Komödie | USA 2023 | 300 (10 Folgen) Minuten

Regie: Nathan Fielder

Ein junges Ehepaar baut für seine eigene Reality-TV-Sendung Passivhäuser in einer von Armut und Kriminalität geprägten Kleinstadt. Der Fluch eines kleinen Mädchens und eine sich vor laufender Kamera anbahnende Ehekrise gefährden das vordergründig gemeinnützige Fernsehprojekt, das sich als heuchlerischer Egotrip entpuppt. Die satirisch-düstere Serie persifliert ein hyperindividualisiertes, pseudo-progressives, in Wahrheit aber paternalistisches Weltbild, in dem die bevormundende Wohltätigkeit den Unterprivilegierten jegliche Handlungsmacht raubt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE CURSE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
A24/Elara Pic./Showtime
Regie
Nathan Fielder
Buch
Nathan Fielder · Benny Safdie · Carrie Kemper
Kamera
Maceo Bishop
Musik
John Medeski
Schnitt
Adam Locke-Norton
Darsteller
Emma Stone (Whitney Siegel) · Nathan Fielder (Asher Siegel) · Benny Safdie (Dougie Schecter) · Barkhad Abdi (Abshir) · Hikmah Warsame (Nala)
Länge
300 (10 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Serie
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Eine satirisch-bittere Serie über ein Paar, das für seine Reality-Show eine von Armut und Kriminalität geprägte Kleinstadt aufmöbeln will.

Diskussion

Das Haus wirft ein verzerrtes Spiegelbild. Was sich in der glatten, komplett verspiegelten Oberfläche des Bungalows reflektiert, ist nicht die von Armut und Kriminalität geprägte Kleinstadt Española, sondern ein Trugbild. Entworfen haben es Whitey (Emma Stone) und Asher Siegel (Nathan Fielder). Das junge Ehepaar plant, so erzählt es Whitney vor den Kameras, die sie auf Schritt und Tritt begleiten, eine nachhaltige, lebenswerte Nachbarschaft. Das von ihr entworfene Passivhaus ist nur eine der Investitionen, die es (mit elterlichem Geld) für Española plant. Das Haus habe sogar einen Kamin. Der sei zwar nicht in den Energiekreislauf eingebunden, da er keine Wärme spendet. Aber immerhin gibt es ihn.

Das aber trifft gewissermaßen den Kern der Sache. Denn als richtiges Nachhaltigkeitsprojekt taugen die überteuerten Luxushäuser ebenso wenig wie das in der Nähe angesiedelte Hipster-Café und der Jeansladen als Nachbarschaftsprojekt. Was zählt, ist nicht das, was in Española entsteht, sondern das Bild, das mittels Kamera für den Reality-TV-Sender Home & Garden TV, kurz HGTV, entsteht. „The Curse“ ist eine Satire über das, was Asher und Whitney als Bild ihrer selbst für HGTV herstellen.

Die Satire verbreitet tiefes Unbehagen

Das ultra-progressive Gehabe des jungen Paars wird im Laufe der Serie zu einer so breiten Angriffsfläche ausgewalzt, dass nahezu jedes Bild zum Stachel gegen den Narzissmus, die Heuchelei und die Weltfremdheit der beiden wird. Gut fühlt sich nichts davon an. Nathan Fielder, der neben Emma Stone die Hauptrolle spielt und die Serie auch kreiiert hat, sowie sein Co-Serienschöpfer Ben Safdie drehen die überprivilegierten Ehepartner so satirisch durch die Mangel, das sich dies nie in lustvoll-komischen Überzeichnungen oder gar grotesken Slapstick-Einlagen auflöst. Der Ton bleibt weit über die übliche Dosis Fremdscham hinaus unangenehm. Die ebenfalls in Pseudo-Reality-TV-Ästhetik eingefangene selbstgerechte Welt der reichen Möchtegern-Klima- und Armenretter bringt eher tiefes Unbehagen als befreiende Pointen hervor.

Das Weltbild, das hier detailliert und in eben diesem Detailreichtum schwer verdaulich aufs Korn genommen wird, ist das einer völlig verrannten Wokeness: Die Siegels haben all die progressiven Ideen, die sie vor der Kamera ausformulieren, gänzlich verindividualisiert. Was sie suchen, ist kein besseres Leben für die Community, in die sie sich mit dem Geld der Eltern einkaufen. Sie suchen immer das Ich, das sich als Teil der Community schmücken kann. Ein Ich, das sich bald als ein von Narzissmus und Verunsicherung zerfressendes Ego-Monster offenbart. Die Ehepartner sind dermaßen überprivilegiert, dass sie kaum mehr lebensfähig, geschweige denn fähig sind, ihre Umwelt und das eigene Verhalten in halbwegs realitätsnahen Art zu reflektieren.

Selbstbetrug und Weltfremdheit

In der Kluft, die dieses Missverhältnis reißt, lebt „The Curse“. Die Kamera lugt durch Türrahmen oder blickt aus der Ferne durch lange Brennweiten. Auf diese Weise zeichnet es in beobachtender Dokumentar- oder Reality-TV-Ästhetik die Wirklichkeit auf, die Asher und Whitney mit ihren Illusionen, Neurosen und der dahinter stehenden Finanzkraft einfach überpinseln. Dass sich die „condition humana“ und die Naturgesetze aber eben nicht (oder nur bedingt) verzerren lassen, ist dabei die Pointe, auf die „The Curse“ zusteuert. Die zehn Episoden der Serie sammeln unaufhörlich neue Formen von Selbstbetrug und Weltfremdheit ein, die früher oder später an der sozialen Realität von Española und der eigenen Ehe zerschellen müssen.

Das Primärziel des philanthropen Paternalismus des Paares ist Abshir (Barkhad Abdi). Der junge Vater ist die Figur, die am ehesten für das steht, was „The Curse“ vorhat. Zum einen, weil seine Tochter Nala (Hikmah Warsame) den titelgebenden Fluch gegen Asher ausspricht, als der ihr für die Kamera eine Schachtel Kekse abkauft, später aber seinen Hundert-Dollar-Schein zurückverlangt. Aber eben auch, weil Abshir zum Projekt von Ashers und Whitneys Großzügigkeit wird. Sie kaufen das Haus, das er und seine Töchter notgedrungen bezogen haben, erlassen ihm die Miete, reparieren Teile des Hauses, bezahlen ihm Termine beim Chiropraktiker, nennen ihn „Teil der Familie“. Kurzum: Sie überschreiben mit ihrem Wohlstand jegliche Idee eigener Handlungsmacht.

Mehr als die Rolle einer Stellvertreterfigur kommt Barkhad Abdi dabei nicht zu. Abshir und die anderen Unterprivilegierten von Española sind gewissermaßen Indikatoren für die Verfehlungen pseudo-progressiver Slumlords, deren Ignoranz gegenüber der ihnen fremden Lebensrealität sich wie ein Haufen Müll auftürmt und schließlich über ihnen zusammenbricht.

Ein fingiertes Ehedrama

Dabei spielt „The Curse“ das so schematische wie diskursive Fundament nie didaktisch aus. Der Spiegel des verzerrten Weltbilds kehrt sich immer nach Innen. Das höchst instabile Gemisch, das über die Laufzeit der Serie gärt, explodiert nicht; es frisst sich sukzessive ins Seelenleben der Figuren und zersetzt so das Band der Ehe, das der Serie immer auch als roter Faden dient. Die Ehekrise ist zunächst eine dramaturgische Idee, die das konfliktlose Reality-TV-Format des jungen Paares ein wenig in Fahrt bringen soll. Die treibende Kraft im Regiestuhl ist Ashers Freund Dougie (Ben Safdie), der für ein gutes Reality TV zu jeglicher Form von Ausbeutung bereit ist und als enttäuschter Freund und generell äußerst labiler Charakter wenig Skrupel hat, die Ehepartner zu manipulieren.

Asher erscheint zunehmend als Klotz am Bein der „Green Queen“ (Whitneys Namensvorschlag für die Sendung), die Kunst liebt, die Klimakrise bekämpft und für die Interessen der indigenen Pueblo-Kultur eintritt. Dass das fingierte Ehedrama schnell zum tatsächlichen Ehedrama wird, ist dabei weniger als Twist denn als logische Verschärfung der stets sichtbaren ehelichen Dynamik inszeniert. Asher hat keinen Sex mit Whitney, er hält ihren Vibrator; vor laufender Kamera quittiert sie seine Wortmeldungen meist mit Augenrollen. Ohne sie wäre er überhaupt kein guter Mensch. Dennoch hält Asher sein Lächeln für die Kamera aufrecht. Die Kamera aber spiegelt nur eine Grimasse.

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