Drama | Großbritannien/USA 2024 | 360 (6 Folgen) Minuten

Regie: Stephen Frears

Eine Kanzlerin steht an der Spitze eines autoritär regierten mitteleuropäischen Staates. Sie verfügt über uneingeschränkte Macht, leidet aber an einer Vielzahl von Neurosen und Zwängen. Bis ein degradierter Korporal ihre Aufmerksamkeit weckt und vom Leibgardisten zum Mitregenten aufsteigt. Daraus erwächst eine Dynamik, die das Regime zunehmend auf nationalistische Abwege und schließlich ins Wanken bringt. Die mitunter überladene, anfangs schwarzkomödiantische, dann aber mehr ins Dramatische changierende Polit-Serie seziert mit satirischer Lust die Mechanismen der Macht im Zeitalter des populistischen Autoritarismus. Zwar lassen sich die Absurditäten realer Autokraten kaum toppen, doch gute Darsteller und das ambivalente Verhältnis zwischen den beiden Hauptfiguren fesseln nachhaltig. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE REGIME
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Warner Bros. Discovery
Regie
Stephen Frears · Jessica Hobbs
Buch
Sarah DeLappe · Seth Reiss · Gary Shteyngart · Jen Spyra · Will Tracy
Kamera
Alwin H. Küchler
Musik
Alexandre Desplat · Alex Heffes
Schnitt
Paulo Pandolpho · Peter Lambert
Darsteller
Kate Winslet · Matthias Schoenaerts · Andrea Riseborough · Hugh Grant · Martha Plimpton
Länge
360 (6 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Serie
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Kate Winslet regiert in der satirischen Politserie als Potentatin einer fiktiven Autokratie mit eiserner Hand; doch schließlich droht ihr die Macht aus den Fingern zu gleiten.

Diskussion

Das Ministerkabinett der autoritären Herrscherin Elena Vernham (Kate Winslet) legt die unterwürfigen Routinen eines von Furcht regierten Kollektivs an den Tag, das vorauseilenden Gehorsam als überlebenswichtige Tugend verinnerlicht hat. Bei Missachtung des strengen Protokolls drohen Rauswurf und Verbannung aus dem hochherrschaftlichen Regierungssitz des ungenannten Landes „irgendwo in Mitteleuropa“. Den Überlieferungen zufolge soll die gestrenge Herrscherin ein Regierungsmitglied nur deshalb entfernt haben lassen, weil sein Kiefer beim Essen knackte. Auch olfaktorische Irritationen sind der ersten Frau im Staat ein Graus, weshalb das Personal großzügig Pfefferminzbonbons an Gäste auszugeben pflegt.

„Kein Handkontakt mit der Kanzlerin!“

Mit den kleinlichen Marotten der Potentatin haben sich Regierungsstab, Berater und andere Mitarbeiter längst arrangiert, weshalb sich niemand über zwangsneurotische Maßnahmen wie etwa das Folieren des gesamten Interieurs wundert. Die Herrscherin hat eine Paranoia vor Keimen jeglicher Art; zum Schutz vor Schimmelsporen ist eigens eine Art Leibgarde abgestellt worden. Jüngst wurde der stolze Militärkorporal Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts) für dieser Aufgabe abkommandiert und mit einem Apparat zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit ausgestattet. Zubak war zuvor in Ungnade gefallen, als er mit allzu robusten Mitteln einen Aufstand niederknüppeln ließ. Wobei die Regierung nicht an dem Umstand der Gewaltanwendung an sich Anstoß nahm, sondern dass der Fall an die Öffentlichkeit gelangte und die Herrschenden in einem ungünstigen Licht erscheinen ließ.

Am ersten Arbeitstag des Zwangsversetzten geht alles gehörig schief. „Kein Handkontakt mit der Kanzlerin!“, heißt es. Auch sonst jagt eine Verfehlung des von den hohen Damen und Herren despektierlich als „Schlächter“ bezeichneten Mannes die nächste. Eine Demütigung ist auch die winzige Kammer, in die der hünenhaft gewachsene Korporal einquartiert wird. Doch in den kommenden Nächten vollziehen sich Wunder: Die Träume der Kanzlerin und dieses rohen, stolzen Burschen aus dem Volk sind nämlich dieselben.

Der richtige Kerl für mehr Volksnähe

Die Politsatire des Produzenten und Drehbuchautors Will Tracy beschäftigt sich mit dem sehr zeitgenössischen Phänomen autokratischer Machthaber und des autoritären Populismus, der in unterschiedlichen Spielarten derzeit nicht nur die westlichen Gesellschaften heimsucht. Die Protagonistin Elena Vernham zeichnet sich durch keine ideologische Fixierung aus; ihr ausgeprägter Machtwille ist reiner Selbstzweck. Die Kanzlerin der kleinen Volkswirtschaft, deren Haupteinnahmen aus dem Anbau von Zuckerrüben und dem Abbau von Kobalt stammen, zeichnet ein gewisses Charisma aus, zu dem herabgezogene Mundwinkel und ein einprägsamer Sprachfehler gehören. Ihr „Regime“ ist eine Mischung aus Elitenherrschaft und postsowjetischer Folklore, samt ausgeprägter nationaler Mythenbildung.

Mit dem authentischen Performen von Volksnähe und einer Kleine-Leute-Haftigkeit tut sich die Kanzlerin indes schwer. Da kommt der urwüchsige Zubak gerade recht. Zum persönlichen Helden von Madame Kanzler wird er, als er einen nächtlichen Eindringling im herrscherlichen Schlafgemach zur Strecke bringt, während Vernhams Gatte (Guillaume Gallienne) handlungsunfähig danebenliegt. Zubak wird zum Leibgardisten und bald schon obersten Einflüsterer der Herrscherin, denn in seiner Gegenwart scheint sie von allen Neurosen und körperlichen Symptomen befreit.

Der aus der Provinz stammende Zubak flößt Vernham allerlei volkstümliche Wundermittel ein, stellt ihre Ernährung vom Kopf auf die Füße und verordnet ihr ein kräftezehrendes Fitnessprogramm. Mit dieser Rasputin-Figur an ihrer Seite erblüht sie zu neuer Glanzform. Den anfangs als Einfaltspinsel und Hinterwäldler verspotteten Korporal lernt der Regierungsstab bald fürchten. Denn der militärisch geschulte Mann ist auf Revanche gegen seine einstigen Widersacher aus.

Wenn der Thron zu wackeln beginnt

Die bissige Machtsatire „The Regime“ verschiebt etwa zur Halbzeit der sechs einstündigen Folgen die Tonalität vom Komödiantischen zum Dramatischen, als ein Volksaufstand die Herrschaft des bald auch erotisch eingespielten Duos zu bedrohen beginnt. Auch der freie Westen in Gestalt der USA und konkurrierender europäischer Staaten nimmt die Nation mit Sanktionen zunehmend in die Zange. „The Regime“ wirkt dabei bisweilen wie eine Variante der Serie „Veep – Die Vizepräsidentin“, die satirisch Richtung Kreml schoß. Der Irrsinn der Trump-Jahre und Versatzstücke aus anderen populistischen Regierungen scheinen ebenfalls eingeflossen zu sein. Allerdings tut sich die Serie schwer, den Wahn der realen Populisten durch die fiktiven Figuren zu übertreffen – die Realsatire der Wirklichkeit ist nur schwer zu toppen.

Dennoch erweist „The Regime“ ihre erzählerische Stärke, wenn die Serie das Abhängigkeitsverhältnis von Kanzlerin und Volksheld und die daraus erwachsende Machtdynamik ins Zentrum rückt. Die nationalistischen Gespenster, die Elena Vernham auf den Plan ruft, wird sie nicht mehr los, auch dann nicht, als einsieht, dass dies ein strategischer Fehler war; emotional ist die Herrscherin an diesem Punkt schon viel zu sehr verstrickt. Eine Staatskrise aus missglückter Landreform und dem Annexionsversuch einer widerspenstigen Teilrepublik bringt das Regime schließlich ins Wanken.

Die stellenweise etwas überladene Farce, in der die Führerin auch Zwiegespräche mit ihrem toten, im Glassarg aufgebahrten Herrschervater führt, lebt von den überzeugenden darstellerischen Leistungen, vorneweg von der grandios aufspielenden Kate Winslet. In einigen Szenen, etwa als eine US-Senatorin (Martha Plimpton) zu Besuch am Regierungssitz ist, schwingt sie sich zu einem echten Höhenflug auf. Das US-amerikanische Gegenüber ist sich sicher, eine diplomatische Unstimmigkeit mit großspuriger Nonchalance aus der Welt schaffen zu können – doch keineswegs mit der von Winslet verkörperten Kanzlerin! Die rückt keinen Deut von ihrem Standpunkt ab. Sie lobt zunächst die Kleiderwahl der Senatorin, „eine wunderbare Farbe“, um unterschwellig nachzusetzen: „Wir werden versuchen, kein Blut darauf zu bekommen.“

Die an köstlichen Gemeinheiten reiche Politsatire kann aber nicht über inhaltliche Leerstellen hinwegtäuschen. So bleibt unterbelichtet, wie die völkisch-populistischen Politikprogramme mit gruppenspezifischem Menschenhass, Rassismus und Antisemitismus zurückgekoppelt sind. Oder mit den aggressiven Abgrenzungen, die den Boden für die Macht der Herrscherin bereiten, deren Gegner oft in Haft sitzen; solches lässt die Serie nur nebenbei einfließt, etwa wenn der von Hugh Grant gespielte Vorgänger von Vernham als Kanzler ein Dasein hinter Gittern fristet.

Die Folgen der menschenverachtenden Politik scheinen am deutlichsten noch beim Sohn der als Stabschefin treu agierenden Agnes (Andrea Riseborough) auf. Der Zustand des unter Epilepsie leidenden Jungen verschlimmert sich, als das Land unter Zubaks Einfluss westlicher Medizin abschwört und Naturheilverfahren verordnet. Als sich Risse im Machtgefüge des Regimes auftun, wittert Agnes, die der Herrscherin wie ein gespensterhafter Schatten folgt, die Chance, sich zum Wohl ihres Kindes ins Ausland abzusetzen. Aber wird der Riss groß genug sein, um diese Hoffnung Wirklichkeit werden zu lassen? Da ist „The Regime“ dann doch erschreckend nahe an der politischen Realität unserer Tage.

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