Drama | Ungarn/Deutschland 2022 | 92 Minuten

Regie: László Csuja

Eine ungarische Bodybuilderin träumt von ihrem Durchbruch bei anstehenden Weltmeisterschaften und ordnet diesem Ziel alles unter. Unter der Führung ihres Trainers und Lebensgefährten schindet sie beim Training Körper und Seele und nimmt zudem gefährliche und teure Präparate für den Muskelaufbau ein. Um diese finanzieren zu können, steigt sie bei einem speziellen Escortservice ein und verliebt sich in einen Kunden. Das intensive Drama beschönigt nichts, zeigt den harten Alltag einer ehrgeizigen Athletin und deren Fremd- und Selbstausbeutung. Die Härte wird mitunter durch surreale Sequenzen gemildert, aber nicht verharmlost. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SZELÍD
Produktionsland
Ungarn/Deutschland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
FocusFox/Komplizen Film
Regie
László Csuja · Anna Nemes
Buch
László Csuja · Anna Nemes
Kamera
Zágon Nagy
Musik
Tamas Kreiner
Schnitt
Attila Csabai
Darsteller
Eszter Csonka (Edina) · György Turós (Ádám) · Csaba Krisztik (Krisztián) · Éva Kerekes (Evelyn) · János Papp (Edinas Vater)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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IMDb

Drama um eine ungarische Bodybuilderin Edina, die bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit trainiert, um die Beste in ihrem Sport zu werden.

Diskussion

Stiernacken, sich wölbender Bizeps und breite, muskelbepackte Schultern – so sehen professionelle Bodybuilder aus. Die Person, die zu Anfang von „Sanfte Monster“ ihren gestählten Körper zur Schau stellt, ist allerdings weiblich, sprich, eine Bodybuilderin. Als eine der Frauen, die sich in einer scheinbar typischen Männerdomäne einen Platz erkämpfen wollen, steht im ungarischen Drama „Sanfte Monster“ von László Csuja und Anna Nemes die ehrgeizige Edina (Eszter Csonka) im Zentrum. Bei Wettkämpfen von Bodybuilderinnen erkämpft sie sich Spitzenpositionen, schlägt ihre Konkurrentinnen scheinbar spielend. Doch dafür muss sie sehr viel entbehren. Nachdem sie sich für die Weltmeisterschaft im weiblichen Bodybuilding qualifiziert hat, darf sie abends zum ersten Mal seit zwei Monaten wieder eine deftige warme Mahlzeit zu sich nehmen. Das habe sie sich verdient, sagt ihr Trainer Ádám (György Turós), der zugleich ihr Lebensgefährte ist, und streng darauf achtet, dass sie ihre Trainingseinheiten und ihre Diät einhält. Denn das richtige Training für Bodybuilding stellt eine Wissenschaft für sich dar und eine ihrer Säulen ist eine stramme Disziplin.

Immer neue Höchstleistungen

So motiviert Ádám seine Athletin während des Trainings, spornt sie immer zu neuen Höchstleistungen an. Doch er ist sehr fordernd und hat ein aufbrausendes Temperament. Es wurmt ihn, dass Edina trotz ihrer Erfolge von keinem Sponsor unterstützt wird, sodass das Paar die Kosten für die teuren Aufbaupräparate allein stemmen muss. Ádám war früher selbst erfolgreicher Bodybuilder, musste dann aufhören und will sich nun durch seinen Schützling Edina selbst verwirklichen. Diese gehorcht ihm unterwürfig und ersinnt selbst Möglichkeiten, Geld dazuzuverdienen. Sie verdingt sich als Escort Girl für Männer, die auf muskulöse Frauen stehen – nach dem Training. Mit dem Kunden Krisztián verbindet sie irgendwann mehr als nur eine geschäftliche Beziehung. Dadurch, dass Edina sich keine Pause gönnt, streikt jedoch irgendwann ihr Körper. Beim Training bricht sie eines Tages zusammen.

Wie ständiger psychologischer Druck, emotionale Abhängigkeit und finanzielle Nöte eine Frau in eine selbstzerstörerische Spirale geraten lassen, arbeitet der Film der Regisseure László Csuja und Anna Nemes mit bedrückender Intensität heraus. Alles Glamouröse, das man mit diesem Sport verbinden könnte, geht „Sanfte Monster“ ab. Hier wird nichts verherrlicht, keine Erfolgsstory erzählt, sondern der harte Alltag einer Athletin gezeigt, die im Bodybuilding eine Aufstiegsmöglichkeit sieht. Sie stammt aus einer bäuerlichen Familie, die offenbar eine leidvolle Vergangenheit hat. Doch man erfährt nichts Explizites über Edinas Zeit vor dem Bodybuilding. Der Film konzentriert sich auf das Jetzt, zeigt sie im Fitnessstudio bei einem Training, das an Folter grenzt und mit dem sie ihren Körper und ihre Seele schindet. Abends wiederum sieht man Edina und Ádám in ihrer beengten dunklen Wohnung erschöpft ihren Haushalt führen oder das Programm des nächsten Tages planen. Freude und Unterhaltung gibt es im Leben der Athletin nicht. Alles dreht sich um Edinas anstehende Teilnahme an der Weltmeisterschaft, und diesem Ziel wird alles untergeordnet. Edina träumt davon, aus diesem harten Leben ausbrechen, doch eine gemeinsame Zukunft mit Krisztián erweist sich als Illusion.

Physis und Sensibilität

So führen einige Figuren in diesem Film ein Doppelleben. Sei es, weil sie ihre von der Gesellschaft als abnorm angesehenen Leidenschaften im Verborgenen ausleben, sei es, weil sie sich nach einer anderen Existenz sehnen oder ihrer alten nachtrauern. Außerdem werden die Gefahren von muskelaufbauenden Präparaten aufgezeigt, die nichts anderes als gefährliche Dopingmittel sind und die Schattenseiten des Bodybuildings beleuchten. In Eszter Csonka haben die Filmemacher eine charismatische Darstellerin für eine fordernde Rolle gefunden. Neben der nötigen Physis bringt sie auch die Sensibilität mit, die inneren Kämpfe und seelischen Narben ihrer Figur glaubhaft nach außen zu tragen.

Womöglich wäre der Film auf Dauer etwas zu düster und intensiv, würde er nicht von einigen surreal anmutenden Sequenzen aufgelockert werden. Einmal sieht Edina in einem Krankenhausflur einen Storch entlangstolzieren. Dann wiederum trifft sie sich mit Krisztián in immer changierenden Waldlandschaften, in denen beide mal spielerisch, mal ernst seine speziellen Fantasien ausleben. Der schönste von Edinas Wunschträumen nach einem schöneren Leben ist allerdings ein romantisches ungarisches Lied, zu dem sie mit Krisztián tanzt. Darin heißt es so poetisch wie sehnsüchtig: „Und morgen kommt die Straßenbahn und bringt dich nach übermorgen.“

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