Es gibt eine Handvoll Kinomuseen auf der Welt, doch
den meisten fällt es schwer, die Essenz der Kunstform Film in Räume, an Wände
und in Vitrinen zu bannen. So ist das Herz jedes Filmmuseums immer sein
Filmtheater. Glücklicherweise besitzt das Kino aber die erstaunliche Kraft, existierende
Orte in Denkmäler zu verwandeln.
Die Freitreppe in Odessa ist so ein Ort. Wer sie mit
der Erinnerung an Sergei M. Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“
betritt, vergleicht nicht nur einen filmischen Schauplatz mit der Realität. Man
meint förmlich, zwischen die Einstellungen zu treten, die in Eisensteins
Montage die Idee zum Zeitbild machen. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man
vielleicht, welch spektakuläre Illusion die Architektur selbst ist, mit ihren
192 sich nach oben verkürzenden Stufen: ein Theatereffekt für Tiefenwirkung,
den sich auch gerne das Kino zu Nutze macht. Obwohl diese Treppe über 80 Jahre
älter ist als Eisensteins Film, hat sich international für sie der Name
„Potemkin Stairs“ eingebürgert. Nur in Odessa erinnert keine Gedenktafel an
ihren legendären Filmauftritt.