Dark Tales

- | Neuseeland 1989-94 | 93 (Video 180) Minuten

Regie: Scott Reynolds

Eine Anthologie mit sieben Kurzfilmen aus Neuseeland, die kurzweiliges, intelligentes und nicht zuletzt von schwarzem Humor geprägtes Kinovergnügen bietet. Inhaltlich und formal höchst unterschiedlich, ist den einzelnen Beiträgen eine hohe Qualität gemein, die Neugierde auf weitere filmische Kostproben vom Inselstaat am Ende der Welt weckt. (Zusammenstellung der Kinofassung: 1. "Game with no Rules"/1994, 17 Min. 2. "Lemming Aid"/1994, 12 Min.; 3. "Avondale Dogs"/1994, 15 Min.; 4. "Funny Little Guy"/1994, 14 Min.; 5. "La Vie en Rose"/1994, 7 Min.; 6. "Eau de la Vie"/1993, 13 Min.; 7. "The Lounge Bar"/1989, 12 Min.; auf zwei Videokassetten wird ein noch umfänglicheres Programm angeboten. O.m.d.U.) - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
DARK TALES
Produktionsland
Neuseeland
Produktionsjahr
1989-94
Regie
Scott Reynolds · Grant Lahood · Jim Wilkins · Chris Graves · Anna Reeves
Kamera
Simon Raby · Simon Reara · Jan Paul · Fred Renata · Kevin Riley
Musik
Greg Johnson · Michelle Scullion · Keith Ballantine · Stephen Kennedy · Dave Dobbgyn
Darsteller
Marton Csokas · Danielle Cormack · Jennifer Ward-Lealand · Fiona Samuel · Jed Brophy
Länge
93 (Video 180) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16 (Video)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.

Diskussion
Spätestens seit den auch hierzulande beachteten Spielfilmen von Jane Campion, Peter Jackson und Lee Tamahori ist Neuseeland in filmischer Hinsicht kein Niemandsland mehr. Wie breit und vielversprechend die Basis der Filmkultur auf den beiden Inseln am Ende der Welt wirklich ist, zeigt eindrucksvoll diese Anthologie mit Kurzfilmen. Die sieben Produktionen sind formal und inhaltlich höchst unterschiedlich; eine durchgehend hohe Qualität ist ihnen jedoch gemein, und nach den 90 Minuten ist die Neugierde auf weiteren Kostproben aus dem neuseeländischen Kurzfilmfundus geweckt, denn hier muß sich zweifellos noch mehr entdecken lassen.

"A Game With No Rules" ist eine mehrfach hakenschlagende Beziehungs- bzw. Kriminalgeschichte um Sein und Schein, eiskalte Berechnung und betrogene Betrüger. Virtuos wird mit Versatzstücken verschiedener Genres und den entsprechenden Erwartungshaltungen des Zuschauers gespielt, um im letzten Moment doch wieder zu überraschen. In "Lemming Aid" bildet eine Gruppe fanatischer Tierschützer eine Menschenkette, um die berühmten Nagetiere am Selbstmord zu hindern. Eine Parodie auf Zeitgeist-Trends und political correctness. In strengen Schwarz-weiß-Bildern beschwört "Avondale Dogs" eine Provinz-Kindheit Anfang der 60er Jahre. Traumatische Szenen von verbotenen Spielen, von winzigen, aber intensiven Glücksmomenten sowie von Krankheit und Tod umkreisen das Erwachsenwerden als Verlust der Unschuld durch Erfahrung. Von der grotesken Begegnung zwischen einer Einsiedlerin und einem Außerirdischen wird in "Funny Little Guy" erzählt - sehr spleenig und in 60er-Jahre-Mode gestylt. "La Vie en Rose" ist ein Filmgedicht aus Text- und Bildfragmenten, das konsequent einen eigenen, hermetischen Kosmos entwickelt. Mit "Eau de la Vie" kommt die Edition zu ihrem sozial schärfsten Beitrag: Der Besuch in einem Feinschmeckerlokal wird für eine in die Führungselite aufgerückte junge Frau zum Initationsritual, gegen das sie im letzten Moment aufbegehrt. Der Film ist eine an Kafka geschulte, bitterböse Gesellschaftsparabel, die sich nicht in platter Agitation erschöpft, sondern bis zum Ende mehrdeutig bleibt. Höhepunkt und Abschluß ist "The Lounge Bar": eine fatale Dreiecksgeschichte, die als Rockballade zum Film wird und umgekehrt. Auf kleinstem Raum entwickelt sich ein Optimum an Beziehungsvarianten, springt die Zeit um Jahre vor und zurück. Gerade an Hand dieses Films werden noch einmal die Tugenden der neuseeländischen Arbeiten deutlich. Sie erzählen Geschichten, die bis zuletzt voller Überraschungen stecken, ohne dabei konstruiert oder kopflastig zu wirken. Vielmehr bleiben sie spielerisch, fast beiläufig; eine spezielle Variante angelsächsisch geprägten Understatements. So verbinden sich handwerkliche Virtuosität, stimmige Dramaturgie und schwarzer Humor zu einem kurzweiligen Kinovergnügen, wie man es zuletzt in vergleichbarer Weise nur beim ersten Paket der Wallace & Gromit-Filme (fd 30 995) erlebt hat.

Bleibt die Frage, warum uns eine solche filmische Flaschenpost ausgerechnet aus Neuseeland erreicht. Zum einen kommt sicher die Brisanz eines einmaligen Kulturgemischs zum Tragen; zum anderen ist auf eine auf mehreren Ebenen wirksam werdende Filmförderung zu verweisen. So wird ausdrücklich Wert auf die Unterstützung von Erstlingsfilmen gelegt, die Förderung von Kurzfilmen und auf die Motivierung der maoristämmigen Urbevölkerung zum Filmemachen. Erklären läßt sich die Existenz eines solch vitalen und innovativen Nachwuchspotentials damit freilich noch nicht.
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