Dokumentarisches Porträt | USA 2023 | 189 (3 Teile) Minuten

Regie: Lesley Chilcott

Dreiteiliger Dokumentarfilm über Arnold Schwarzenegger, der in den 1960er-Jahren zunächst im Exotensport Bodybuilding von seinem österreichischen Heimatdorf über München und London die Weltspitze erklomm, um dann in seiner Wahlheimat USA über die nächsten Jahrzehnte erst im Filmgeschäft und dann in der Politik eine exzeptionelle Zweit- und Drittkarriere zu starten. Weniger kritische Aufarbeitung als autobiografische Wegbeschreibung, schildert der 75-Jährige seine Sicht der Dinge, die durch reichhaltiges Bildmaterial und Interviews mit Weggefährten aus Sport, Politik und Showbiz illustriert und untermauert wird. Ein unterhaltsames, wenn auch nicht sonderlich analytisches Kaleidoskop eines bewegten Lebens. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
ARNOLD
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Regie
Lesley Chilcott
Kamera
Logan Schneider
Musik
Christophe Beck · Matthew Feder
Schnitt
Steve Prestemon · Poppy Das · Travis Smith-Evans
Länge
189 (3 Teile) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarisches Porträt | Serie

Dokumentarischer Mehrteiler um das Leben von Arnold Schwarzenegger von den Anfängen im Gewichtheben über die Schauspielerei bis zum politischen Engagement als Gouverneur von Kalifornien.

Diskussion

„Alles nur nackte Männer!“ Mutter Schwarzenegger war nicht sonderlich erfreut über die Bilder, die über dem Bett des jugendlichen Arnold hingen. Zumindest war es so in der Erinnerung des inzwischen 75 Jahre alten, körperlich und geistig noch recht robusten Mannes, der mit seiner kubanischen Zigarre im mit muffigem Farm-Chic überladenen Büro seines Landhauses am Rande von Los Angeles sitzt und sich erinnert. „Die Idee war es, den Körper mit purer Willenskraft zu formen …“, sagt er kurz zuvor. Da sitzt Arnold Schwarzenegger noch in einem Jacuzzi – mit Zigarre – und blickt bedeutungsschwanger hinaus in die schneebedeckten Berge seiner US-amerikanischen Wahlheimat. „… also formt man erst den Willen!“

Missverständliche, starke, kitschige Worte, die es in den folgenden drei Stunden einzuordnen, ja, klarzustellen gilt. Es ist der Beginn von „Arnold“, der Dokumentation über einen der bekanntesten Männer der jüngeren US-amerikanischen Geschichte. Ein Österreicher, ein Bodybuilder, ein Filmstar, ein Gouverneur.

Regisseurin Lesley Chilcott lässt ihren Film beginnen, wie so viele Dokumentarfilme auf Netflix beginnen: Statements von Menschen, die man noch nicht kennt, über einen Menschen, den man aufgrund seiner Prominenz zwar durchaus kennt, über den es aber – so die Verheißung der Doku – noch viel zu erfahren gibt. Statements voller Bewunderung, aber auch Kritik. Man hört Schlagworte wie „berechnend“, „ehrgeizig“, „magisch“ oder Sätze wie „Wir konnten uns nicht ausstehen.“ Arnold braucht nur ein Wort, um das alles nach 5 Minuten wegzuwischen: „Bullshit!“ Und dann fängt der Meister selbst zu erzählen an.

Bebilderte Autobiografie

„Arnold“ ist keine kritische, investigative, journalistische Arbeit. „Arnold“ ist eine bebilderte Autobiografie. Alles was zählt, ist Schwarzeneggers Sicht auf die Dinge. Alle, die sonst noch zu Worte kommen, zollen Tribut. Es sind Wegbegleiter wie James Cameron, Jamie Lee Curtis, Linda Hamilton, Ivan Reitman, Danny DeVito oder Sylvester Stallone. Sie alle erzählen Anekdoten oder frotzeln ein wenig, wie sein Hollywood-Lieblingskonkurrent Sylvester Stallone. Doch sie fungieren allesamt nur als Kommentatoren einer Geschichte, die ganz Arnolds Geschichte ist. So, als müssten sie allesamt nur die Authentizität seiner Erinnerungen bestätigen.

Gute drei Stunden komprimierter Lebens-Rückschau sind dabei zusammengekommen. Das Vermächtnis eines Tausendsassas: Athlet, Akteur, Amerikaner – so denn auch die Untertitel der drei Episoden des Doku-Mehrteilers. Es sind die drei Identitäts-Säulen einer bemerkenswerten Karriere, und auch die thematischen Schwerpunkte von Chilcotts umfassender filmischer Hommage.

Auf dem Weg zu Mr. Universum

„Alles nur nackte Männer!“ Natürlich ganz unverfänglich, eindeutig männlich, in den Studienjahren im Graz der frühen 1960er-Jahre. Es geht schlicht und asexuell um das Formen des Körpers gegen den Widerstand des Eisens. Das klingt martialischer, als es ist, handelt es sich doch in erster Linie nur um harte, quälende Arbeit. Sicher, andere gehen in den Kraftraum, um sich Grundlagen dafür zu schaffen, einmal ein guter Fußballspieler oder Skifahrer zu werden. Doch den Gefallen hatte Arnold seinem Vater nie getan, der mit dem „Sport“ seines Sohnes nichts anfangen konnte. Arnold ging es nur um den (eigenen) Körper und die Veränderung, die er durch tägliches Training provozieren konnte. Es waren die „Herkules“-Filme mit Reg Park, die ihn noch mehr motiviert haben, die Provinzialität des kleinen Grazer Kraftraums und die örtliche Muskel-Clique hinter sich zu lassen. Irgendwie hatte er sich immer im falschen Land gewähnt. Und so ging es über München und Albert Buseks Kaderschmiede letztendlich dorthin, wo Bodybuilding als Sport mehr versprach als „nur“ die Österreichische Staatsmeisterschaft oder die „Weltmeisterschaft“ der europäischen NABBA in London. Kalifornien und Joe Weiders IFBB-Mr.-Universum war das Maß aller Dinge für den gerade Volljährigen, der in Europa schon alle Preise gewonnen hatte. Und wenn man erst einmal dort angekommen ist, ist Hollywood nicht weit.

„Arnold“ ist nur am Rande eine Betrachtung über den Sport, der vielen ob seiner Bühnenshows als eher suspekt gilt. Und so geht es im zweiten Teil „Akteur“ gleich zu jenem Aspekt seiner Karriere, der Schwarzenegger seine meisten Fans bescherte. Es spricht einmal mehr nicht für den Leumund der „Golden Globe“-Veranstalter, dass man Arnold Schwarzenegger 1977 den Preis für das beste Schauspieldebüt für seine Rolle in Bob Rafelsons „Mister Universum“ verliehen hat. Ein seltsamer Film, der sich des Bodybuilding-Sports bedient, um ein flaches Drama aufzupeppen. Immerhin der Neid Sylvester Stallones war ihm sicher, der 1977 weder den „Oscar“ noch den „Globe“ für „Rocky“ bekam.

Rückblick auf die Action-Ära der 1980er- und 1990er-Jahre

Auch in „Akteur“ sitzt Arnold im bequemen Bürostuhl und erzählt über das, was ihm wichtig scheint. Das ist in erster Linie die Rivalität zwischen ihm und dem anderen Actionhelden Stallone, der seine Karriere im Filmgeschäft befeuerte. Da Regisseurin Lesley Chilcott immer wieder den alten Stallone vor der Kamera zu süffisanten Kommentaren verleiten kann, gehört dieser zweite Teil von „Arnold“ zu den unterhaltsamsten Segmenten der Lebensbetrachtungen. Auch hier wird weniger analysiert als paraphrasiert und ein wenig sentimental auf die gute alte Actionfilm-Ära der 1980er- und 1990er-Jahre geblickt. Schwarzenegger avancierte hier dank Filmen wie „Terminator“, „Phantom-Kommando“, „Predator“ oder „Die totale Erinnerung – Total Recall“ zum Superstar, dessen Muskel-Machismo der Schauspieler in Komödien wie „Twins“ und „Kindergarten Cop“ trefflich zu ironisieren und konterkarieren wusste.

So konservativ-republikanisch der Star auch grundsätzlich veranlagt scheint, so wenig hatte er mit den reaktionären Werbefilmen eines „Rambo“-Stallone am Hut. Das mag wohl auch an seiner großen Liebe Maria Shriver gelegen haben. Die Nichte von John F. Kennedy, die Arnold 1986 heiratete, erdete den Reagan-Fan Schwarzenegger. Die Liebe über alle Weltanschauungen hinweg spricht auch grundsätzlich für Schwarzeneggers liberalen und verbindenden Geist.

Kein politisches Lagerdenken

„Ich will nicht meiner Partei dienen, sondern den Menschen.“ Was im Regelfall zu den abgegriffensten Parolen der Politiker zählt, klingt ausgerechnet aus dem Munde des Schauspielers Schwarzenegger eigentümlich glaubwürdig. Das mag auch daran liegen, dass der Republikaner mit der Demokraten-Frau beim Zementieren seiner dritten Karriere nie ein Lagerdenken protegierte. In „Amerikaner“, Chilcotts drittem „Arnold“-Teil, wird deutlich, was man nach Trump und Co. fast vergessen hatte. Nämlich, wie konstruktiv US-amerikanische Politik sein kann. Als Schwarzenegger sensationell 2003 zum 38. Gouverneur Kaliforniens gewählt wurde, hätte niemandem dem Laien ein politisches Überleben zugetraut. Doch trotz Skandälchen und Verunglimpfungen blieb er bis 2011 im Amt und hievte zunehmend auch Demokraten in Ämter, wenn es seiner ökologischen, Umwelt-orientierten Sache diente.

Dieser dritte Teil ist sicher der spannendste von Schwarzeneggers autobiografischem Rückblick, zeigt er doch, wie ein Mensch zur zeitlosen Persönlichkeit reift, der als Sportler und Schauspieler eigentlich genug schnellen Ruhm verdient hat. Er ist eine schillernde, beeindruckende Figur, dieser Arnold Schwarzenegger. Auch wenn er es eigentlich nur selbst erzählt, will man es ihm glauben und wünscht ihm gleichzeitig, dass sein erfülltes Leben den Menschen Arnold Schwarzenegger auch jenseits von Mister Universum und Terminator ein wenig unsterblich macht.

Kommentar verfassen

Kommentieren