Dokumentarfilm | Deutschland 2023 | Minuten

Regie: Florian Nöthe

Doku-Serie über die Umweltschutzorganisation „Greenpeace“, die sieben Aktivisten porträtiert und begleitet. Es geht aber auch um die über 50-jährige Geschichte der Organisation, mit vielen internen und einigen externen Stimmen. Dazu kommen die ikonisch gewordenen Bilder waghalsiger Aktionen, aber auch bislang unbekannte Archivaufnahmen. Der fünfteiligen Serie ist Sympathie für ihren Gegenstand anzumerken, Kritisches kommt nur am Rande vor. Gelegentlich erschweren arges Pathos und eine etwas sprunghafte Dramaturgie den Zugang. Der vielschichtige Gegenstand sowie die enorme Materialfülle sprechen jedoch für sich. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
M.E. Works/Constantin Dokumentation
Regie
Florian Nöthe · Max Rainer · David Herman · Valentin Thurn · Verena Sieben
Kamera
Jakob Fuhr
Musik
Sebastian Fillenberg
Schnitt
Bastian Bischoff · Sebastian Schubert · Anika Simon · Tim Sommer
Länge
Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Serie

Doku-Serie um sieben Greenpeace-Aktivisten, die aufwändige Umweltkampagnen und -aktionen koordinieren.

Diskussion

177 Umweltaktivisten wurden nach Informationen der Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ im Jahr 2022 getötet. Ermordet, weil sie sich für saubere Flüsse und intakte Wälder einsetzten. Besonders riskant ist die Lage für Umweltschützer in Lateinamerika; Kolumbien und Brasilien führen die hässliche Rangliste an.

Die brasilianische Greenpeace-Aktivistin Bianca Cavalcante da Silva ist sich dieser Gefahr sehr bewusst. Sie und ihre Kollegen absolvieren regelmäßige Trainings, in denen sie üben, auch dann ruhig zu bleiben, wenn ihnen jemand eine Pistole an den Kopf hält. Die junge Geografin ist häufig im Amazonas-Gebiet unterwegs, um illegale Rodungen zu dokumentieren. Ungeplante Kontakte mit anderen Menschen versuchen die Umweltschützer in dem weitläufigen Gebiet zu vermeiden; jede Begegnung könnte eskalieren und tödlich enden.

Kampf mit Körpern und Worten

Die junge Frau ist eine von sieben Aktivistinnen und Aktivisten, die in der fünfteiligen Dokuserie „Inside Greenpeace – Was braucht es, um die Welt zu retten?“ bei ihrem Engagement begleitet werden. Dazu gehören auch der russischstämmige Dima Litvinov, der gemeinsam mit dem indigenen Volk der Sami gegen die Abholzung der Wälder im finnisch-schwedischen Grenzgebiet kämpft; ebenso wie der US-amerikanische Meeresbiologe John Hocevar und die Senegalesin Awa Traoré. Beide setzen sich für den Schutz der Ozeane ein.

Ebenfalls porträtiert wird Jennifer Morgan, die bis 2022 Geschäftsführerin von Greenpeace International war und seitdem als Sonderbeauftragte für die Klimapolitik der deutschen Bundesregierung tätig ist. Sie wird in der ersten Folge bei einer Schlauchboot-Aktion begleitet, bei der sie gemeinsam mit anderen den Rotterdamer Hafen blockiert, um gegen fossile Energien zu protestieren. Man sieht sie aber auch bei der UN-Klimakonferenz COP 26 in Glasgow, wo sie in Hintergrundgesprächen um ein nachhaltiges Abkommen ringt. Der Kampf von Greenpeace wird mit dem Einsatz von Körpern und Worten geführt. Die Diplomatie wurde allerdings zuletzt immer wichtiger; auch Greenpeace setzt zunehmend auf Lobbyarbeit und Allianzen.

Ins kollektive Gedächtnis eingebrannt

Bekannt geworden ist die mittlerweile über 50 Jahre alte Umweltorganisation, die Anfang der 1970er-Jahre in Vancouver gegründet wurde, aber vor allem für ihre „Direct Actions“, oft spektakulären Aktionen, deren Halbwertszeit in digitalen Zeiten freilich deutlich kürzer ist als früher. Dabei schien sich Greenpeace im Kampf „David gegen Goliath“ stets am wohlsten zu fühlen: Je größer der jeweilige Gegner, desto besser.

Zur DNA der Greenpeace-Aktionen gehören von Anfang an Bilder. Unzählige längst ikonisch gewordene Fotos und Filmausschnitte haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Etwa die Besetzung der Ölplattform „Brent Spar“ im Jahr 1995, die der Ölkonzern Shell im Nordatlantik versenken wollte. Es sind Bilder von Menschen in Schlauchbooten, die in die Schusslinie von Walfänger-Harpunen manövrieren, um die Tiere zu schützen. Fotos von Anti-Robbenjagd-Kampagnen, von Solidaritätsbekundungen für die in Russland eingesperrten „Arctic 30“ oder von Aktivisten, die an Industrieschloten hochklettern und Banner entrollen. Oder die Aufnahmen des Schiffs „Rainbow Warrior“, auf das der französische Geheimdienst 1985 in Auckland ein Attentat verübte, bei dem ein Greenpeace-Mitarbeiter starb.

Aktuelle Kampagnen & die Historie

„Inside Greenpeace“ zeigt diese und andere historischen Aufnahmen noch einmal und erweitert sie um exklusive Einblicke ins Archiv. Schon den Greenpeace-Gründern Bob Hunter und Rex Weyler ging es darum, ganz im Sinne der von dem Medienwissenschaftler Marshall McLuhan entliehenen „Mindbombs“-Theorie, mit Hilfe von Bildern „Gedankenbomben“ in den Köpfen der Zeitungsleser und Fernsehzuschauer zu platzieren. Grundsatz für die konkreten Aktionen freilich war und ist stets Gewaltlosigkeit.

Die Serie begleitet die aktuelle Arbeit von Greenpeace-Aktivisten, erzählt zugleich aber auch die Historie der Organisation. Zudem kommen sehr viele interne sowie auch einige externe Stimmen zu Wort – der Titel „Inside Greenpeace“ ist durchaus Programm. Kritische Perspektiven nehmen auf diese Weise eher geringen Raum ein.

Die Filmemacher erwähnen trotz offensichtlicher Sympathie aber auch Schattenseiten. Etwa den Finanzskandal von 2014, bei dem ein Mitarbeiter Spendengelder im Millionenumfang veruntreute und damit das wichtigste Gut der Organisation, ihre Glaubwürdigkeit, aufs Spiel setzte. Es geht aber auch um misslungene Aktionen wie jene über der Münchner Allianz Arena im Jahr 2021, als ein Gleitschirmflieger zwei Menschen verletzte.

Trotzdem ist Greenpeace mittlerweile massentauglich geworden, auch aufgrund des gewachsenen gesellschaftlichen Umweltbewusstseins, das durchaus auch ein Erfolg der Greenpeace-Arbeit ist. Aus der kleinen kanadischen Umwelt-Guerilla-Truppe ist längst ein Konzern mit mehr als 3300 Mitarbeitern in 55 Ländern erwachsen.

Eine teils sprunghafte Dramaturgie

Ausdruck dessen ist nicht zuletzt dieses filmische Großprojekt. Fünf Regisseure haben daran mitgewirkt, was wohl auch ein Grund für die teils allzu sprunghafte Dramaturgie ist. Die (Über-)Fülle an Protagonisten, Themen, Anekdoten und Zeitebenen war offensichtlich nicht einfach zu sortieren und ist nicht immer geschickt montiert. Teils soll mit abrupten Schnitten Spannung erzeugt werden, wenn kurz vor dem „Höhepunkt“ einer Episode zu einem anderen Protagonisten oder Schauplatz geschnitten wird, um erst viel später zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Das funktioniert nur bedingt und wirkt bisweilen sogar chaotisch oder beliebig; außerdem erschwert es den Einstieg in die Serie, ebenso wie das Pathos im Vorspann und auf der Musikspur.

Auf Dauer und mit Fortgang der Serie gewöhnt man sich allerdings daran und nimmt die gelungeneren Seiten von „Inside Greenpeace“ stärker in den Blick. Allen voran den immens spannenden Gegenstand, an dem sich so vieles ablesen und lernen lässt: die politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Zeitläufte, die Kraft von Widerstand, Gemeinschaft und Sinnhaftigkeit, die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn aus einer kleinen, wendigen Struktur etwas sehr Großes erwächst.

Durchweg interessant sind auch die Protagonisten, wobei die Serie ausgerechnet der Ex-Chefin Jennifer Morgan am wenigsten nahekommt; ihr Auftritt etwas blass bleibt. Außergewöhnlich ist Bianca Cavalcante da Silva in ihrem riskanten Engagement für den Amazonas, aber auch Dima Litvinov, der seit Jahrzehnten für Greenpeace aktiv ist. Es ist fesselnd, ihnen bei der täglichen Arbeit zuzusehen und sie über ihre Einsätze sprechen zu hören. Das gilt auch für die Einblicke von Menschen wie dem langjährigen Greenpeace-Kapitän Peter Willcox, der bei vielen Aktionen mit dabei war. Er hatte auch das Sagen an Deck der „Rainbow Warrior“, die 1985 so infam versenkt wurde. Einer der französischen Kampftaucher, die damals die Minen an dem Boot befestigten, äußert sich ebenfalls – Jean-Luc Kister, der dafür 2015 erstmals öffentlich um Entschuldigung bat.

„Inside Greenpeace“ ist filmisch eher eine Fleißarbeit. Allerdings eine aufschlussreiche. Denn die Serie bietet eine vielfältige Sammlung an Aspekten und Geschichten rund um die wohl bekannteste Umweltschutzorganisation, deren Arbeit, ihrem großen Erfolg zum Trotz, in Zeiten der immer spürbareren Klimakrise wichtiger denn je geworden ist.

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