Krimi | Großbritannien/USA 2021 | 189 (4 Folgen) Minuten

Regie: Will Sharpe

2014 wird ein Ehepaar in Großbritannien wegen Mordes schuldig gesprochen und zu einer langen Haftstrafe verurteilt: Die beiden sollen Ende der 1990er-Jahre die Eltern der Frau ermordet und die Leichen anschließend im Garten vergraben haben; 15 Jahre lang blieb das Verbrechen unentdeckt. Die vierteilige Miniserie greift einen realen Kriminalfall aus Großbritannien auf und macht daraus eine formal meisterliche Tragikomödie und ein flirrendes Psychogramm zweier Mörder, wobei es vor allem um den Realitätsverlust des Ehepaars geht, das in cineastischen Traumwelten lebt. Brillant gespielt und geschrieben, kreist die True-Crime-Story um eine vielschichtige, schwarzhumorig-skurril angelegte Suche nach der Wahrheit. Dazu löst die höchst kreative Inszenierung die Grenzen zwischen Realität und Illusion immer wieder auf verschiedenste Weisen auf. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LANDSCAPERS
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Cactus Films/Sister/South of the River Pictures
Regie
Will Sharpe
Buch
Ed Sinclair · Will Sharpe
Kamera
Erik Wilson
Musik
Arthur Sharpe
Schnitt
Elen Pierce Lewis
Darsteller
Olivia Colman (Susan Edwards) · David Thewlis (Christopher Edwards) · Kate O'Flynn (DC Emma Lancing) · Dipo Ola (Douglas Hylton) · Daniel Rigby (DCI Tony Collier)
Länge
189 (4 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Krimi | Serie

Krimi-Mehrteiler basierend auf einem realen Fall um ein britisches Ehepaar, das die Eltern der Frau ermordete und jahrelang damit durchkam vorzutäuschen, dass diese noch am Leben seien.

Diskussion

Das Empfangskomitee für Susan (Olivia Colman) und Christopher Edwards (David Thewlis) steht schon bereit: Über den Bahnhof verteilt hat die Polizei Dutzende Einheiten platziert, Blaulicht beleuchtet den dunklen Abend, Pferde, Einsatzwagen und Beamte stehen im Halbkreis am Ausgang, als die Edwards ihnen direkt in die Arme laufen. Die Polizei nimmt die beiden fest. Später werden sie wegen Mordes schuldig gesprochen und verurteilt werden.

Die herausragende britische Mini-Serie „Landscapers“ erzählt von einem wahren Kriminalfall: Die vier Folgen kreisen um den Doppelmord an einem Rentner-Ehepaar, der sich 1998 in einer kleinen Stadt nördlich von London ereignete, aber erst Jahre später aufgedeckt wurde. Nachbarn und Bekanntenkreis der Senioren machten die Mörder, die Tochter und der Schwiegersohn des Paares, erfolgreich vor, die beiden würden noch leben; kurze Zeit nach dem Verschwinden zogen die beiden nach Paris. Fünfzehn Jahre lang blieb das Verbrechen unentdeckt, und die Edwards lebten ihr einfaches Leben in Frankreich. Doch eines Tages bittet Christopher seine Stiefmutter um finanzielle Hilfe. Dabei erzählt er ihr auch, warum er aus England weggezogen ist und was 1998 passierte. Trotz seiner Bitten, nicht die Polizei zu alarmieren, tut sie genau das, und das Paar gerät ins Visier der Ermittler. Dass die beiden schließlich zu mindestens 25 Jahren Gefängnis verurteilt wurden, erfährt der Zuschauer bereits zu Beginn der Serie durch eine Einblendung. Und er erfährt, dass die beiden bis heute ihre Unschuld beteuern.

Die Schauspieler sind meisterhaft undurchsichtig

 „Landscapers“ macht die Edwards nun zu (Anti-)Helden einer Kriminalgeschichte, die zwar auf wahren Ereignissen fußt, in der die Realität aber immer wieder überlagert wird von den Fantasiewelten der Hauptfiguren. Äußerlich sind die von Colman und Thewlis eindrucksvoll gespielten Protagonisten ein Muster an Unscheinbarkeit: Sie tragen am liebsten beige, als altbacken würde man die Einrichtung in ihrer Wohnung bezeichnen; sie sind sehr höflich. Selbst in einer Mail gegenüber der Polizei drückt Christopher sich freundlich und gewählt aus. Mit ihrer Miete sind sie in Rückstand, Geld haben sie kaum. Was auch damit zusammenhängt, dass sich das Paar mental in wesentlich glanzvolleren Welten bewegt, nämlich denen des Kinos. Susan liebt alte Filme, vor allem Western und Liebesfilme, und ist ein riesiger Fan von Gary Cooper; für originale Filmplakate und andere Andenken an ihre Idole legt sie Unsummen hin. Christopher zuliebe gaukelt sie ihm eine Brieffreundschaft mit seinem Idol Gérard Depardieu vor.

David Thewlis bleibt in der Rolle als stiller Ehemann, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint, zunächst meisterhaft undurchsichtig. Für Colman ist es erneut eine Paraderolle; kaum jemand versteht es wie sie, hinter bieder-unauffälligen Fassaden schillernd-eigentümliche Charaktere so brillant herauszuarbeiten. Das zeigt sie auch hier wieder.

Das Entfliehen in eine cineastische Traumwelt

Die Serie spielt lustvoll mit Susans Hingabe an cineastische Fantasiewelten: In ihren Vorstellungen wird sie zu Grace Kelly und ihr Mann zu Gary Cooper in „12 Uhr Mittags“; Dialoge aus Filmen überträgt sie auf die reale Welt, ihre Erinnerungen vermischen sich mit Szenen aus ihren Lieblingsfilmen. „Landscapers“ durchbricht mehrfach die vierte Wand, löst die Grenze zwischen Realität und Kino-Illusion auf und lässt die Schauplätze der Serie mit denen aus Susans Lieblingsfilmen verschmelzen. Die Räume werden plötzlich zu Kulissen, die Charaktere zu Figuren auf einer Bühne, die von Set zu Set getrieben werden; Räume verändern sich ständig. Die von Ed Sinclair entwickelte und hervorragend geschriebene und von Will Sharpe inszenierte Serie spudelt dabei nur so vor Kreativität und Ideen. Die True-Crime-Geschichte wird zu einem Zusammenspiel aus verschiedenen Genres und stellt immer wieder die Wirklichkeit in Frage.

Inhalt und Inszenierung gehen hier Hand in Hand, dreht sich doch die Serie vor allem um die Frage, was eigentlich 1998 wirklich passiert ist. „Wir haben es tausend Mal durchgesprochen“, sagt Christopher zu seiner Frau mit Hinweis auf die Geschichte, die sie in ihren Verhören erzählen wollen. Und so gibt es auf der einen Seite ihre Version der Ereignisse, die zum Tod ihrer Eltern führten. Auf der anderen Seite kommt die Polizei durch die Verhöre und weiteren Ermittlungen zu einer eigenen, einer anderen Version der Ereignisse.

Tragische Liebesgeschichte mit schwarzem Humor

Als wären die beiden Hauptfiguren nicht schon eigen genug, besticht die Serie darüber hinaus mit teils tiefem schwarzem Humor und weiteren skurrilen Nebenfiguren. Hervorzuheben ist dabei vor allem noch Kate O‘Flynn als Polizistin. So skurril und bizarr kommen Figuren und Geschehen daher, dass es einen zwischenzeitlich wirklich wundert, dass dies ein realer Fall ist. Die Serie driftet aber nie ins Alberne ab, sondern wahrt sich einen empathischen Blick auf die Figuren. Neben einer spannenden Krimi-Geschichte ist „Landscapers“ auch eine Geschichte über eine besondere Liebe zwischen zwei besonderen Menschen, die nicht nur schöne Erinnerungen miteinander teilen. Es ist vor allem dem Drehbuch und den Hauptdarstellern zu verdanken, dass die Serie ein differenziertes Bild dieses Ehepaars und ihrer Liebesgeschichte zeigt. Der Spagat zwischen Tragik und Komik gelingt dabei meisterhaft.

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