Drama | Deutschland 1994 | 106 Minuten

Regie: Andreas Gruber

Winter 1945: Russische Offiziere aus dem Konzentrationslager Mauthausen wagen die Flucht. Während die meisten von ihnen bereits zu Beginn den Tod finden und andere bei einer gnadenlosen Treibjagd sterben, gelangen einige in die Freiheit und überleben dank der Hilfe der einheimischen Bevölkerung. Ein nach authentischen Fakten gestalteter Spielfilm, der für das Grauen augenfällige Bilder findet, ohne sich in Gewaltorgien zu ergehen. Ein respektabler Versuch der Vergangenheitsbewältigung, der zum Nachdenken und zur Diskussion anregt. (OCIC-Preis in Amiens 1994) - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Provinzfilm International/Daniel Zuta Film/Rattlesnake/SWF/arte
Regie
Andreas Gruber
Buch
Andreas Gruber
Kamera
Hermann Dunzendorfer
Musik
Peter Androsch
Schnitt
Eva Schneider
Darsteller
Elfriede Irrall (Frau Karner) · Oliver Broumis (Michail) · Merab Ninidze (Nikolai) · Kirsten Nehberg (Mitzi Karner) · Thierry van Werveke (Berghammer)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Winter 1945 im Konzentrationslager Mauthausen in der Nähe von Linz. Im sogenannten Todesblock 20 sind 500 Offiziere der Roten Armee inhaftiert, die sich nach ihrer Arretierung geweigert haben, auf seiten der Wehrmacht gegen ihre ehemaligen Kameraden in den Krieg zu ziehen. Als sie durch einen Kassiber von der bevorstehenden Aurlösung des Lagers erfahren, die für sie den sicheren Tod bedeuten würde, entschließen sie sich zur Flucht. Viele von ihnen bleiben bereits in den Zäunen des Lagers hängen oder finden in den MG-Salven der Wachen den Tod. Dennoch gelingt es den meisten, sich in die nahen Wälder oder die umliegenden Dörfer zu flüchten. Noch in derselben Nacht fordert der Lagerkommandant die Bewohner der Gegend auf, die SS bei der Jagd auf die Entflohenen zu unterstützen. "Es sind auf keinen Fall Gefangene zu machen!" lautet der Befehl. So beginnt am nächsten Morgen eine barbarische Treibjagd - von den Beteiligten zynisch "Hasenjagd" - genannt, die nur eine Handvoll der Flüchtlinge überleben wird.

Eine authentische Begebenheit, die der österreichische Autor und Regisseur Andreas Gruber in unzähligen Interviews mit Zeitzeugen akribisch recherchiert hat. Mit der Entscheidung, daraus keine Dokumentation, sondern einen Spielfilm zu machen, bewegt sich Gruber natürlich auf jenem schmalen Grat, der immer gegeben ist, wo authentischer NS-Massenmord mit den Mitteln der Fiktion "nachgestellt" wird. Die Legitimität eines solchen Unternehmens grundsätzlich zu bestreiten, hieße jedoch nichts anderes, als dem Medium Film (im Gegensatz zu beispielsweise der Literatur) die Kompetenz zur Tradierung von Geschichte in Form von Geschichten rundweg abzusprechen. Was wenig Sinn macht.

Bei "Hasenjagd" ist in nahezu jeder Sequenz, bei jedem Schnitt spürbar, in welchem Maße sich Gruber der Problematik seines Unternehmens bewußt ist. Wie der Plot in seinem Grundmuster unwillkürlich an Anna Seghers Roman "Das siebte Kreuz." bzw. dessen Verfilmung von Fred Zinnemann (1944, fd 13 152) erinnert, setzt Gruber einerseits offensiv auf die dramturgischen Elemente des Spielfilms. Ganz nach Western-Manier variiert er zwischen (in der Totalen eingefangenen) Massenszenen und (Nah-)Einstellungen, in denen sich das grausige Geschehen in der direkten Gegenüberstellung zweier Kontrahenten verdichtet. Indem er vielfach mit den Augen der Entflohenen aus deren Verstecken durch Luken und Ritzen auf die nahenden Verfolger blickt oder den Zuschauern in ähnlichen Situationen einen Wissensvorsprung vor den beteilgten Figuren gibt, arbeitet er mit konventioneller, aber ungeheuer effektvoller Spannungsdramaturgie. Hinsichtlich der bestialischen Gewalt, mit der die Entflohenen einer nach dem anderen hingerichtet werden, zeigt Gruber gerade soviel Brutalität wie nötig ist, um den Schrecken spürbar werden zu lassen, verzichtet jedoch darauf, die Exekutionen selbst ins Bild zu setzen. Augen, starr vor Angst, aber keine von Kugeln zerfetzten Körper à la "The Wild Bunch".

Auf der anderen Seite widersetzt sich der Film lange den Spielfilm-Konventionen, wo er eine Emotionalisierung im Sinne billigen "Mitleidens" verweigert. Zwar führt er ein ganzes Panoptikum von unterschiedlichsten Charakteren vor, verzichtet jedoch auf Identifikationsangebote in Form von Hauptfiguren. Erst im letzten Drittel konzentriert sich das Geschehen auf einen entlegenen Hof, dessen Bewohner als einzige aktiv Widerstand leisten, indem sie zwei Rotarmisten bei sich verstecken. Daß der Film schließlich noch mit einer zarten Romanze aufwartet und ein Happy End hat, erscheint zunächst wie unangebrachte Versöhnung mit dem Grauen. (Zwar ist auch diese Begebenheit authentisch, doch alles andere als repräsentativ für den Ausgang der damaligen Aktion.) Wenn man Gruber jedoch zugute hält, daß es ihm vornehmlich darum ging, der billigen Fatalismus-Ausrede ("Wir konnten ja nichts tun") entgegenzutreten, zu zeigen, daß Widerstand möglich war, ist auch dieser Schluß zumindest legitim.

Nur hie und da sind Gruber bei seinem ebenso ambitionierten wie fesselnden Film ein paar Ausrutscher unterlaufen. Etwa wenn er einem SS-Schergen, der eben ein paar Menschen erschossen und sich anschließend mit Bier die Uniform bekleckert hat, den so bedeutsam doppelbödigen Satz "Was bin ich doch für eine Drecksau" in den Mund legt oder (nach Kriegsende) allzu demonstrativ jene Wand übertünchen läßt, an der noch das Blut der Hingerichteten klebt. Solche bemühten Fingerzeige hätte der Film nicht gebraucht.
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