Bollywood-Film | Indien 2023 | 141 Minuten

Regie: Zoya Akhtar

In der abgelegenen nordindischen Kleinstadt Riverdale frönen die Einwohner in der Tradition der britisch-indischen Gründerväter auch in den 1960er-Jahren einer unbeschwerten Lebensart. Während innerhalb einer achtköpfigen Teenager-Clique Musik, Mode und komplizierte Beziehungsgeflechte für viel Spaß, aber auch Friktionen sorgen, regt sich ihr Widerstand, als die reichste Familie im Ort ein Hotel mitten im traditionsreichen grünen Herzen der Stadt bauen lassen will. Eine indische Variation der US-amerikanischen „Archies“-Comics, die eine muntere, mitunter auch befremdliche Fusion aus Bollywood-Entertainment und westlichem Midcentury-Style ausspielt und alle Konflikte in einem Rausch an Schauwerten, Musik und Tanz auflöst. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
THE ARCHIES
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Archie Comics Publications/Exel Entertainment/Graphic India
Regie
Zoya Akhtar
Buch
Ayesha DeVitre · Farhan Akhtar
Kamera
Nikos Andritsakis
Musik
The Islanders · Shankar Mahadevan · Loy Mendonsa · Ehsaan Noorani · Ankur Tewari
Schnitt
Nitin Baid
Darsteller
Agastya Nanda (Archie Andrews) · Khushi Kapoor (Betty Cooper) · Suhana Khan (Veronica Lodge) · Vedang Raina (Reggie Mantle) · Mihir Ahuja (Jughead Jones)
Länge
141 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Bollywood-Film | Comicverfilmung | Coming-of-Age-Film | Musical
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Eine im Indien der 1960er angesiedelte Variation der legendären "Archie"-Comicserie als knallbuntes Musical. Im Zentrum steht eine Gruppe Jugendlicher, die neben romantischen Turbulenzen der Kampf gegen ein lokales Bauprojekt eint, das das idyllische grüne Herz ihres Heimatstädtchens gefährdet.

Diskussion

Wo ist die Welt noch in Ordnung? Natürlich hinter den Bergen, bei den ... nein, nicht jenen Zwergen aus dem bekannten Märchen. Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist zwar nicht minder „weit weg“, spielt aber in Riverdale. Comic- und Serienfans ist dieser Name nicht unbekannt: Riverdale war einst in den „Archies“-Comics, die ab den 1940er-Jahren erschienen, der archetypische All-American-Ort, in dem eine Gruppe Teenager ihr Erwachsenwerden im Schoß einer High-School-Clique ausleben konnte. Seit Ende der 1960er-Jahre lieferten die Comics die Vorlage oder Inspiration zu diversen TV-Animationsserien und schließlich auch der Kultserie „Riverdale“.

Ein mutiger Kulturtransfer

Der Film „The Archies“ ist nun ein mutiger Kulturtransfer: Wie im Vorspann ebenso kurz wie hektisch zusammengefasst wird, sind wir in den folgenden zweieinhalb Stunden Gast irgendwo hinter den Bergen von Nordindien, wo 1914 ein Brite eine Mustersiedlung namens Riverdale gegründet hat, die im Laufe der Jahre (und auch nach der Unabhängigkeit Indiens von England) weiter prosperierte und zu einem kleinen Städtchen avancierte, in dem englisch-indische Familien so leben, als würden es alle Probleme der Welt nicht über die Hügel schaffen. Wohl aber die (westliche) Musik, die Mode und der (US-amerikanische) Zeitgeist der 1960er-Jahre, der Archibald „Archie“ Andrews (Agastya Nanda) und seine Freund:innen jeden Morgen anfeuert, mit einem Song auf den Lippen in einen Tag im immerwährenden Sonnenschein zu starten.

Bollywoods Filme, mit der unbeschwerten, in eng getakteten Tanzeinlagen gipfelnden Ausgelassenheit, lassen da grüßen und gehen eine frappierende Verbindung mit westlichem Midcentury-Style ein. Die Songpassagen der Musicalnummern changieren denn auch wild zwischen Hindi und Englisch (der Film ist ansonsten als Netflix-Original-Produktion zunächst nur auf Englisch und nicht auf Deutsch synchronisiert).

Die Geschichte ist eine dieser typischen Coming-of-Age-Storys: Zwei beste Freundinnen, Elizabeth „Betty“ Cooper (Khushi Kapoor) und Veronica „Ronnie“ Lodge (Suhana Khan), lieben den Sonnyboy Archie. Dessen bester Freund Reginald „Reggie“ Mantle (Vedang Raina) hegt aber auch Gefühle für Ronnie, die Spross der reichsten Familie der Stadt ist. Mit von der Partie sind auch noch die Nerds Dilton Doiley (Yuvraj Menda) und Ethel Muggs (Aditi „Dot“ Saigal) und die besten Freunde Jughead Jones (Mihir Ahuja) und Moose Mason (Rudra Mahuvakar), die als Sidekicks die Clique vervollständigen und mehr oder minder kopfschüttelnd auf die ganzen Liebeskonfusionen in ihren Reihen reagieren. Denn Archie will sich einfach nicht zwischen seinen „Flammen“ entscheiden. Er mag eben beide. Wo ist das Problem?

Konflikte werden aus der Welt gesungen

Anstatt ein großes Dramen-Fass aufzumachen um den Womanizer, der mit seiner Unentschlossenheit beide Freundinnen zu entzweien droht und auch seinen Freund Reggie gegen sich aufbringt, tendiert „The Archies“ indes dazu, das Konfliktpotential zu entschärfen, indem (durch die eine oder andere Musiknummer beflügelt) alle Friktionen innerhalb der Truppe immer wieder aus der Welt gesungen werden. Fakt ist, dass sich alle immer wieder mit ihren Beziehungskonfusionen arrangieren. Denn schließlich gilt es ja noch Einigkeit gegen einen ganz anderen Feind zu beweisen! Es ist nämlich, neben dem Rock’n’Roll, den Eiscrème-Soda-Pops und den Neckholder-Petticoats noch etwas anderes aus den westlichen Ländern über die nordindischen Berge nach Riverdale gekommen: Der Kapitalismus.

Der manifestiert sich in Form von Ronnies Vater Hiram Lodge (Alyy Khan) und seiner Frau Hermione (Kamal Sidhu). Die wollen, dass Riverdale sowie ihr Bankkonto weiter prosperieren und realisieren daher nicht nur eine neue Shopping-Mall, sondern auch ein neues Grand-Hotel. Letzteres soll ausgerechnet dahin gebaut werden, wo das (sentimentale) Herz des Ortes schlägt. Green Park! Ein Kleinod, wo alle ihre Seele baumeln lassen und die jungen Familien hinpilgern, um für ihren Nachwuchs einen Baum der Erinnerung zu pflanzen.

Aber was zählt schon Tradition gegen ein Millionen-Gewinn? Schnell ist der korrupte Bürgermeister bestochen und der Deal gemacht. Einzig eine Petition mit genug Unterschriften der Bürger könnte ihn durchkreuzen … Das ruft die Archies auf den Plan! Doch die Zeit rennt.

Munter mit Werten jongliert

Während bei den Liebesfriktionen Gut und Böse schwierig zu verorten sind, ist es in diesem Subplot eindeutiger. Oder doch nicht. Zwar ist Kapitalismus schlecht, wenn er sich gegen die Tradition wendet, aber Geld machen wollen nun mal auch alle in Riverdale. Und so wird munter mit den Werten jongliert und letztlich alles schlicht mitgerissen vom fröhlich-farbenprächtigen Glanz des Produktiondesigns, der Musik und vorzüglicher Choreografien, auch wenn man auf die Hits der „The Archies“-Kultband aus den 1960er-Jahren wie „Sugar Sugar“ verzichten muss. Wenn dann aber alle zu „Wooly Bully“ von Sam the Sham & the Pharaohs auf die Tanzfläche stürmen und zum „wolligen Büffelchen“ ihren neuen Tanz vollführen, möchte man bis zum Happy End einfach nur Spaß haben. Mission erfüllt.

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