Der Illusionist (2022)
Dokumentarfilm | Deutschland 2022 | 76 Minuten
Regie: Birgit Schulz
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2022
- Produktionsfirma
- Bildersturm Filmprod./ZDF/3sat
- Regie
- Birgit Schulz · Marita Loosen-Fox
- Buch
- Marita Loosen-Fox
- Kamera
- Marie Zahir
- Schnitt
- Nina Ergang
- Länge
- 76 Minuten
- Kinostart
- 27.04.2023
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
Ein dokumentarisches Porträt des deutschen Kunstberaters Helge Achenbach, der Unternehmen zu Kunstsammlungen verhalf, wegen Betrugs aber auch im Gefängnis saß.
Zu Beginn des filmischen Porträts über Kunstberater Helge Achenbach kommt der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann zu Wort. Für ihn war der Düsseldorfer zwar Teil des Kunstbetriebs, hat mit seinem Faible für Glamour und Stars aber besser in Diekmanns Boulevardblatt gepasst als in die großen Feuilletons. Trotz ungewohnt schlichtem Auftreten lässt Achenbach im Gespräch noch heute gerne die Namen seiner einst zahlreichen prominenten Bekannten fallen und weiß auch genau, bei welchem Japaner man damals beim Essen war.
Mit aktuellen Interviews, Archivaufnahmen und Privatfotos zeichnet Birgit Schulz in ihrem Dokumentarfilm den Werdegang Achenbachs nach, der 2014 wegen Betrugs für mehrere Jahre ins Gefängnis musste. Zunächst führt uns „Der Illusionist“ von einer Jugend als Hippie ins Köln der 1970er-Jahre, wo ein eher kunstfernes, aber gut betuchtes Publikum zeitgenössische Werke als Investitionen entdeckte. „Wandaktien“ heißt es einmal in einer alten Fernsehreportage.
Der Aufbau von Kunstsammlungen
Nachdem Achenbach der Job in einer Galerie zu eng und langweilig wurde, verhalf er bald als Pionier seines Fachs großen Wirtschaftsunternehmen beim Aufbau ihrer Kunstsammlungen. Zu Stars der Szene wie Jeff Koons und Jörg Immendorf hatte er früh einen guten Draht. Oft ging es bei den Deals jedoch mehr darum, finanziell möglichst viel rauszuschlagen, als die Arbeiten angemessen zur Geltung zu bringen. So wird von einer Geschichte berichtet, bei der Gerhard Richter wenig begeistert war, wie gedankenlos seine großformatigen Bilder aufgehängt wurden.
Achenbach ist sympathisch, begeisterungsfähig und überzeugend, aber wenn man ihm eine Weile zuhört, zeichnen sich auch weniger ehrenwerte Beweggründe ab. Bei einer Messe versucht er einem Kamerateam die Faszination der Kunst zu vermitteln und redet dabei vor allem von Geld und Prestige. Der befreundete Künstler und ehemalige Beuys-Schüler Heinz Baumüller mutmaßt sogar, dass die Kunst nur ein austauschbarer Gegenstand für seine Geschäftstüchtigkeit war.
„Der Illusionist“ porträtiert einen Mann, dessen Aufstiegsdrang irgendwann in Gier umschlug. Als Achenbach sich darauf spezialisierte, reiche Privatsammler wie die „Aldi“-Familie zu beraten, sollte er auf einmal mit einer minimalen Beteiligung abgespeist werden. Deshalb schönte er die Rechnungen und gewöhnte sich an diese profitable Einnahmequelle. Wegen eines angeblichen Schadens von über 60 Millionen Euro muss er später für sechs Jahre ins Gefängnis, verliert sein Vermögen und seinen guten Ruf.
Ein ambivalenter Protagonist
„Der Illusionist“ bleibt überwiegend bei Achenbachs Perspektive, zeichnet ihn dabei aber ambivalent. Als Robin Hood hätten ihn seine Mitgefangenen gesehen, weil er Milliardäre beraubt hat, für die das entwendete Geld kein großer Verlust war. Den sich selbst meist schonenden, blumigen Ausführungen Achenbachs stellt die Regisseurin aber auch seine Ex-Frau gegenüber, die seine Geltungssucht kritisiert, oder den Galeristen Rudolf Zwirner, der ihm jegliches Kunstverständnis abspricht. Ein freundschaftlicher Brief an eine Kunstpädagogin aus dem Gefängnis artet zu einer ausführlichen Kritik ihrer Arbeit aus, die viel über Achenbachs Sichtweise verrät: Auf die persönliche und therapeutische Herangehensweise der Lehrerin antwortet er mit einer Anleitung, wie man möglichst effektiv international von sich reden macht.
Der Film ist manchmal etwas brav in seiner Herangehensweise und behäbig im Tempo. Dann gibt es aber auch wieder schönes Archivmaterial, interessante Anekdoten und beiläufige, aber vielsagende Momente. Aufschlussreich ist etwa der Auftritt des bekannten, mit 41 Jahren noch recht jungen Galeristen Johann König, der sich von der elitären Aura eines Achenbachs abgrenzen möchte. Erfolglos versucht er, den frisch aus dem Gefängnis Entlassenen in seinem Podcast zur Verantwortung zu ziehen. Vor allem zeigt sich hier aber ein Generationenwechsel. Königs demonstrativ lockere, vermeintlich transparente und demokratische Selbstdarstellung ist letztlich auch nur ein zeitgemäßerer Anstrich für ein Unternehmen, das in erster Linie an Aufmerksamkeit und Profit interessiert ist.
Der Mann, der auch sich selbst verkauft
Für einen Film über einen völlig aus dem Ruder gelaufenen Kunstmarkt dringt „Der Illusionist“ aber letztlich nicht tief genug in die Materie ein und als Porträt geht er zu nachlässig mit seinem Protagonisten um, der eben nicht nur Kunst gut verkaufen kann, sondern auch sich selbst. Gegen Ende überlässt Birgit Schulz ihm fast widerstandslos das Feld, wenn er sich ein bisschen zum Justizopfer stilisieren darf, mit seiner Armut kokettiert, obwohl er allein auf einem riesigen Anwesen wohnt, oder sich als Künstler neu erfindet. Den Filmtitel könnte man dann fast so verstehen, als wäre ihm auch die Regisseurin ein wenig auf den Leim gegangen.