Die „Columbia Classics 4K Ultra HD Collection Volume I“ präsentiert sechs Klassiker des Hollywoodstudios scharf wie nie: „Lawrence von Arabien“, Gandhi, „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, „Mr. Smith geht nach Washington“, „Eine Klasse für sich“ und „Jerry Maguire“.
Es war einmal eine wunderschöne
Römerin – und die gute alte Zeit, in der Bosse nur ihrem Bauchgefühl und ihrer
Brieftasche verpflichtet waren. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, als die Brüder
Jack und Harry Cohn und der Anwalt Joe Brandt in New York ihre „Cohn-Brandt-Cohn
Film Sales Corporation“ gründeten, das unter dem Namen Columbia Pictures dann zu
einem der „Major Five“ avancierte – einem jener großen Studios, die das
(US-amerikanische) Filmgeschäft unter sich aufteilten und „Hollywood“ als
Standort und als Marke etablierten.
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Die Gestalt einer schlanken jungen Frau in einem römisch-antik anmutenden Gewand, die seit den 1920er Jahren als Logo-Figur von Columbia in den Vorspännen der Filme das Dunkel der Leinwand mit ihrer Fackel erleuchtete, versprach seitdem großartige Kinoabende und wunderbare Weltfluchten. Seit den 1980er-Jahren gesellte sich im Vorspann ein nicht minder fantastischer, schneeweißer Pegasus hinzu, der nun mitunter anstelle der Römerin das Firmament in Richtung Zuschauerränge durchbricht, um uns das große Abenteuer zu eröffnen. Aus Columbia wurde Columbia Tri-Star, doch der Mythos wurde erst entzaubert, als die Japaner kamen und die Marke unter das Dach von Sony holten.
Doch mit der Zeit kommt alles wieder. In einer schwarzen Hardcover-Box versteckt, bringt nun eine „Columbia Classics 4K Ultra HD Collection Volume I“-Edition diverse Klassiker des einstigen Unterhatungsgiganten zurück zum Publikum. Sechs Filme aus 60 Jahren, die man ansonsten nirgendwo findet – zumindest nicht in der hier präsentierten 2020 vollendeten Restaurierung - verbergen sich in dieser Aufklappbox. Und die Box selbst ist auch nur dann zu finden, wenn man sich ins Internet begibt und beim größten Anbieter Amazon umtut – und weiß, was man sucht.
Die Wüstenpanoramen aus "Lawrence von Arabien" sahen nie besser aus
Mit dabei: Ein Film, der weit oben auf der „Most Wanted“-List jener steht, die sich für die Bewahrung von Hollywood-Filmerbe interessieren. Und zwar schon seit 50 Jahren, als ein gegenüber der Premiere 1963 noch einmal um 20 Minuten gekürzter „Lawrence von Arabien“ seine Wiederaufführung im Kino erfuhr. Um die Restaurierung des Meisterstücks von David Lean kümmerten sich Martin Scorsese, Steven Spielberg und die besten Techniker der USA – nicht schlecht für einen Film, der eigentlich aus Großbritannien stammt, von einem Engländer realisiert wurde und über weite Teile in Ägypten, Syrien und Jordanien spielt.
Wer jemals die Wüstenpanoramen, die Glut der aufgehenden Sonne auf der Leinwand gesehen und dazu die Musik von Maurice Jarre gehört hat, der weiß, zu was Kino fähig ist. Auch wenn man sich nicht unbedingt für die Wechselwirkungen zwischen dem englischen Offiziers T.E. Lawrence und der arabischen Seele interessiert, wird sich von den 227 Minuten Film gefangen nehmen lassen, allein weil er die Sinne so allumfassend zu überwältigen vermag.
Gedreht auf 70mm und in sechs Kanal
Stereo wurde der Film über die Jahre erst gekürzt, dann komprimiert und
schließlich in 4:3 und auf VHS fürs Fernsehen kastriert, bevor er 1989 ein
erstes Mal, 1997 ein zweites Mal und 2009 (auf der Berlinale) ein drittes Mal
das Licht der Welt erblickte. 2012 wurde er dann schließlich zum 50. Geburtstag
des Films ein weiteres Mal für Restaurierungsarbeiten gescannt und auf Blu-ray
fürs Heimkino veröffentlicht. Seinerzeit das Maß aller Dinge, obschon der
4K-Scan zwar in Cannes im Festivalpalais in voller Pracht zur Geltung kam, aber
fürs Heimkino dann auf 2K getrimmt werden musste. Nun also die Veröffentlichung
des Meisterwerks auf 4K UHD, fast schon versteckt nur via Amazon in der
Columbia Box. Mit einem Bild und einem Atmos-Ton zum Verneigen. Eine Disk
reicht nicht aus, um die immense Datenmenge von über 150 Gigabyte an Bild- und
Toninformationen aufzunehmen, und so ist „Lawrence von Arabien“ die erste
Doppel-UHD der noch jungen 4K-Geschichte. Passend für einen Film, der seinen
Zuschauer nach 140 Minuten eine reguläre Pause zum Durchschnaufen zugesteht. Da
jeder 4K-Disk in der Box zudem noch die Blu-ray beigelegt wird, bleibt auch das
Bonusmaterial in reichhaltiger Fülle vorhanden. Neu und erstmals zu sehen ist
indes ein Prolog aus Texttafeln, die den geneigten Zuschauern einst erklären
sollten, auf welches Abenteuer sie sich hier einlassen. Lean selbst war gegen
diese Texttafeln und ließ sie nach der Premiere entfernen.
"Oscar"-Erfolg: "Gandhi"
Allein die Pracht von „Lawrence von Arabien“ könnte die Investition in die Box lohnen, zumal man noch ein 82-seitiges Hardcoverbuch zur Seite gestellt bekommt, das auf die Geschichte des Studios und die sechs Filme ein geht, die es zu betrachten gibt.
Unter ihnen ist ein weiteres Epos, das mit 191 Minuten nicht allzu viel kürzer und 1983 mit acht Statuetten bei den „Oscars“ sogar noch um einen Tick erfolgreicher war als „Lawrence von Arabien“. Wieder ist es mit Richard Attenborough ein Engländer, der den Film realisierte, wieder ist es ein Film, der sich mehr oder minder eng mit britischer Kolonialgeschichte beschäftigt: „Gandhi“ ist zugleich ein Paradebeispiel eines überlebensgroßen Biopics. Neben Sidney Pollacks „Amadeus“ ist der Film ein eindrückliches Beispiel dafür, wie man sich in den 1980er Jahren Kinounterhaltung vorstellte, nämlich mit Bildungsanspruch und vor allem „bigger than life“! Attenborough geht in seinem brillanten Audiokommentar (den er vor seinem Tod 2014 noch für die DVD-Veröffentlichung einsprach) anekdotenreich auf die gesamte Genese des Films ein, konnte aber nicht mehr begutachten, wie großartig die 4K-Restaurierung samt der Dolby Atmos-Abmischung des auf 35mm nur als Stereoton präsenten Films gelungen ist.
Was könnte neben epischer Geschichte noch würdig sein, in eine repräsentative Box eines Studios aufgenommen werden? Genrefilme? Nein, Politik und Sport machte das Rennen. Dass man sich in Kriegszeiten besonders um menschliche Werte bemüht, ist nicht selbstverständlich. Während 1939 andere mit kruden Propagandafilmen ihr Volk zum Durchhalten bewegen wollten, produzierte Frank Capra mit „Mr. Smith geht nach Washington“ ein Werk, das sich für Redlichkeit und gegen Korruption in der Politik einsetzt. Eine Dramödie, die wort- und pointenreich allen Machtmenschen den Spiegel vorhält und beweist, dass Ehrlichkeit unbedingt zur Politik gehört. Von daher ist der 81 Jahre junge Film gerade in unserer Zeit aktueller denn je und ganz nebenbei ein perfektes Beispiel für anspruchsvolles, ja und auch sentimentales Unterhaltungskino. „Mr. Smith geht nach Washington“, mit einem großartigen James Stewart in der Titelrolle, bekam damals nur einen „Oscar“ für das beste Dialogbuch. Das war indes nicht weiter verwunderlich, hatte er doch mit „Vom Winde verweht“ einen übermächtigen Gegner. Doch während man auf eine adäquate 4K-Restaurierung dieses MGM-Klassikers noch wartet, ist „Mr. Smith geht nach Washington“ bereits als brillanter 4K-Transfer erhältlich, der jetzt sogar die ebenfalls schon beachtliche Blu-ray-Edition von 2014 (die aufgrund des Bonusmaterials ebenfalls der Box beiliegt) überragt.
Mit „2001 – Odyssee im Weltraum“, „Spartacus“, „Shining“ und jüngst „Full Metal Jacket“ sind bereits vier von Stanley Kubricks Meisterwerken auf 4K UHD erschienen. Kubricks bitterböse Kriegssatire „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, eine Columbia Produktion, und findet sich nun hier verborgen in der Box. Schon die US-amerikanische Blu-ray-Version aus der Criterion Collection ließ 2016 ahnen, wie brillant der 4K-Scan die Schwarz-weiß-Bilder von Gilbert Taylor aussehen lassen kann. Nun ist der Film unkomprimiert und schärfer denn je, und zwar nicht nur aufgrund seiner messerscharf-absurden Dialoge à la „Gentlemen, You Can’t Fight Here! This Is The WAR ROOM!“
Nach vier solch unstrittig großer Werke der Filmgeschichte, können – oberflächlich betrachtet – die zwei noch beigelegten Sportfilme nur als ein Eingeständnis US-amerikanischer Freizeitkultur zählen. Oder was hätten „Jerry Maguire“ oder „Eine Klasse für sich“ mehr zu bieten als einen exaltierten Tom Cruise und eine Truppe pitchender Frauen?!
Ein Trugschluss, vielmehr handelt es sich doch hier um zwei (vergessene) Schätze, die dank der 4K-Restaurierung wieder in den Fokus eines breiteren Filmpublikums rücken können. Denn an nichts ist augenblicklich schwerer heranzukommen als an Blockbuster-Filme aus den 1990er Jahren. Filmkopien für die Kinos waren kaum noch aufzutreiben, und in Filmlagern der Verleihe wurden sie zumeist vernichtet, um Kosten zu sparen. Jetzt bestünde zumindest theoretische die Chance, diese Filme wieder ins Kino zu bringen.
Penny Marshalls „Eine Klasse für sich“ erinnerte 1992 an die Anfänge der Frauenabteilung der Baseball League in den 1940er Jahren. Enorm erfolgreich beim Publikum als Sportfilm und als sentimentale Reise in die jüngste US-amerikanische Geschichte, wurde die Qualität bei Branchen-Preisverleihungen nicht gebührend gewürdigt. Inzwischen hat nicht nur die Library of Congress den Film als kulturell und ästhetisch wertvoll in ihren Filmkanon aufgenommen. Frisch restauriert erkennt man, wie zeitlos und brillant komponiert dieser wunderbare Film auch heute noch ist.
Im Gegensatz zu Geena Davis, Lori Petty und Tom Hanks bei „Eine Klasse für sich“ hat Cuba Gooding Jr. für seine Rolle als lädierte Football-Hoffnung Gnade bei der Academy gefunden und einen von fünf avisierten „Oscars“ für „Jerry Maguire“ einheimsen können. Cameron Crowes heiter-ernste Abrechnung mit der Sportgeschäftemacherei (oder war es eine Huldigung?) war eine der Sensationen des Kinojahrs 1996. Neben der perfekten Rettung von Bild- und Ton ins 4K-Zeitalter gibt’s als Zugabe noch was Nostalgisches im Bonusmaterial: Auf eine Musikcassettenlänge treffen sich Alec Baldwin und Cameron Crowe und schwatzen höchst amüsant und ein wenig wehmütig über Leben, Liebe und Karriere des Ausnahmeregisseurs. Und auf der Bildebene sieht man nichts als das laufende Tape im Player. Auch das ist Filmgeschichte!
Die „Columbia Classics 4K Ultra HDCollection Volume I“ mit den Filmen „Lawrence von Arabien“, „Gandhi“, „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“, „Mr. Smith geht nach Washington“, „Eine Klasse für sich“ und „Jerry Maguire“ ist mit dem Silberling
2020 ausgezeichnet, dem Label des Filmdienst für herausragende Heimkino-Editionen.