Drama | USA 2024 | 94 Minuten

Regie: Jade Halley Bartlett

An einer High School in den US-Südstaaten kommen sich ein Literaturdozent und eine Schülerin in einem Kurs für kreatives Schreiben näher. Aus Komplimenten und einem platonischen Flirt entwickelt sich ein Spannungsverhältnis, das durch das Alters- und Machtgefälle zwischen den beiden einen brisanten Beigeschmack erhält. Ein zwischen Missbrauch, Rache und Gothic-Elementen schwankender Psychothriller, der Klischees ebenso bedient wie unterläuft. Dennoch kommt in ihm allerdings kein echter Sog auf und wird das Versprechen auf Spannung nicht eingelöst. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MILLER'S GIRL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Good Universe/Lions Gate/Point Grey
Regie
Jade Halley Bartlett
Buch
Jade Halley Bartlett
Kamera
Daniel Brothers
Schnitt
Vanara Taing
Darsteller
Jenna Ortega (Cairo Sweet) · Martin Freeman (Jonathan Miller) · Gideon Adlon (Winnie Black) · Bashir Salahuddin (Boris Fillmore) · Dagmara Domińczyk (Beatrice Miller)
Länge
94 Minuten
Kinostart
14.03.2024
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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An einer US-Highschool knistert es zwischen einem Literaturdozenten und einer Studentin, ohne dass man so recht weiß, wer hier Verführer/in und wer Verführte/r ist.

Diskussion

Wenn Eltern im US-Staat Tennessee ihre Tochter Cairo nennen, enthält dieser Name bereits ein Versprechen auf ferne Welten. Doch da sie fast immer auf Reisen sind und Cairo allein in ihrer riesigen Villa zurücklassen, lebt die ihre Sehnsucht nach der Fremde in exzessivem Literaturkonsum aus. Da das Mädchen zusätzlich auf den Familiennamen Sweet hört, ist ihr sprechender Name komplett. Doch die Autorin und Regisseurin des Psychodramas „Miller’s Girl“, Jade Halley Bartlett, gibt sich alle Mühe, die dadurch suggerierte Unschuld der Protagonistin ins Gegenteil zu verkehren.

Im Bett läuft schon lange nichts mehr

Zunächst erscheint Cairo Sweet (Jenna Ortega) als wohlstandsverwahrlostes, aber nettes junges Wesen, das nur den Schreibkurs des Lehrers Jonathan Miller (Martin Freeman) besucht. In ihrem Übereifer bewältigt sie vorab nicht nur die gesamte Literaturliste, sondern hat auch den einzigen Roman des Dozenten gelesen, was diesem überaus schmeichelt. Denn auch Miller fühlt sich zu Hause allein, was Lehrer und Schülerin insgeheim miteinander verbindet. Millers Frau erweist sich als Workaholic und Trinkerin; im Bett läuft seit Ewigkeiten auch nichts mehr.

Miller projiziert seine Sehnsucht nach Erfolg und Anerkennung auf seine attraktive Schülerin und erkennt ihr außergewöhnliches Schreibtalent. Die beiden flirten miteinander, doch ihre Treffen finden stets im Schulgebäude oder in öffentlichen Räumen statt. Als Cairo von ihrer Freundin Winnie (Gideon Adlon) angestachelt wird, Miller zu verführen, verschwimmen die Grenzen. Denn Cairo soll für ihren Aufnahmeantrag in Yale eine Kurzgeschichte im Stile ihres Lieblingsautors schreiben. Als sie sich trotz Bedenken ihres Lehrers entscheidet, dem Erotikautor Henry Miller nachzueifern, zieht Jonathan Miller die Reißleine und verlangt eine neue Kurzgeschichte. Die in ihren Gefühlen verletzte Cairo sinnt auf Rache und will Miller zu Fall bringen.

Die Eskalation ist inbegriffen

Auch der männliche Protagonist wird in der Namensgebung nicht von falschen Versprechen verschont. Denn Jonathan Miller ist nur ein Möchtegern-Henry-Miller, ein erfolgloser Autor ohne erkennbare Ambitionen, der nie die Klasse seiner Idole erreichen wird und deshalb eine ruhmlose Existenz als Lehrer fristen muss.

Die Eskalation ist in der Story von Anfang an inbegriffen. Zwei einsame Seelen finden zueinander, um sich gegenseitig zu trösten. Beide suchen Zuflucht in der Literatur, die ihnen einen Schutzraum für ihre Sehnsüchte und Träume bietet. Doch ihr Versuch, aus der virtuellen in die reale Sphäre überzutreten, scheitert an Minderwertigkeitsgefühlen und dem Machtgefälle, das sie trennt. Denn selbst ein platonischer Flirt mit einer Schülerin überschreitet für einen deutlich älteren Lehrer nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch ethische Grenzen.

Solche Konstellationen sind in Literatur und Film ausgiebig ausgelotet worden. In „Miller’s Girl“ gelingt die Inszenierung eines Spannungsverhältnisses, das irgendwann kippt, allerdings nur bedingt. Die Regisseurin legt den Fokus weniger auf die seit #MeToo geschärfte Wahrnehmung von Machtmissbrauch, auch wenn der in der Annäherung der beiden durchaus vorhanden ist. Jade Halley Bartlett interessiert sich mehr für fantastische und „Gothic“-Elemente, für die sich das Setting in den Südstaaten besonders eignet. Die Szene des ersten und einzigen Kusses zwischen Miller und Cairo findet auf den Stufen einer prächtigen Südstaatenvilla statt. Regen, Zeitlupe und ein üppig begrünter, surreal-nasser Garten lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob der physische Kontakt tatsächlich stattgefunden hat. Auch Cairos Off-Kommentar sorgt oft für eine einseitige Perspektive zuungunsten des Lehrers.

Von Nebeldunst umweht

Der Film schlachtet Naturelemente generell aus, um für zusätzliche Verwirrung zu sorgen. So kommt Cairo stets über einen Waldweg in die Schule und überquert dann den Sportplatz, wo sich Miller und sein Freund Boris vor Unterrichtsbeginn treffen. Dabei verändert sich ihre Garderobe im Laufe des Films merklich. Während sie anfänglich ein geschlechtsneutrales Outfit trägt, betont sie zunehmend ihren Lolita-Charme und geht zu körperbetonten Kleidern und auffälligem Make-up über. Bis sie als sexualisiertes Rotkäppchen aus dem Wald auftaucht, der in dem schwülen Südstaatenklima stets von Nebeldunst umweht ist.

Obwohl solche Szenen die Klischees bedienen und gleichzeitig unterlaufen, verliert sich die Geschichte in vorhersehbaren Reaktionen und wenig überraschenden Wendungen. Die Freundinnen Cairo und Winnie fungieren dabei als konträre Charaktere, ähnlich wie Miller und Boris. Die Zwistigkeiten zwischen den befreundeten Figurenpaaren sorgen aber für zu wenig Spannung, ebenso wie die Auflösung des Films, die eine finale Eskalation vermeidet und zu Psychologie und Realismus übergeht.

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