Dokumentarfilm | Deutschland 2023 | 90 Minuten

Regie: André Schäfer

Aus Anlass des 100. Geburtstages von Loriot alias Vicco von Bülow am 12. November 2023 versammelt die Hommage eine Vielzahl an Kollegen, Künstlern und Kommentatoren, die sich an ihn und seine Kunst erinnern. Die Dokumentation belässt es jedoch nicht bei verehrenden Ovationen, sondern verbindet eine Fülle an Ausschnitten aus Loriots Karikaturen, Sketchen und Filmen mit einer klugen Analyse, die seine satirische Kunst als Spiegel der bundesrepublikanischen Gesellschaft durchsichtig machen. Um den Menschen Vicco von Bülow geht es dabei nur am Rande. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Florianfilm
Regie
André Schäfer
Buch
Hartmut Kasper
Kamera
Andy Lehmann
Musik
Ritchie Staringer
Schnitt
Fritz Busse
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Hommage zum 100. Geburtstag von Loriot, die als höchst unterhaltsame Collage unterschiedlichster Stimmen auch die gesellschaftliche Dimension seines Humors erkundet.

Diskussion

„Früher war mehr Lametta!“ Das unsterbliche Opa-Hoppenstedt-Zitat gilt zumindest für die Loriot zum 100. Geburtstag gewidmete Hommage nicht. Denn dem großen deutschen Humoristen werden in der Dokumentation von André Schäfer unzählige Lorbeerkränze gewunden, von Kollegen, Autorinnen, Verlegern, Literaturwissenschaftlerinnen, Filmproduzenten, Schauspielerinnen, Regisseuren und Podcasterinnen. Bei aller Verehrung wirkt „Loriot100“ aber keineswegs oberflächlich und auch nicht unkritisch. Anlass für den Film ist der 100. Geburtstag des Komikers: Am 12. November 2023 wäre der 2011 verstorbene Vicco von Bülow, den man zumeist unter seinem Künstlernamen Loriot kennt, ein Jahrhundert alt geworden.

Alle lieben Loriot

Tatsächlich scheint der Karikaturist, Schauspieler und Filmemacher von so ziemlich allen geliebt, bewundert oder zumindest sehr wohlwollend beäugt zu werden. Die lautesten Ovationen kommen eher von älteren Herren aus derselben Branche, etwa dem Karikaturisten Gerhard Haderer, dem Allrounder Helge Schneider, Hape Kerkeling oder der ehemaligen Kinderdarstellerin Katja Bogdanski, die einst „Dicki“ war, das geschlechtslose Kind der Familie Hoppenstedt. Doch selbst die junge Satirikerin Sarah Bosetti „mag“ Loriot – auch wenn sie sich darüber zugleich ein wenig wundert.

Dass Loriots Witz der Entwicklung der deutschen Nachkriegsgesellschaft und deren Humorverständnis entscheidend auf die Sprünge geholfen hat, ist hier Konsens. Die Bedeutung der Karikaturen und Sketche, die ein satirisches Abbild der bigott-satten, auf die Aufrechterhaltung der Fassade konzentrierten Gesellschaft entwerfen, könne kaum hoch genug eingeschätzt werden. „So sind wir!“: Diese Erkenntnis und Identifikation bei den Zuschauenden, so heißt es in der Doku, sei wesentlich für Loriots Erfolg.

Nichts Menschliches war ihm fremd

Der gelernte Zeichner mit dem „preußisch-scharfen Blick“ fing die Atmosphäre der Bundesrepublik ein und nahm die Klischees des westdeutschen (Spieß-)Bürgertums in Verhalten und Sprache genüsslich auf die Schippe. Und zwar mit großer Selbstironie, ohne erhobenen Zeigefinger und stets als einer, dem selbst nichts Menschliches fremd war.

Sein feiner Humor lässt sich nicht in andere Sprachen übersetzen, was mit deutschen Wortschöpfungen wie „Auslegeware“ oder „Sitzgruppe“ und anderen Kuriositäten aufs Engste verbunden ist. Andere zentrale Themenfelder der klugen Hommage sind die Musikalität des Multimedia-Künstlers, sein Gespür fürs Timing, die politischen Dimensionen seiner Werke und sein Frauenbild, meist verkörpert von der nicht minder unsterblichen, äußerst präzise spielenden Evelyn Hamann.

Dazu gesellt sich immer wieder die Erkenntnis von der oft erstaunlichen Modernität des aus mecklenburgischem Adelsgeschlecht stammenden Humoristen, ohne dass der Film ihn zu einem progressiven Vorreiter stilisieren würde. Um den Menschen Loriot geht es eher am Rande. Ausgesucht höflich und freundlich sei er gewesen, bei der Arbeit aber auch extrem perfektionistisch.

So informativ wie anregend

„Loriot100“ ist eine große Verneigung, die Erkenntnis und Analyse einbezieht. Anfangs wirkt das Stilprinzip der zahllosen Stimmen und kurzen Filmschnipsel noch ein wenig wahllos, doch mit zunehmender Dauer sortieren sich die vielen Perspektiven zu einer anregenden Collage, in die sehr geschickt und treffend viele Ausschnitte aus Loriots reichem Oeuvre verwoben werden. Insofern ist „Loriot100“ tatsächlich so, wie ein guter Geburtstagsgruß sein sollte: zugewandt, wohlwollend, inspirierend und überdies höchst unterhaltsam.

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