Komödie | Großbritannien 2021 | 348 (sechs Folgen) Minuten

Regie: John Butler

Sieben Männer und Frauen aus völlig unterschiedlichen Milieus sind aus diversen Gründen straffällig geworden und müssen nun als verurteilte Kleinkriminelle im englischen Bristol gemeinsam Sozialdienst ableisten und ein Haus renovieren, aus dem ein Community Center werden soll. Die ungleiche Gemeinschaft reibt sich erst heftig aneinander, doch allmählich wächst das gegenseitige Verständnis. Dann sorgt der Fund einer Tasche mit Geld für Turbulenzen. Der sechsteiligen Serie gelingt dank einer ironisch-humorvollen, aber stets wohlwollenden Zeichnung ihrer Figuren eine schlaue Mischung aus vergnüglicher Sozialstudie und Comedy, die für die Delinquenten zu einer absurden und dennoch ernst gemeinten Gruppentherapie wird. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE OUTLAWS
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Big Talk Prod./Four Eyes Ent.
Regie
John Butler · Stephen Merchant
Buch
Elgin James · Stephen Merchant · John Butler · Nikita Lalwani · Emma Jane Unsworth
Kamera
Nick Martin
Musik
Stew Jackson · Dan Jones
Schnitt
Tony Kearns · Matthew Gray · Dan Gage · Eleanor Cotton
Darsteller
Rhianne Barreto (Rani Rekowski) · Gamba Cole (Christian Taylor) · Stephen Merchant (Gregory Dillard) · Christopher Walken (Frank Sheldon) · Darren Boyd (John Halloran)
Länge
348 (sechs Folgen) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Krimi | Serie
Externe Links
IMDb | JustWatch

Eine britische Serie um sieben Kleinkriminelle mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, die im englischen Bristol gemeinsam Sozialdienst ableisten müssen und in allerlei Turbulenzen geraten.

Diskussion

Wie auf frischer Tat ertappt scheint die Ratte vor einer Hauswand zu stehen, erstarrt in der Bewegung, die rechte Pfote noch auf dem Sprühkopf einer Spraydose. In riesigen roten Lettern hat sie ihr Logo hinterlassen. Große Augen macht der Trickbetrüger Frank (Christopher Walken), als er das Graffito hinter aufgetürmtem Schutt und Müll an einem verwahrlosten Gebäude findet. Das Tier könnte in dieser Umgebung heimisch sein, ist aber auch nur mit einer Schablone an die Wand gesprüht und damit Teil des Kunstwerks. Dessen Urheber ist kein Geheimtipp mehr, sondern mittlerweile mit mindestens einem Bein im Mainstream angekommen: Banksy, das Street-Art-Phantom und internationale Kunst-Phänomen aus dem südenglischen Bristol.

Genau da spielt auch die Serie „The Outlaws“ – Frank findet quasi einen Ur-Banksy, wenn man so will. Er weiß natürlich sofort, was er hier entdeckt hat und wieviel das mittlerweile wert ist. Er kann sein Glück kaum fassen. Gerade aus dem Gefängnis in Hausarrest entlassen, muss der Rentner noch Sozialstunden ableisten. Gemeinsam mit einer ungleichen Gruppe Kleinkrimineller soll er das verkommene Gebäude in ein Gemeindezentrum verwandeln. Hier findet er beim Aufräumen den Banksy. Für niemanden stellt sich die Frage „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ – außer für Schichtleiterin Diane. Die lässt Frank den Fund knallhart überstreichen. Regeln sind eben Regeln.

Einen regelrechten Kulturschock hat die britische TV-Wunderwaffe Stephen Merchant mit der sechsteiligen Serie „The Outlaws“ angezettelt – als Autor, Regisseur und Darsteller in Personalunion. Der verwegene Titel ist als ironischer Kontrast zu der lustlosen Truppe um Frank angelegt: die hochbegabte, aber kleptomanisch veranlagte Abiturientin Rani, das verschlossene Gang-Mitglied Christian, der reaktionäre Geschäftsmann John, die Bürgerrechtsaktivistin Myrna, die drogenabhängige Influencerin Lady Gabriella und der schlaksig-unbeholfene Anwalt Greg, gespielt von Merchant selbst. Klar, sie alle waren nicht ganz gesetzestreu, aber sind sie deshalb gleich gesetzlose Outlaws, die von der Gesellschaft verstoßen werden müssen? Merchant sucht nach den Kriterien, mithilfe derer wir Andere beurteilen – und fragt, an welchem Punkt in diesem Prozess aus wertfeien Beobachtungen Schwarzweißmalerei wird.

Eine schlaue Mischung aus Sozialstudie und Comedy

Für die Kleinkriminellen ist auf den ersten Blick klar: Wären sie nicht dazu gezwungen, hier gemeinsam in Warnwesten anzutreten, sie würden einander sicherlich niemals begegnen. Aus zu verschiedenen Teilen der Gesellschaft kommen sie, zu unterschiedlich ist ihr Weltbild. Diesen Umstand macht Merchant zu einem Ereignis, denn er lässt nicht einfach in einer Versuchsanordnung Figurentypen aufeinanderprallen. Atmosphärisch funktioniert „The Outlaws“ zwar wie ein Gefängnisdrama, das die Einzelschicksale der Insassen in Rückblenden rekapituliert. Doch eine kleine Verschiebung im Setting macht aus einem überschaubaren Kammerspiel eine schlaue Mischung aus Sozialstudie und Comedy: Die Straftäter sitzen eben nicht hinter Gittern, sondern sind haarscharf am Knast vorbeigeschrammt. Damit hat Merchant sehr viel mehr Möglichkeiten, die Figuren auch jenseits der Chain Gang auszugestalten: in ihren Familien, Arbeitsstätten oder Freundeskreisen.

Merchant spielt hier vor allem beim Drehbuch seine langjährige Erfahrung im Film- und Fernsehgeschäft vollends aus. In Großbritannien ist er spätestens seit „The Office“ einer der profiliertesten Comedy-Autoren, hat jedoch seinen Humor kontinuierlich vom emotionalen Vorschlaghammer zu wohlwollenden und dauerschmunzelnden Beobachtungen weiterentwickelt. Die Serie spielt auch deshalb in Bristol, weil Merchant selbst von dort stammt und seine Eltern hier beide als Sozialarbeiter tätig waren. Das macht sich auch beim Zuschauen bemerkbar, denn den Gesetzesbrechern begegnet er immer auf Augenhöhe. Zwar amüsiert er sich über Gabbys exaltierte Selbstdarstellerei in den Sozialen Medien, macht sich aber niemals über sie lustig. Das erledigen die anderen Figuren mehr als genüsslich.

Blicke hinter die Fassaden

Am ersten Tag beäugen sie sich natürlich geringschätzig und starren beim Appell lieber auf den Boden, als einander als Leidensgefährten zu sehen. Mit der Zeit lassen sie jedoch immer wieder einen Blick hinter die eigene Schutzmauer zu und machen nach und nach aus gegenseitigem Unverständnis ein freundschaftliches Rangeln und Aushandeln von Rollen – sowohl innerhalb der Gruppe als auch draußen in der Gesellschaft. Sie wirken dabei bisweilen wie Social-Media-Memes, die auf die reale Welt losgelassen wurden, doch macht Merchant bei aller Komödie durchaus deutlich, dass er es ernst mit ihnen meint. Für einen großen Showdown lässt er die Gruppe eine Tasche voller Geld finden und selbst entscheiden, was damit passieren soll.

Die von der Gesellschaft auferlegten Rollen sind meist nicht deckungsgleich mit dem eigenen Selbstbild, das lernt jeder und jede einzelne von ihnen auf die harte Tour. Rani knickt unter dem Leistungsdruck der Eltern ein, und Christian versteckt sich hinter seiner Gangster-Fassade. Ihre Beweggründe sind nur an der rationalen Oberfläche widersprüchlich, denn Merchant schafft es genau in diesen Momenten, aus Klischees persönliche und emotional nachvollziehbare Geschichten zu machen – etwa wenn Christian zugeben kann, dass er lieber selbst ins Gefängnis geht, als seine jüngere Schwester an die Drogen-Gang zu verlieren, wegen der er hier gelandet ist.

Die Mauer der Ablehnung wird eingerissen

Die meist vielfältigen emotionalen und soziokulturellen Verstrickungen, die zu einer Verurteilung führen, fächert Merchant beinahe beiläufig auf. Die Sozialstunden werden so für alle Beteiligten zum geschützten Raum einer Gruppentherapie, selbst für Aufseherin Diane. Die versucht, sich über die Kleinkriminellen zu erheben, versteckt hinter streberhafter Prinzipienreiterei jedoch nur ihre eigene Unsicherheit. Sie will unbedingt Polizistin werden, merkt dabei aber nicht, dass ihr Chef in ihr kaum mehr sieht als in den Verurteilten.

Merchant lässt bei keiner seiner Figuren eine eindimensionale „Wir gegen die“-Haltung zu und verschiebt damit die Mauer der Ablehnung nicht einfach nur, sondern reißt sie mit Beharrlichkeit und Witz ein. Die unglückselige Truppe lernt also nicht nur, mit sich selbst ehrlich, nachsichtig und bisweilen selbstironisch umzugehen, sondern auch ein Gespür und Verständnis für die Bedürfnisse anderer zu entwickeln.

Und Christopher Walken? Der zieht seine Walken-Nummer des diebisch schmunzelnden Schelms ab und passt damit erstaunlich gut in eine Show, die auch Franks angestaubte Gangster-Grandezza nicht mal als abgedroschenes Filmklischee ins Lächerliche zieht. Anders als der überraschte Frank scheint Merchant zielsicher und vorurteilsfrei in allen Seelen-Mülleimern zu stochern, die ihm unterkommen, weil er schon weiß, dass er an jeder Figur etwas Liebenswertes oder zumindest Nachvollziehbares finden wird. Vielleicht keinen Banksy, aber dafür viel greifbarer und menschlicher als ein Phantom.

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