Drama | USA/Großbritannien 2023 | 122 Minuten

Regie: David Yates

Eine alleinerziehende Mutter lernt als Stripperin einen Mitarbeiter eines Pharmakonzerns kennen, an dessen Seite sie zur Vertriebsleiterin eines Unternehmens aufsteigt, das mit dem Schmerzmittel Fentanyl enorm viel Geld verdient. Die Risiken des stark süchtig machenden Medikaments werden dabei verschleiert und Ärzte und Kliniken mit aggressivem Marketing zum Verschreiben motiviert. Durch die Augen der Protagonistin blickt der Film auf die dritte Welle der US-Opioid-Epidemie, die eine direkte Folge der Methoden der Pharmakonzerne ist. Im angestrengt hoch gehaltenen Tempo der Inszenierung gehen indes die Nuancen der gesellschaftlichen Konsequenzen ebenso verloren wie die Tragik hinter den Opfern der Opioid-Krise. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
PAIN HUSTLERS
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Grey Matter Prod./Wychwood Media
Regie
David Yates
Buch
Wells Tower
Kamera
George Richmond
Musik
James Newton Howard · Michael Dean Parsons
Schnitt
Mark Day
Darsteller
Emily Blunt (Liza Drake) · Chris Evans (Pete Brenner) · Andy Garcia (Dr. Jack Neel) · Catherine O'Hara (Jackie) · Jay Duplass (Larkin)
Länge
122 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
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Drama über eine alleinerziehende Mutter, die als erfolgreiche Verkäuferin eines US-Pharmakonzerns in das Geschäft mit Opioiden verwickelt wird.

Diskussion

Noch bevor ihre Probezeit abgelaufen ist, liegt der gefälschte Lebenslauf von Liza Drake (Emily Blunt) auf dem Tisch ihres Chefs. Die alleinerziehende Mutter hat weder studiert noch in US-Laboren hospitiert. Pete Brenner (Chris Evans) hat sie im örtlichen Stripclub angeheuert. Wo sie andernorts mit einer Kündigung rechnen müsste, winkt beim Pharmakonzern „Zanna Therapeutics“ aber die Beförderung. Denn ein Studium der Biochemie ist hier ebenso wenig gefragt wie ein Summa-cum-laude-Abschluss.

Liza ist ein Hustler. Sie klappert Schmerzkliniken ab, um deren Ärzte davon zu überzeugen, nicht die Medikamente der Konkurrenz, sondern die von Zanna zu verschreiben. Auf diesen Job versteht sie sich. Mit dem mitgebrachten Kaffee wird Gesprächszeit mit einer Ärztin gewonnen, mit einem dezenten Flirt die Aufmerksamkeit eines Arztes geweckt, und mit ihrer Menschenkenntnis jeder potenzielle Schwachpunkt gefunden. Die Studien, mit denen sie wedelt, sind für den Verkauf quasi wertlos. Das Geschäft der Pharmakonzerne ist das exakte Gegenteil einer an Meta-Analysen und wissenschaftlichen Feinheiten orientierten Behandlungspolitik. Die Frage, die hier alles bestimmt, lautet: „Wie profitiere ich davon?“. Die gesundheitlichen Effekte der Medikamente sind nur Fußnoten in einem florierenden Milliardengeschäft.

Schmerz ist Schmerz

So fährt „Pain Hustlers“, der von dem Sachbuch „The Hard Sell: Crime and Punishment at an Opiodi Startup“ inspiriert ist, in den Autos der Hustler die Kliniken ab auf der Suche nach der nächsten „Fentanyl-Verschreibung. Das Ergebnis der Marketingarbeit ist bekannt: Seit der Jahrtausendwende beklagen allein die USA Zehntausende Tote durch Opiate. Fentanyl zeichnete für die dritte und tödlichste Welle der sogenannten Opioid-Krise verantwortlich.

Bis der Film mit dieser Realität kollidiert, heißt es: Vollgas! Dabei wird kein Hehl daraus gemacht, dass die Wand, auf die der Pharmakonzern zurast, nicht allzu weit entfernt ist. „Pain Hustlers“ kreist um die Phase, in der das Geschäft mit Schmerzmitteln sich von einem Unterfangen zur Minderung des Leids zu einem der Verbreitung des Leids wandelt.

„Schmerz ist Schmerz“, lautet das Motto, mit dem die Pharma-Konzerne in neue Märkte vorstoßen; sprich: die Schmerzmedikamente, die eigentlich für Krebskranke im Spätstadium vorgesehen sind, sollen an Patienten mit Kopfschmerzen und anderen Alltagsbeschwerden als neue Zielgruppe herangetragen werden.

Exzess als Verkaufsmethode

Die Methode dazu ist der Exzess. In den sogenannten „speaker programs“ werden Ärzte zu Partys geflogen, um im Gegenzug das Medikament des Konzerns zu verschreiben. Vom Verkaufsrausch wechselt der Film nahtlos in den Rausch der Dekadenz, versichert aber, indem er die Perspektive der alleinerziehenden Mutter Liza einnimmt, stets die Sittenlosigkeiten der Beteiligten zu verurteilen.

Die Figur von Emily Blunt ist zwar in die Geschäfte involviert, wird vom Drehbuch aber trotzdem auf die Seite der Guten platziert. Liza braucht das bei dem Pharmakonzern verdiente Geld für ihre Tochter Phoebe (Chloe Coleman), die durch eine Missbildung der Blutgefäße im Gehirn unter epileptischen Anfällen leidet. Für die notwendige Operation gibt es eine teure, von der Versicherung aber nicht abgedeckte Methode, die sich Liza nur leisten kann, wenn sie sich für Zanna Pharma einspannen lässt. Um zu verhindern, dass ihre Tochter durch das Netz des Gesundheitssystems fällt, dessen breite Maschen Liza und ihre Partner ausnutzen, braucht es mehr Einkommen.

Die Sales-Königin ist damit zwar Teil des Apparats, aber ein widerwilliger. Wo die Speaker-Partys richtig Fahrt aufnehmen, bleibt sie die unbeteiligte und unbefleckte Zeugin, die der Dekadenz den Rücken zuwendet, während die anderen in Ausschnitte starren, in Karaoke-Mikros bellen oder die Spüle des Luxusanwesens als Toilette benutzen.

Das klassische „Aufstieg und Fall“-Narrativ verankert der Film ebenso wie die dazugehörigen moralischen Fragen in der Hauptfigur. Emily Blunt trägt das Gewicht mit Leichtigkeit und navigiert durch die Szenen, in denen sie sich mit einem Eimer Popcorn und M&Ms zur Tochter aufs Bett schmeißt, ebenso mühelos wie durch die Konfrontation mit den Patientinnen und Fentanyl-Abhängigen, die wie Zombies vor den Schmerzkliniken auf und ab schlurfen, in der Hoffnung, doch noch eine Dosis verschrieben zu bekommen.

Schrille Dekadenz-Kritik

Blunt steht dabei für die einzige Modulation in einem Film, der ansonsten nur mit angestrengter Geschwindigkeit gegen die Realitäts-Wand donnert. Das ist nicht nur deshalb ärgerlich, weil der durch die Lizas Perspektive gefilterte Exzess etwas Halbgares erhält, so als müssten die Macher sich selbst rückversichern, auf der richtigen Seite zu stehen. Es ist auch deshalb ärgerlich, weil „Pain Hustlers“ allzu viel am Wegesrand liegen lässt. Etwa die anfangs gestellte, aber nie weiter verfolgte Klassenfrage, der sich Liza als Aufsteigerin von der „Stripper-Mom“ bis zur Sales-Königin im Pharma-Großkonzern stellen muss, als die bitteren Konsequenzen ihrer Karriere in den Alltag ihrer Bekannten und Freunde vordringen.

Im Film stellt Liza schlichtweg die einzige Figur innerhalb des Pharmakonzerns dar, die so etwas wie ein Seelenleben verfügt, das die Gier, in die die Karriere sie treibt, nicht unbeschadet überstehen kann. Die Männer über und neben ihr sind keine Hilfe, was moralische Fragen oder persönliche Dilemmata betrifft. Chris Evans gibt Pete Brenner, den Mann, der sie an Bord holt und gleichermaßen Komplize und Arbeitsehemann wird. Seine vom Rausch befeuerte Frage, ob sie sich eine Welt vorstellen könne, in der beide Sex miteinander hätten, wird schnell verneint. Und Andy Garcia gibt den wahnsinnigen Pharma-Chef und Großkapitalisten, der mit jedem neuen Geldregen, der über sein Unternehmen hereinbricht, noch etwas mehr Verstand verliert, bis er schließlich wie ein Shogun kreischend durch Privatvillen, Büros und Partyanlagen wütet. „Pain Hustlers“ stellt den raubtierkapitalistischen Größenwahn schrill aus, dringt aber nicht tiefer ins Herz der Verdorbenheit vor.

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