Serie | Deutschland 2023 | Minuten

Regie: Sabrina Sarabi

Zwei Zwillingsschwestern kämpfen als Hackerinnen gegen umweltschädliche Machenschaften. Als eine von ihnen festgenommen wird, flieht die andere und schließt sich einer radikalen Gruppe an. Gewalt ist für sie fortan kein Tabu mehr. Dadurch wird der Zusammenhalt der Schwestern aber einer harten Zerreißprobe ausgesetzt. Eine Cyberthriller-Serie rund um den Protest gegen den Klimawandel und die Frage, wie weit man dabei gehen soll, muss oder darf. Die gut gespielten sechs Folgen sind spannend erzählt, überzeugen als fiktionaler Beitrag zur Debatte über die moralischen Grenzen des Klima-Aktivismus jedoch nur bedingt. - Ab 16.

Filmdaten

Originaltitel
Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Regie
Sabrina Sarabi · Damian John Harper
Buch
Stefanie Ren · Jonas Weydemann · Nicki Bloom · Sabrina Sarabi
Kamera
Philipp Baben der Erde
Musik
Andreas Pfeiffer
Schnitt
Sebastian Bonde · Anna Nekarda · Florian Miosge
Darsteller
Saskia Rosendahl (Anna) · Hanna Hilsdorf (Benni) · Peter Kurth (Christoph Wandler) · Sebastian Hülk (Simon) · Sohel Altan Gol (Bijan Asfari)
Länge
Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Serie | Thriller

Cyberthriller-Serie, in der die Beziehung zweier Schwestern, die sich als Hackerinnen gegen den Klimawandel engagieren, einer Zerreißprobe ausgesetzt wird, als sich eine der beiden radikalisiert.

Diskussion

Die Schwestern Anna (Saskia Rosendahl) und Benni (Hanna Hilsdorf) haben sich dem Kampf für die Umwelt verschrieben. Sie nutzen ihre Fähigkeiten als Hackerinnen, um umweltschädliche Machenschaften aufzudecken. Beide sind sehr versiert in der Welt der digitalen Codes; so gelingt es ihnen sogar, sich in die E-Mails eines Politikers zu hacken. Doch dieses Mal haben sie die Schwelle zur Illegalität zu weit überschritten; die Polizei kommt ihnen auf die Spur. Anna wird festgenommen, Benni hingegen gelingt die Flucht. Mit Hilfe einer Aktivisten-Organisation, die sich „Der letzte Widerstand“ nennt, kann sie sich verstecken.

Während sich Benni zunehmend radikalisiert, gerät Anna in einen schweren Gewissenskonflikt. Soll sie sich weiterhin auf die Seite von Benni stellen, obwohl sie sich von ihr im Stich gelassen fühlt? Oder soll sie der Polizei helfen, Benni zu finden? Und damit aus dem Gefängnis freikommen?

Private Verflechtungen

Annas Dilemma wird dadurch erschwert, dass Christoph Wandler (Peter Kurth), der Leiter der Abteilung für Cyberkriminalität, ihr Patenonkel ist, zu dem sie ein gutes Verhältnis hat. Mit ihm ist sie einer Meinung, dass für den Klima-Aktivismus keine Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden dürfen. Genau diese Grenze will Benni als neues Mitglied der Gruppe „Der letzte Widerstand“, die von der geheimnisvollen Rainman (Hadewych Minis) angeführt wird, überschreiten.

Dass ihre Schwester gemeinsame Sache mit Wandler und den anderen „Bullen“ macht, schürt Bennis Radikalität zusätzlich an. Es geht nicht mehr nur darum, die Abholzung des Waldes zu verhindern, in dem sie und Anna groß geworden sind, aufgezogen von ihrer inzwischen verstorbenen Mutter Marlene und deren Partnerin Uli. Es geht um mehr als das. Aber worum?

Das ist eine entscheidende Frage der von Stefanie Ren als Hauptautorin verantworteten und von Sabrina Sarabi und Damian John Harper inszenierten Serie. Spielt sich im Zentrum von „A Thin Line“ ein Familiendrama ab? Signifikant hierfür sind Informationen, die Benni sich mit Hilfe des ebenfalls zur Gruppe zählenden Adam (Aniol Kirberg) über Christoph Wandler verschafft. Mitunter kommt dadurch der Verdacht auf, dass der Klimawandel hier einmal mehr nur als Hintergrund für eine „Familienzusammenführungsromanze“ dient, wie die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn die Dramaturgie vieler Klimakatastrophen-Filme in ihrem Buch „Zukunft als Katastrophe“ bezeichnet hat. Doch die Serie gerät zum Glück nicht in dieses Fahrwasser, sondern kreist mit dem Fokus auf den beiden Hauptfiguren um die Frage, wie weit Klima-Aktivismus gehen soll, muss oder darf.  

Gewalt im Aktivismus

Laut Autorin Stefanie Ren geht es in der Serie „nicht um den Klimawandel per se, sondern um die Frustration innerhalb der Bewegung der Klimaaktivist:innen angesichts der Langsamkeit in der Politik“. Die Zwillingsschwestern Anna und Benni verkörpern die beiden Seiten des gewaltfreien vs. gewalttätigen Aktivismus. Dass dies auch als Kommentar zur aktuellen Debatte um das Bündnis „Letzte Generation“ und seine Attacken gegen Kunstwerke gelesen werden kann, liegt auf der Hand.

In der Radikalisierung von Benni greift die Serie auch den mitunter gezogenen Vergleich mit dem Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) auf. Die Gruppe „Der letzte Widerstand“ wird in der Serie explizit als terroristisch bezeichnet. Benni nimmt den Verlust von Menschenleben in einem Anschlag auf eine Raffinerie (hier wird der Bezug zu „Letzten Generation“ besonders deutlich, denn die PCK-Raffinerie in Schwedt/Oder war realiter Ziel von Protesten) zuerst in Kauf und geht dann sogar noch einen entscheidenden Schritt weiter. Ihre Figur beginnt darüber mehr und mehr den Protagonistinnen in RAF-Filmen wie „Der Baader Meinhof Komplex“ (2008) zu ähneln. Benni und teilweise auch Anna werden ohnehin mit etwas viel krimineller Energie ausgestattet. Beide sind beispielsweise begnadete Taschendiebinnen; man fragt sich aber, wo sie das gelernt haben.

Und wo ist der Klimawandel?

Eine Darstellung dessen, wogegen die Aktivistinnen sich richten, also den Klimawandel, wird hingegen komplett ausgespart. Der idyllische Wald von Anna und Benni ist noch da, es gibt keine Bagger, die auf ihren Einsatz warten, und nicht mal der Borkenkäfer hat sich an Bäumen zu schaffen gemacht. Worum es geht, wird nur verbal verhandelt, vor allem in einer Szene, in der Rainman Benni zu überzeugen versucht, wofür sie kämpfen: „Während wir hier sitzen, verlieren Millionen von Menschen durch Überschwemmungen ihr Zuhause.“ Damit meint sie nicht Ahrweiler, sondern den globalen Süden. Benni antwortet „Ich weiß.“, und das Publikum wird zustimmen. Ja, das wissen wir schon – aber was dagegen tun? Rainman liefert die Antwort: „Wir müssen lauter werden.“

Rainman ist eine schillernde und zwiespältige Figur. Sie ist Holländerin und wurde als Soldatin bei einem Einsatz in Afrika schwer verletzt. Seitdem sitzt sie im Rollstuhl. In ihrer Abgebrühtheit wirkt sie manchmal fast wie Long John Silver mit dem Holzbein aus Stevensons „Schatzinsel“. Die körperliche Behinderung beeinträchtigt sie kaum. Sie ist skrupellos und brutal, wirkt durch einen Nebenhandlungsstrang aber auch menschlich und verletzlich. Simon Geiger (Sebastian Hülk) vom Bundeskriminalamt fragt einmal, wie es zusammenginge, dass eine Soldatin die Anführerin einer Klimaterrorgruppe sei. Eine berechtigte Frage, die in der Serie unbeantwortet bleibt.

Die schmale Linie zwischen Aktivismus und Terrorismus durch den Konflikt von zwei Zwillingsschwestern zu thematisieren, überzeugt dramaturgisch, zumal Saskia Rosendahl als Anna und Hanna Hilsdorf als Benni so eindringlich spielen, dass ihre Figuren auf glaubwürdige Weise in den Bann ziehen. Aktivismus wird in „A Thin Line“ weder romantisiert noch verteufelt; allerdings überzeugt die Zeichnung der Gruppe „Der letzte Widerstand“ nicht vollends. Und dass Benni wie auch Rainman mit Hintergrundsgeschichten versehen werden, die ihren Aktivismus aus biografischen Erfahrungen heraus motivieren, hat den unangenehmen Beigeschmack, dessen Dringlichkeit zu verwässern. Es muss keine versteckte biografische Schublade geöffnet werden, um nachvollziehbar erscheinen zu lassen, dass jemand wichtige Informationen leakt oder sich auf die Straße klebt, um angesichts des Klimawandels zu alarmieren und aufzurütteln.

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