Die „Mostra“ hält, was die Wettbewerbsauswahl vorab versprochen hat. Alfonso Cuaróns „Roma“ rührte die Kritiker zu Tränen, „The Ballad of Buster Scruggs“ von den Coens zerpflückt die „Frontier“-Mythen und Yorgos Lathimos dekliniert in „The Favourite“ Macht und Ranküne als weibliches Genus durch; nur Olivier Assayas scheint in „Double vies“ dem Angriff der digitalen Gegenwart nicht nur Schrecken abzugewinnen. Notizen aus einem aufregenden Festival.
Ob der „Goldene Löwe“ 2018 an die Produktion eines Streaming-Anbieters gehen könnte? Nach den ersten Tagen beim Filmfestival in Venedig scheint das durchaus möglich. Mit „The Ballad of Buster Scruggs“ der Brüder Joel und Ethan Coen feierte der zweite von insgesamt drei „Netflix“-Produktionen Premiere am Lido. Ursprünglich sollte aus dem Stoff eine Serie werden; nun ist es ein Anthologie-Film mit mehreren Episoden, bei dem sich die Coens in Hochform erweisen: Sechs pointierte, in ihrer Knappheit mit größter Präzision entworfene Vignetten um den Wilden Westen, die den „Frontier“-Mythos der USA gnadenlos zurückgestutzt wird auf einen makaber-tragikomischen Reigen von Gier, Skrupellosigkeit und sinnloser Gewalt.