betonten Rätselhaftigkeit ein wenig willkürlich wirken lassen. Als die Schüler einmal in einer Kunststunde über ein Gemälde sprechen, das den gemarterten Jesus zeigt, kommt die Frage auf, ob uns das Böse vielleicht erst menschlich macht. Wir alle wären demnach potenzielle Täter, und wer es dann tatsächlich wird, ist beinahe Zufall. Als wollte Mordini diese These untermauern, zeigt er am Ende zwei scheinbar harmlose Dates als Parallelmontage. Während das eine wie aus einem herkömmlichen Coming-of-Age-Film wirkt, artet das andere urplötzlich zum Massaker aus.

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