Wallace & Gromit - Unter Schafen

Komödie | Großbritannien 1995 | 79 Minuten

Regie: Nick Park

Ein Plastilin-Filmpaket mit neuen Kurzfilmen der englischen Produktionsfirma Aardman Animations. Im Mittelpunkt steht die Geschichte "A Close Shave", in der Wallace und Gromit in eine Schaf-Serienkiller-Story verwickelt werden. Rasante und sehr humorvolle Trickfilmunterhaltung, die liebevoll bekannte Filme zitiert. Durch die durchgehend düstere Grundstimmung der Geschichten ist die Sammlung für kleinere Kinder vielleicht etwas erschreckend. (Episoden: 1. "A Close Shave"; 2. "The Title Sequence"; 3. "What's Pig"; 4. "Early Bird"; 5. "Heat Electric!"; 6. "Not Without My Handback"; 7. "My Baby Just Cares For Me"; 8. "War Story"; 9. "Pop") - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
THE AARDMAN COLLECTION 2
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Aardman Animations
Regie
Nick Park · Luis Cook · David Alexander Riddett · Peter Lord · David Sproxton
Buch
Nick Park · Bob Baker · Luis Cook · Dave Alexander Ridett · Peter Lord
Kamera
David Alexander Riddett
Musik
Julian Nott
Länge
79 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Komödie | Animation
Externe Links
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Heimkino

Neben dem Langfilm "Unter Schafen" befinden sich auf der DVD noch die beiden Kurzfilme "Alles Käse" und "Die Techno-Hose".

Verleih DVD
Universal (FF, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Der Erfolg des Kompilations-Zeichen-trickfilms "Wallace & Gromit" (fd 31 035), in dessen Mittelpunkt die Episode "The Wrong Trousers" mit atemberaubenden Verfolgungsjagden aufwartete, hat nun zu einer Fortsetzung geführt. Wieder präsentiert Aardman Animations eine Zusammenstellung von Plastilinfilmen, wieder steht das Gespann Wallace und Gromit im Mittelpunkt. 31 Minuten dauert die Episode "A Close Shave"/"Unter Schafen" und wieder zeigen die Animateure um Nick Park, daß die Möglichkeiten des Animationsfilms anscheinend grenzenlos sind bzw. daß die Grenzen dieses Genres ständig neu definiert und ausgelotet werden wollen. Schlug "The Wrong Trousers" noch mit 700.000 Pfund zu Buche, so haben sich die Produktionskosten nun verdoppelt. Viel Geld, aber wenn das Ergebnis mit so viel hintergründigem Spaß verbunden ist, so ist es keineswegs in den Sand gesetzt. Was Nick Park und seine 25 bis 30 Mitarbeiter in nur 18 Monaten geleistet haben, gehört derzeit zum Feinsten, was - ohne Computeranimation - in diesem Filmbereich zu sehen ist. Nun scheinen 18 Monate zwar eine lange Produktionszeit - im Vergleich zu Realfilmen -, doch wenn man bedenkt, daß ein Animator im Glücksfall pro Arbeitstag zwei bis drei Sekunden Film fertigstellen kann, dann ist das "nur" durchaus gerechtfertigt.

Mit "A Close Shave" (d.h. mit knapper Not entkommen) liefert Nick Park einen perfekten Comedy-Thriller, in dem auch noch die kleinste Einzelheit stimmt. Wallace und sein treuer Gefährte Gromit betreiben nun einen Fensterreinigungsbetrieb, um ihren Grundbedarf, in erster Linie Käse, Cracker und Porridge, finanzieren zu können. Während Wallace friedlich schlummert, liegt Gromit stickend im Bett, und die Idylle scheint perfekt, doch schon der nächste Tag wird das Grauen heraufbeschwören. Dabei scheint der Reinigungsauftrag bei Wendolene Rambottom, der Erbin eines Wollgeschäfts, reine Routine zu sein. Während Gromit mit allen erdenklichen Tricks die Fenster putzt, verliebt sich Wallace Hals über Kopf in die scheue Wendolene; beide ahnen nicht, daß sie zu diesem Zeitpunkt bereits als Opfer eines folgenschweren Komplotts auserkoren sind.

Preston, Wendolenes bulliger Hund, hat Gromits Scher- und Strickmaschine in einen Fleischwolf umgebaut und ist für das mysteriöse Schaf-Kidnapping in der Gegend verantwortlich. Doch damit nicht genug. Mit der perfiden Intelligenz eines Serienkillers gelingt es ihm, Gromit die Schuld in die Schuhe zu schieben, der wandert ins Gefängnis - einelebenslange Haftstrafe und das Ende einer wunderbaren Freundschaft scheinen die Folgen. Doch Freundschaft kann ja bekanntlich Berge versetzen, und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis Gromit wieder, wenn auch nicht ganz legal, auf freiem Fuß ist und den Kampf gegen den Bösewicht aufnehmen kann, wobei ein feuerroter Motorrad-Beiwagen, ausgestattet mit ungeahnter Technik, wertvolle Dienste leistet. Am Ende sind Hund und Herrchen und eine Wagenladung voller Schafe gerettet, ein Cyber-Dog in seine Bestandteile zerlegt und das zarte Pflänzchen einer aufkeimenden Liebe ist leider verdorrt.

"A Close Shave" ist eine rasante tricktechnische Achterbahnfahrt, die genüßlich aus der Filmgeschichte schöpft. Ein kenntnisreicher Spaziergang durch eine Reihe von Genres und bekannter Filme, die im Trick ihre Überhöhung finden und somit auf den Punkt gebracht werden. Hitchcocks Geist schwebt über allem, erfährt Unterstützung durch die hervorragende Filmmusik im Sinne Bernard Herrmanns, wobei dem Komponisten Julian Nott ein Orchester mit 65 Instrumenten zur Verfügung stand - nicht nur für einen Trickfilm ein immenser Aurwand. "Der dritte Mann" läßt ebenso grüßen wie die "Indiana Jones"-Abenteuer, die Gromit in seinem Jagdflieger erlebt, mit dessen Porridge-Kanonen er Preston gnadenlos bekämpft. Auch die neuesten Cyber-High-Tech-Abenteuer finden ihre Berücksichtigung, doch die größte Hommage bringt Park David Lean und dessen Film "Begegnungen" dar, dem Wallace' Liebesgeschichte nachempfunden ist. Daß sich bei aller Zitation nie das Plagiat in den Vordergrund schiebt, liegt am liebevollen Umgang mit der Filmgeschichte und an der ebenso geschickten wie lustvollen Variation der Vorgaben. Und es liegt an der Detailfreunde, von der auch dieser Film zeugt. Die Lust zum genauen Hinsehen ist oberstes Gebot, erst dann erschließt der Film seine Vielfalt und bietet die Einstiegsmöglichkeit zum nochmaligen Sehen. Denn zu entdecken gibt es wahrlich genug. Die Zeitungsschlagzeilen, die die Verbrechensserie kommentieren und die Handlung vorantreiben, etwa, oder das alte (Familien-)Foto von Wallace und Gromit, dessen Anblick bei Wallace einen heroischen Entschluß auslöst. Oder Gromit in seiner kargen Zelle, der einsam in seine Lektüre vertieft ist - natürlich liest er "Schuld und Sühne".

Kurz, ein wunderbarer Film, der perfekte Unterhaltung mit unbändiger Fabulierlust verbindet, und Lust auf viel, viel mehr macht. Ein Film allerdings auch, der sich trotz seines Sujets nicht unbedingt an Kinder wendet. Dazu ist die Grundstimmung zu düster, das Geschehen vielleicht doch zu rasant und mitunter beängstigend. Ein Tenor übrigens, den auch die anderen acht Kurzfilme aufweisen, mit denen "A Close Shave" zu einem abendfüllenden Filmpaket verschnürt wurde. Die kurze Episode "The Title Sequence" erinnert an all die Gefühle, die das Kino auszulösen in der Lage ist, Horror und leichter Schrecken überwiegen; der Videoclip "My Baby Just Cares For Me" überträgt Nina Simones Hit ins Nachtclub-Milieu und stellt eine endlose Katzenliebe vor, und in "War Story" sind die tatsächlichen Erinnerungen eines Londoner Feuerwehrmanns während des Zweiten Weltkrieges eingearbeitet - liebevoll und very british!

Lupenreinen Horror bietet hingegen "Not Without My Handback": Da die Tante das Kleingedruckte beim Waschmaschinenkauf nicht gelesen hat, steht plötzlich, als sie mit den Ratenzahlungen in Verzug kommt, der Teufel auf der Matte und fordert seinen Tribut; eine Waschmaschine der Marke "Dante" kauft man schließlich nicht ungestraft. Doch auch im Grab findet die Tante keine Ruhe, ohne ihre Handtasche ist sie eben nur halbtot und muß - zunächst zum Schrecken der Nichte - als verwester Zombie wiederkehren. Hier läßt Peter Lord seinem Hang zum Makabren freien Laufund nicht von ungefähr erinnert diese düster-grelle Episode an Tim Burtons (Produzent) Horror-Weihnachtsfilm "Nightmare Before Christmas" (fd 31 095). Doch auch diesen direkten Vergleich brauchen die Aardman-Leute nicht zu scheuen, im Plastilin-Bereich zählen sie nach wie vor zu den Größten.
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