Psychothriller | Deutschland 2023 | 88 Minuten

Regie: Simone Geissler

Eine Schriftstellerin hat sich zum Schreiben in ein abgelegenes Haus in der Lüneburger Heide zurückgezogen. Hier will sie traumatische Erlebnisse zu Papier bringen. In ihren Träumen wird sie von einem missbräuchlichen Ex-Partner gejagt, und auch sonst passieren bedrohliche Dinge. Dabei überlagern sich Realität und Fiktion aber in einer Weise, die keine richtige Spannung aufkommen lässt. Die Handlung verfolgt eine aufklärerische Mission und will für das Thema Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften sensibilisieren. Allerdings wird die Fiktion dabei so sehr neutralisiert, dass auch die Botschaft darunter leidet. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
BABU Film UG
Regie
Simone Geissler
Buch
Simone Geissler
Kamera
Anna Motzel
Musik
Maxi Menot
Schnitt
Filipa Ekeroth
Darsteller
Simone Geissler (Sorel Markow) · Aaron Thiesse (Marius Moos) · Lutz Scheffer (Nico Sander) · Cosma Dujat (Laura Anders) · Julia Dordel (Agnes Opel)
Länge
88 Minuten
Kinostart
07.12.2023
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Psychothriller
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Eine Schriftstellerin, die an einem Buch über traumatische Beziehungstaten schreibt, wird von Albträumen und bedrohlichen Zwischenfällen geplagt, die ihre Ängste verdoppeln.

Diskussion

Am Ende wird per Texteinblendung alles nochmal ganz explizit. Fast jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau durch ihren (Ex-)Partner getötet, alle 45 Minuten wird eine Frau Opfer von Körperverletzung in ihrer Partnerschaft. Das sind schreckliche Zahlen. (Sexualisierte) Gewalt von Männern gegen Frauen und von Männern begangene Femizide sind in Deutschland weit verbreitet. Zuletzt wird die Notfallnummer des Telefons „Gewalt gegen Frauen“ eingeblendet, der Hotline, bei der sich betroffene Personen Hilfe suchen können.

Ohne Unterlass gedemütigt

„Haus der Stille“ von Simone Geißler ist ein Spielfilm, eine Art Psychothriller, aber auch ein knapp 90-minütiger Trailer zur Gewaltprävention und Sensibilisierung für das Thema „Gewalt gegen Frauen“. Finanziert durch diverse Sponsoren sowie Crowdfunding, dient die Spielhandlung weniger der Unterhaltung als einer aufklärerischen Mission. Im Mittelpunkt steht eine Schriftstellerin namens Sorel, gespielt von Geißler, die sich zum Schreiben eines neuen Romans in ein abgelegenes Ferienhaus in Niedersachsen zurückzieht. In Rückblenden wird ein Paar beim Wandern gezeigt, bei dem der Mann die Frau ohne Unterlass demütigt. Was entweder einer Episode des vorhergehenden oder neuen Romans oder ihres eigenen Lebens entspricht.

Ihre Einsamkeit und die Abgeschiedenheit des Ortes erlaubt das für einen Psychothriller typische Spiel mit der Angst. Jemand manipuliert ihr Auto, und in ihren Träumen dringt ein Mann ins Haus ein: Nico (Lutz Scheffer), ihr Ex, der sie emotional und physisch misshandelt hat. Dann gibt es auch noch einen Automechaniker, dessen Rolle lange Zeit ambivalent bleibt. Er kann alles sein, ein Flirt ebenso wie eine Bedrohung.

Zwischen Realität und Einbildung

Sorel ist keine zuverlässige Hauptfigur. Sie trinkt flaschenweise Weißwein, was mit ihrer Traumatisierung in Zusammenhang stehen mag; was real ist und was sie sich nur einbildet, verschwimmt. Diese Auflösung zwischen Realität, Traum und Einbildungskraft bewirkt jedoch auch eine Minimierung von Spannung. Die anderen Figuren hätten mehr Kontur und mehr Wirklichkeit gebraucht, um die von ihnen ausgehende Bedrohung oder Sorels Angst greifbarer zu machen.

Auch die Inszenierung des Raumes durch die Kamera erzeugt gerade dann kaum Spannung oder Beklemmung, wenn etwas Fremdes ins Haus bis ins Bett der schlafenden Sorel dringt. Durch den Verzicht auf jeglichen Effekt der Mise-en-Scène wird der rein phantasmatische, fast schon abstrakte Charakter der Vorgänge umso deutlicher – und die Situationen dadurch harmloser, als sie es sind oder sein könnten. An andere Stelle verzichtet die Inszenierung gerade dort auf einen Gegenschuss, wo Dinge aufgedeckt werden könnten, was ebenso frustrierend wie unnötig ist, weil der Film das Potenzial, zu enthüllen oder zu überraschen, schlicht verschenkt.

Abgesehen von der Hauptdarstellerin wirken die Schauspieler:innen meist hölzern und wenig inspiriert. Es gibt etwas Ungelenkes in all dem, eine Art Scham, bei einem so ernsten Thema „zu spielen“ und sich in die Geschichte fallen zu lassen. Dieses Ungelenke findet sich auch in der Hauptfigur. Es ist schon bemerkenswert, wie knapp Sorel auf eine Kassiererin reagiert, die ihr ein Ladekabel fürs Handy geborgt hat: „Danke. Tschüss!“; zu mehr Höflichkeit kann sie sich nach dieser großzügigen Geste anscheinend nicht aufraffen.

Eine Aversion gegen das Fiktive

„Haus der Stille“ wird von einer Aversion gegenüber der Fiktion bestimmt, an der die Schriftstellerin dennoch arbeitet und die der Film erzählt. So, als müsste die Fiktion ausgelöscht werden, um nur noch die Botschaft stehenzulassen, den diskursiven Überbau des Films, den die Autorin bei ihrer Arbeit fast schon mechanisch wiedergibt: Es geht um posttraumatische Störungen, die Degradation einer Beziehung, die von Liebe in blanken Hass umschlägt, um den Vorsatz, nie wieder Opfer zu sein.

Das Empowerment der Hauptfigur, das in einem schematischen, blutigen Finale gipfelt, spielt die Rachegelüste des Publikums durch. Ein Film als Rollenspiel und Therapiesitzung. Dass die Fiktion dabei so schwach und undurchsichtig wirkt, erweist der aufklärerischen Absicht keinen Gefallen.

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