Drama | Italien/Deutschland 2023 | Minuten

Regie: Florian Baxmeyer

In der Serie nach Andreas Eschbachs Bestseller gerät ein lässig-sympathischer Fahrradkurier aus Berlin unerwartet an eine Erbschaft von einer Billion Dollar, einzig versehen mit der paradoxen Auflage, das Geld zu verwenden, um den verderblichen Einfluss des Geldes auf die globale Gesellschaft zu unterbinden. Das erweist sich als äußerst schwierig, zumal diverse Menschen versuchen, Einfluss auf den Erben zu nehmen. In allen Partien gut und glaubwürdig gespielt, mit einem Hauptdarsteller, der seine Rolle jederzeit ausfüllt, sowie einem relevanten, geschickt auf die unmittelbare Gegenwart hin adaptierten Handlungsgerüst vermag die Verfilmung als intelligente Serienunterhaltung zu überzeugen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ONE TRILLION DOLLAR
Produktionsland
Italien/Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Viola Film/W&B Television
Regie
Florian Baxmeyer · Isabel Braak
Buch
Stefan Holtz · Florian Iwersen
Kamera
Marcus Kanter · Thomas Eirich-Schneider · Yoshi Heimrath · Maximilian Hoever
Musik
Michael Kadelbach · Martina Eisenreich
Schnitt
Jan Ruschke · Friederike Weymar
Darsteller
Philip Froissant (John Pohlmann) · Alessandra Mastronardi (Franca Vacchi) · Oliver Masucci (Malcolm McCaine) · Carl Malapa (Luc Fontanelli) · Timur Gabriel (Jane Dinger)
Länge
Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung | Serie | Thriller
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IMDb

Serienadaption von Andreas Eschbachs gleichnamigem Roman: Ein junger Mann wird durch eine kuriose Erbschaft zum reichsten Mann der Welt. Doch das Erbe ist mit dem Auftrag verbunden, mit dem Geld die Zukunft der Menschheit zu retten.

Diskussion

Eine dramatische Grundstruktur und eine tragisch sich entwickelnde Handlung von nahezu Wagner’schem Anspruch und Format: Wie im „Ring des Nibelungen“, der Riesenoper um Geld, Macht, Liebe und den freien Willen des „neuen Menschen“, geht es auch in der sechsteiligen Serie „Eine Billion Dollar“ (Buch: Stefan Holtz und Florian Iwersen nach Andreas Eschbachs Erfolgsroman von 2001, Regie: Florian Baxmeyer) unter anderem um einen sportlichen, jungen Burschen, der von nicht völlig durchschaubaren höheren Mächten einen unermesslichen Schatz (eine Billion Dollar, und es wird mehr …) als sein rechtmäßiges Erbe zugespielt bekommt. Dieses ist allerdings versehen (irgendwas ist ja immer!) mit der offensichtlich paradoxen Auflage, das viele Geld dazu zu verwenden, eben den verderblichen Einfluss des Geldes auf die globale Gesellschaft endlich zu brechen.

Ein überwältigendes Erbe und eine schwierige Aufgabe

In der vom New York des Romans nach Berlin verlegten filmischen Exposition ist John (Philip Froissant) ein lässig-sympathischer Fahrradkurier der Metropole, schlau auf der Straße, doch über sich, seine Ziele oder gar sein Herkommen noch reichlich im Unklaren; er ist einer, den man eher fragt: „Wo willst du hin?“ als „Wo kommst du her?“. Obwohl selbst am unteren Ende der kapitalistischen Wertschöpfungskette angesiedelt, ist sein Lebensstil mit vielen alkoholseligen Partys zunächst unkritisch konsumistisch.

Als er dann von einem sinistren Emissär der toskanischen Vacchi-Dynastie kontaktiert und mit beinahe mafiösen Taktiken („take it or leave it“) rasch nach Italien verfrachtet wird, zeigt er jedoch erstaunliche Coolness im Angesicht des Unheimlich-Neuen, das im Begriff ist, sein bisheriges Leben völlig auf den Kopf zu stellen: Sein Name laute in Wirklichkeit John Fontanelli, wird ihm eröffnet; er sei der jüngste Nachfahr eines legendären Florentiner Geschäftsmannes, der vor genau 500 Jahren sein (moderates) Vermögen in die Zukunft vermacht habe, auf dass es nun – genau – ihm zugutekomme. Seit jeher hätten die Vacchis, derzeit Vater Cristoforo (Orso Maria Guerrini) und Tochter Franca (Alessandra Mastronardi), diese Gelder verwaltet und vermehrt – auf sagenhafte eine Billion Dollar!

Es gebe da jedoch noch jene Prophezeiung des alten Fontanelli zu beachten, der schon damals meinte, dass die Menschheit mit Fleiß an ihrer eigenen Abschaffung arbeite, und verfügte, dass sein Kapital dazu verwendet werden solle, ihr „die verlorene Zukunft“ zurückzugeben. Wie er, John, das anstelle, sei ihm überlassen – bitte nur noch rasch unterschreiben, herzlichen Glückwunsch auch …!

Erste fatale Konsequenzen

Wie bei Wagners Siegfried vor dem Drachenhort machen sich auch bei John die ominöse Nähe und Verfügbarkeit des Geldes, die schier unendlichen Möglichkeiten, die es eröffnet, krisenhaft bemerkbar, bis hin zu einer veritablen Identitätskrise (Wer bin ich, und was habe ich wirklich immer schon gewollt?). Und wie im „Ring“ melden sich auch hier sogleich dienstbare Beraterfiguren bei John, um ihm bei seinen Problemen behilflich zu sein. Dabei tut sich insbesondere ein weiterer Vacchi, Gregorio (Stefano Cassetti), hervor, der sich etwas zu nachdrücklich um Johns Vertrauen in Vermögensfragen bemüht, um nicht als Teufel in Prada verdächtigt zu werden. Bevor sich John jedoch für dieses oder jenes entscheiden kann, steht noch die klassische Investitur des Megaerben an; schließlich kommt auch „Eine Billion Dollar“ nicht ohne einige Elemente der Erbschaftskomödie aus: der Maßanzug, ein Ring der Bindung, das Luxusauto (Ferrari, natürlich) – und das wahnhafte Versprechen an seine ungläubigen Kumpel in Berlin, stets der Alte zu bleiben. Dabei zeitigt der prophezeite (verfluchte?) Reichtum gerade in seinem nächsten Umfeld, in seiner Familie bereits erste fatale Konsequenzen.

Erneut kann einem Wagner in den Sinn kommen, wenn Cristoforo und Franca wie Wotan und Brünnhilde über den Kopf des mit sich ringenden Menschenkindes hinweg Ränke und Ratschläge beschließen. Dabei scheint Franca es wirklich aufrichtig zu meinen mit John; ihrer Vorlesung über einen gigantischen „aktivistischen“ Hedgefonds, der einzig geeignet sei, durch feindliche Übernahmen verderblicher Großkonzerne einen globalen wirtschaftspolitischen Kurswechsel herbeizuführen, lauscht er jedenfalls aufmerksam und so gewogen, dass sich, wenngleich aus Sicht der Seriendramaturgie reichlich spät, nun auch eine persönliche Beziehung zwischen den beiden entwickelt.

Loki im Berliner Loft

John folgt im weiteren Verlauf mehr oder weniger ihren Vorschlägen zur Rettung der Erde, auch als sie in Person Malcolm McCaines (Oliver Masucci) einen von Anfang an leicht zwielichtigen Geschäftsguru ins Spiel bringt, der sich sichtlich in seiner Außenseiterrolle gefällt und alle mit waghalsigen Thesen über traditionelles und disruptives Business gehörig verwirrt – ein Trickster und Durcheinanderbringer, Loki/Loge im Berliner Loft. Ihn unter anderen wird man weiterhin im Auge zu behalten haben, wenn man wissen möchte, ob unserem Planeten am Ende ein neuer „Earth Day“ dämmert – oder er in Wagner’schem Weltenbrand endet …

In allen Partien (auch den kleineren) gut und glaubwürdig gespielt, mit einem noch relativ ungeprägten, doch selbstbewussten Hauptdarsteller, der seine Rolle füllt, sowie einem relevanten, geschickt auf die unmittelbare Gegenwart adaptierten Handlungsgerüst vermag „Eine Billion Dollar“ durchaus zu überzeugen; einzig das erzählerische Tempo könnte mitunter noch etwas stärker angezogen werden, und ob die babylonische Sprachverwirrung (Deutsch, Italienisch, Englisch) der noch unsynchronisierten Tonspur der Rezeption der Serie in weiteren Kreisen dienlich ist, steht ebenfalls dahin. Intelligente filmische Unterhaltung jedenfalls, die es auch mit großer Oper aufnehmen kann.

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