Dokumentarfilm | Portugal/Schweiz/Frankreich 2020 | 102 Minuten

Regie: Cláudia Varejão

Von der Behauptung ausgehend, dass jeder Mensch im Leben seine bessere Hälfte sucht, widmet sich der Dokumentarfilm verschiedenen Paarbeziehungen zwischen Liebenden, Verwandten oder Haustieren und ihren Besitzern. In Alltagsszenen kristallisieren sich dabei Facetten des Zusammenseins heraus. Trotz treffender Beobachtungen wirkt der strenge Konzeptfilm schwammig und fördert nur wenige Erkenntnisse zutage, zumal er sich auch nur oberflächlich für seine Protagonisten interessiert. - Ab 14.

Filmdaten

Originaltitel
AMOR FATI
Produktionsland
Portugal/Schweiz/Frankreich
Produktionsjahr
2020
Regie
Cláudia Varejão
Buch
Cláudia Varejão
Kamera
Cláudia Varejão
Schnitt
João Braz · Cláudia Varejão
Länge
102 Minuten
Kinostart
11.11.2021
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Eine Doku über Paare, Freunde, Familien und Menschen mit Tieren, die sich gegenseitig ergänzen und Gewohnheiten, körperliche Merkmale oder Einstellungen teilen.

Diskussion

Wie gebannt steht der kräftige Mann mit den wuscheligen Haaren und dem Nasenring vor seinem neuen Haustier. Umso zutraulicher tapst das Mopsbaby, das bald den Namen Gianni bekommt, auf sein Herrchen zu und knabbert an dessen Finger – der Beginn einer wunderbaren Zweisamkeit. Nachdem Gianni später von seinem Herrchen behutsam gewaschen und geföhnt wurde, sehen die beiden im Fernsehen erstmal Billy Wilders „Boulevard der Dämmerung“ an.

An den Anfang ihres Dokumentarfilms stellt die portugiesische Regisseurin Cláudia Varejão die Feststellung, dass jeder Mensch nach seiner besseren Hälfte sucht. Der Titel „Amor Fati“ spielt auf Nietzsches Vorstellung einer lebensbejahenden Liebe zum Schicksal an. Ohne zu kommentieren oder zu urteilen, widmet sich Varejão einer Reihe von Paaren, die dieses Prinzip verkörpern sollen: zwei Zwillingschwestern etwa, die gemeinsam ein Lokal betreiben und konsequent im Partnerlook auftreten. Einem älteren, weiß gekleideten Mann, der auf seinem Schimmel durch weite Wälder reitet. Einer Mutter, die ihrer Tochter beim morgendlichen Ankleiden hilft. Oder zwei alten, vermutlich verwandten Frauen, die in einem aus der Zeit gefallenen Dorf leben.

Was Menschen zusammenhält

Möglichst alltägliche Momente werden dabei dem Außergewöhnlichen vorgezogen. Die Besonderheit der Beziehungen soll sich allein über die Beobachtung erschließen. So sieht man Vertrautheit, Nähe und eine Routine, die erst bei längerem Hinsehen offenbart, wieviel Zärtlichkeit in ihr steckt. Der ständig zwischen Stadt und Land sowie unterschiedlichen Milieus schweifende Blick versucht dabei verschiedene Merkmale dieses Zusammenseins herauszuarbeiten.

So erinnert ein androgynes Paar mit kurzgeschorenen, blondierten Haaren daran, dass man in Anderen immer auch sich selbst sucht, oder zumindest, dass man sich in Beziehungen mit der Zeit häufig auch im Äußeren annähert. Bei einer Mutter, die den wilden Übermut ihres fast erwachsenen blinden Sohns sanft zu zügeln versucht, deutet sich hinter der Fürsorge auch ein Abhängigkeitsverhältnis an. Und wenn ein Musikerpaar mit seinen Streichinstrumenten probt, wirkt das wie eine Metapher für zwischenmenschliche Beziehungen, bei denen man sorgfältig üben muss, um eine gemeinsame Harmonie zu finden.

Manchmal scheint sich „Amor Fati“ bewusst zu sein, dass sein Thema zugleich schwammig und zu eng gefasst ist. Seine Protagonisten zeigt er teilweise auch außerhalb ihrer Zweisamkeit und versucht nicht zwanghaft, jede Szene zu einer Aussage hinzubiegen. So darf Giannis Herrchen als umjubelte Drag Queen auftreten und das Musikerpaar bei einer Familienfeier demonstrieren, dass man in Wahrheit meist nicht nur einen, sondern mehrere Menschen auf einmal liebt.

Das Verbindende ist eher ein formaler Kniff

Doch selbst solche offeneren Momente lassen das totalitäre Konzept nie ganz vergessen. Die Darsteller sind in „Amor Fati“ überwiegend stumm; in den seltensten Fällen haben sie Namen oder eine Vorgeschichte. Weil man sie ohne Kontext beobachtet und nie wirklich näher kennenlernt, bleibt vieles leer und ohne größere Erkenntnisse. Die Kamera gibt sich dabei zwar zurückhaltend, ist tatsächlich aber ziemlich übergriffig. Sobald sie sich auf ein Paar richtet, wartet man nur noch auf die Bestätigung der anfänglich getroffenen Behauptung.

Wie austauschbar die Protagonisten dabei werden, zeichnet sich besonders gegen Ende ab, wenn verschiedene Paarkonstellationen nur noch als dekoratives Element aneinandergereiht werden. Das Verbindende ist in „Amor Fati“ überwiegend ein formaler Kniff. So folgen auf den blinden Jungen, der im Fußballstadium überwältigt grölt, die beiden Zwillingsschwestern, die sich auf ihrem Smartphone ebenfalls ein Spiel ansehen. Mit so einem Schnitt lassen sich zwar vordergründig unterschiedliche Figuren und Lebenswelten vereinen, doch wirklich zu greifen bekommt der Film mit dieser Strategie wenig.

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