Emil und der kleine Skundi

Kinderfilm | Island/Deutschland/Dänemark 1994 | 86 Minuten

Regie: Thorsteinn Jónsson

Ein achtjähriger Junge wünscht sich sehnlich einen Hund. Da die Eltern wegen eines Hausbaus kein Geld erübrigen wollen, nimmt er kleine Jobs an, um sich den Hund kaufen zu können. Als er dennoch nicht die Erlaubnis erhält, reißt er aus. Der humorvolle, stilsicher inszenierte und sehr schön fotografierte Film nach einem isländischen Roman verbindet poetische Elemente mit Themen wie Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen auf eine Weise, die auch für Kinder verständlich ist. - Ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
SKYJAHÖLLIN
Produktionsland
Island/Deutschland/Dänemark
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Kvykmynd/Trans Film/Videal Per Holst/Nordisk Film- & TV Fond
Regie
Thorsteinn Jónsson
Buch
Thorsteinn Jónsson
Kamera
Sigurdur Sverrir Pálsson
Musik
Christoph Oertel
Schnitt
Valdís Óskarsdóttir
Darsteller
Kári Gunnarsson (Emil) · Gudrún Gísladóttir (Mutter) · Hjalti Rögnvaldsson (Vater) · Ólafia Hrönn Jónsdottir (Inga) · Sigurdur Sigurjónsson (Alfur)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8.
Genre
Kinderfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Zu Beginn, während der Blick der Kamera erstmals über der kargen, grünen Hügellandschaft Islands schwebt, erzählt ein alter Mann, wie sein Hund einmal sein Boot gerettet hat. Als die beiden Sprechenden ins Bild kommen, sind sie dabei, den Hund, von dem die Rede ist, zu begraben. Skundi hieß er, und diesen Namen, so verspricht der achtjährige Emil seinem Großvater, soll auch der Hund tragen, den er schnellstmöglich haben will; und er soll ein ebenso guter Hund werden, wie Skundi der erste es war. Nicht nur der ziemlich alltägliche Wunsch eines Jungen also ist es, der die Geschichte in Gang bringen wird, sondern auch eine poetische Idee, die Trost, Hingabe und auch ein Stück Ewigkeit verspricht. Wie schwer es aber ist, Ideen zu verwirklichen, die der greif- und zählbaren Wirklichkeit entgegenlaufen, zeigt dieser Film - und er zeigt zugleich, wie Einbildungs- und Tatkraft es dennoch schaffen.

Auch Emils Eltern haben einen Traum: sie wollen nichts weiter, als in ein größeres Haus ziehen, das ihnen und möglichen weiteren Kindern Platz bietet. Aber die Anstrengungen sind immens: der Vater muß, weil sein Einkommen nicht reicht, nachts nach der Arbeit eigenhändig das Traumhaus zusammenzimmern und dazu immer mehr Schulden auf sich nehmen. Das wirkt sich zusehends auf seine Stimmung aus und damit auf das Klima in der Familie. Für einen Hund ist in dieser Gedankenwelt kein Platz. Niedrige Einkommen, steigende Lebenshaltungskosten und Schuldenlast werden dabei auf eine Weise ins Spiel gebracht, die sich nicht nur harmonisch in die Geschichte fügt und auch für Kinder verständlich ist; die Probleme dienen auch als Motiv für das manchmal ungerechte Verhalten des Vaters, machen es dadurch verständlich und decken den Zusammenhang von äußerem Druck und innerer Belastung auf ganz unplakative und wiederum leicht verständliche Weise auf. Gleiches gilt für Ansätze von Sozialneid. Emils Freund Alli nämlich darf und bekommt all das, was Emil verwehrt bleibt; er hat auch einen eigenen Hund, obwohl er, anders als Emil, nicht einmal weiß, wie man ihn stubenrein macht. Der Vater will nichts davon hören, denn Allis Eltern haben nun mal Geld. Und selbst Arbeitslosigkeit wird in einer Sequenz angesprochen, als Emil versucht, auf einer Werft anzuheuern: Die Arbeiter, denen er sein Anliegen vorträgt, lachen ihn bitter aus - weil ihnen selbst gerade gekündigt worden ist.

Emil bewahrt bei alldem die Ruhe. Er ist ein aufmerksamer Zuhörer, der weiß, was er zu tun hat. Er findet einen Job als Zeitungsjunge und einen weiteren in einer Schreinerei, bei einem netten, alten Mann, der mit den Ohren wackeln kann. So kann er sich das Geld zusammensparen, das er für den Hund braucht. Er hat sich sogar schon einen ausgesucht, bei einer Farmerin, die sich vor den Menschen zu den Tieren zurückgezogen hat; nur eine Woche wird sie den Welpen für Emil reservieren. Aber neben dieser pragmatischen Ebene taucht immer wieder die poetische auf, wo die Phantasie in die Wirklichkeit übertritt. Manchmal erzählt Emil sich oder einem jungen Nachbarsmädchen Wolkengeschichten, Geschichten also, die man sich ausdenkt, wenn man auf einer Wiese liegt und in den Himmel schaut. Zuerst sind dies scheinbar Märchen, illustriert mittels entzückenden Zeichentricks. Dann macht sich Emil daran, aus der Wunschgeschichte eine wahre zu machen: Der kleine Prinz geht dem Königspaar, das sich ein viel zu großes Schloß gebaut hat, vorübergehend verloren.

Vieles ist von der Intimität zu spüren, die ein kleines und kaum bevölkertes Land wie Island ausmacht. Die Leute kennen sich, und die Tatsache, daß man auf einem sehr begrenzten, sehr abgeschiedenen Eiland wohnt, scheint einen gewissen Zusammenhalt zu fördern, allerdings ohne Garantie. Der Kargheit der Landschaft entspricht eine Kargheit der Bilder, die das Geschehen präzise und großzügig einfangen. Die Ausstattung beschränkt sich dabei auf die für die Szene notwendigen Gegenstände, das Licht ist durchgängig hell und diffus. Zu der stilistischen Geschlossenheit, die Thorsteinn Jonsson in seinem dritten Langfilm zeigt, kommen die sympathischen großen und kleinen Darsteller, die jeder für sich eine leicht greifbare und dennoch nicht eng begrenzte Persönlichkeit spielen. Kurz: ein wunderschöner Film, gemacht für Kinder, unterhaltsam für alle.
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