Der Kongreß der Pinguine

Dokumentarfilm | Schweiz 1993 | 91 Minuten

Regie: Hans-Ulrich Schlumpf

Ein Träumer wird mit den Greueltaten konfrontiert, die die Menschen in der Antarktis angerichtet haben. Zugleich werden ihm die Umweltschäden klar, die auch auf den ersten Blick löbliche Forschungen in diesem Teil der Erde hinterlassen. Ein engagierter Film zum Thema Umweltkatastrophen, dessen poetischer Text einen surrealen Traumzustand suggeriert. Obwohl der Film keine neuen Aspekte in die Diskussion einbringt, machen ihn faszinierende Landschafts- und Tieraufnahmen zu einem Erlebnis. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DER KONGRESS DER PINGUINE
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Ariane/DRS/arte
Regie
Hans-Ulrich Schlumpf
Buch
Hans-Ulrich Schlumpf · Franz Hohler
Kamera
Pio Corradi · Patrick Lindenmaier · Luc Jacquet
Musik
Sergej Rachmaninow · Camille Saint-Saëns · Bruno Spoerri
Schnitt
Fee Liechti · Rosmarie Albrecht
Darsteller
Hans-Ulrich Schlumpf (Träumer) · Li Yun (Chinese im Eis)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Ein Mann träumt, besser: sein Traum wird ihm geträumt. Er zwingt ihn in eine unwirtliche Gegend, in der er sich fremd und unwohl fühlt. Eine Eiswüste, soweit das Auge reicht. Der arme Träumer fühlt sich verloren, mutterseelenallein, doch dann sieht er die, die ihn herbeiträumten. Von allen Seiten watscheln sie heran, schlingern ihrem Ziel zu, werden immer mehr, formieren sich im Frack und mit weißer Brust.

Die Pinguine der Antarktis sammeln sich zum Kongreß über die Zukunft der Erde, und der Träumer ist als Dolmetscher bestellt, der ihre Sprache zwar noch nicht versteht, um ihre Probleme aber weiß. Das lingustische Problem wird eins des Fühlens: zunächst fühlt er das Wort "Grytviken" aus dem Pinguin-Geschnatter heraus, bald befindet er sich in einem gottverlassenen Ort gleichen Namens, der südlichsten norwegischen Siedlung, und dann erarbeitet er sich Mitgefühl. Grytviken, eine verlassene Walfängersiedlung, entpuppt sich als ein Ort den Grauens, den die 'Bestie Mensch' zu ihrem Fortschritt gründete. Ein Ort, der ungeheuerliche Greueltaten wider die Natur gesehen hat. Nun sieht der verlassene Flecken wie eine Kapitulationserklärung aus; er macht den Eindruck, als sei die ganze Geschichte wegen mangelnder Rendite aufgegeben worden, als hätte sich der Mensch in gewinnträchtigere Jagdgründe zurückgezogen.

Diese Botschaft vermitteln die Pinguine dem Träumer, um ihn dann auf das Forschungsschiff "Polarstem" zu entführen, das sich unter strikter Einhaltung wissenschaftlicher Normen bemüht, Forschungsergebnisse über den Zustand der Antarktis zu liefern, die als wissenschaftlich relatives Neuland Aufschluß über die Zukunft der Erde geben könnten. Zynisch gesagt, ist die Erhitzung der Erde Tatsache, und die Wissenschaftler forschen nach Spurenelementen in 5000 Meter Meerestiefe, die dies wissenschaftlich belegen. Welchen Dreck sie dabei hinterlassen steht in den Sternen: ihr Eisbrecher wird einiges an Schadstoffen an die Luft abgeben und auch der mit-geführte Technik-Park ist alles andere als problemlos.

Im dritten Teil wird der Träumer mit den Altlasten der Antarktis-Forschung konfrontiert. Verlassene Forschungsstationen, die vor sich hinrotten, Zivilisationsmüll an einem der letzten (relativ) unberührten Flecken dieser Erde. Bilder des Jammers und ein zu recht verärgerter "Kongreß der Pinugine", der die Menschheit in die Pflicht nehmen will, jedoch auch ihre selbstmörderische Dummheit erkannt hat. Der Träumer darf zurückkehren, doch alle sind überzeugt, daß niemand seine Botschaft hören wird.

Ein engagierter Dokumentarfilm, der eigentlich alles hat, was zu seinem Gelingen beitragen sollte: Pinguine, eine unstrittige ökologische Botschaft, fotogene Eis-Wüsten und im ersten Drittel eine Geschichte, die unter die Haut geht. Grytviken, das ist zunächst ein Ort, dem eine Faszination innewohnt. die alte Speicher und Rumpelkammern ausstrahlen, doch nach und nach entpuppt er sich als ein Ort des Grauens. Untersützt von einem Filmdokument aus den 30er Jahren wird das Geheimnis dieser Siedlung gelüftet. Man sieht den Flensern und Trankochern bei ihrer blutigen Arbeit zu, wird Zeuge, wie die majestätischen Meeressäuger zum Schlachtvieh degradiert und zerlegt werden. Ein zeitgenössischer Kommentar, der diese Prozedur preist und den Nutzen dieses Handwerks feiert, setzt den abscheulichen Szenen die Krone auf. Nicht im Bild festgehalten ist die Tatsache, daß die Öfen in Zeiten der Kohleknappheit mit Pinguinen gefeuert wurden, die, das hat der Mensch zumindest begriffen, auf Grund ihrer Fettschicht einen hohen Brennwert haben.

In diesem Teil, wenn der Traum zum Albtraum wird, überzeugt der Film, zumal der eingesprochene Kommentar des Schweizer Kabarettisten Franz Hohler in Korrespondenz zu den Bildern eine zusätzliche unwirkliche Atmosphäre schafft. Doch sobald die Filmcrew Grytviken verläßt, verliert der Film seine klare Struktur und hakt die sattsam bekannten ökologischen Probleme unserer Welt ab. Daß er dabei manches Kuriose zutage fördert, wird sich nur jenen Zuschauern erschließen, die ganz genau hinsehen und -hören, die zwischen den Bildern und Worten zu lesen verstehen.

Der Film ist ein durchaus interessanter Beitrag zum Dauerthema Mensch und Umwelt mit teilweise faszinierenden Bildern, der nicht müde wird, seine wichtigste These, daß der Mensch sich nicht jeden Flecken dieser Erde Untertan machen darf, zu wiederholen. Doch gerade in diesen Wiederholungen verliert sich der Film auch ein wenig, öffnet sich der Beliebigkeit. Dennoch stellt er ein bemerkenswertes Plädoyer gegen die Dummheit dar, gesteht zugleich jedoch hilflos ein, daß ihr nicht beizukommen sein wird, weil sie Teil des Herrschaftsanspruches der Menschen ist. Koloniale Strukturen in einem Teil der Erde, in dem keine Menschen zu unterdrücken sind, sondern nur Pinguine.
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