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Superdeal mit Schattenseite: Zum Ende des Autorenstreiks in Hollywood

Ein Kommentar zum Ende des Hollywood-Autorenstreiks und wie er die Krise insbesondere der Streaming-Anbieter unübersehbar gemacht hat

Veröffentlicht am
12. Oktober 2023
Diskussion

Nach fünf Monaten ist der Streik der Hollywood-Drehbuchautoren mit einer Einigung zu Ende gegangen. Im Streit mit den Studios haben die Autoren beachtliche Erfolge erzielt, insbesondere beim Reizthema Künstliche Intelligenz. Also alles wieder gut in der Traumfabrik? Das lässt sich nicht behaupten, denn der Streik hat grundlegende Probleme noch offensichtlicher gemacht. Vor allem die noch vor Kurzem boomenden Streaming-Anbieter stecken in einer Krise mit noch nicht absehbaren Auswirkungen. Ein Kommentar.


148 lange Tage hielt der Streik der Drehbuchautoren Hollywood in Atem. Der Ausstand der Kreativen endet nun mit einem Deal. Und zwar mit einem ziemlich guten – aus Sicht der Autoren. Quer durch die sozialen Medien zeigt sich seit Montag, dem 25. September, der Jubel verschiedenster Vertreter der WGA, der Writers Guild of America. Tatsächlich hat die Gewerkschaft der Drehbuchautoren für ihre Mitglieder gegenüber der AMPTP, der Vertretung der Studios, Streamer und Produzenten, einen beachtlichen Verhandlungserfolg in sämtlichen angestrebten Punkten erzielt. Das Vertragswerk, das den Titel „Memorandum of Agreement for the 2023 WGA Theatrical and Television Basic Agreement“ trägt, hält für die Autoren gegenüber ihren Auftraggebern eine Verbesserung in den Punkten Bezahlung, Mindestbesetzung des Writers’ Rooms und Beschränkungen im Einsatz von Künstlicher Intelligenz fest.

Der Vertrag tritt mit dem 25. September 2023 umgehend in Kraft und löst eine zuvor im Jahr 2020 getroffene Vereinbarung zwischen WGA und der AMPTP ab. Die knapp 11.500 Mitglieder der WGA müssen dem Vertrag nun in einem Votum noch zustimmen. Die Abstimmung gilt als Formsache. Derweil darf die Arbeit an Drehbüchern, die sich bereits in Entwicklung befinden, und an neuen Stoffen wieder aufgenommen werden.


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Gedreht werden darf allerdings – so der Stand am Ende dieser denkwürdigen Woche – noch nicht wieder. Denn im Ausstand befindet sich aktuell noch die Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA. Laut Medienberichten der Branchenblätter „Hollywood Reporter“ und „Variety“ zeichnet sich jedoch auch bei ihnen eine baldige Einigung mit der AMPTP ab. Die Schauspieler solidarisierten sich nach zweieinhalb Monaten im Sommer mit den im Ausstand befindlichen Drehbuchautoren. Monatelang war es zu Demonstrationen vor den Studiotoren Hollywoods gekommen. Anders als beim Streik 2007/08, der die Filmmetropole zuletzt weitestgehend lahmlegte, waren beim jüngsten Streik auch bereits in Produktion befindliche Projekte betroffen – lähmender Stillstand im Filmbusiness war die Folge, der bei Weitem nicht nur Los Angeles betraf, sondern auch New York City und den immer mehr an Bedeutung gewinnenden Produktionsstandort in Atlanta, Georgia.

Auch beim Streik der Hollywood-Darsteller bahnt sich eine Lösung an (© IMAGO / Levine-Roberts)
Auch beim Streik der Hollywood-Darsteller bahnt sich eine Lösung an (© IMAGO / Levine-Roberts)


Lange waren die Fronten verhärtet

Die Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften WGA, SAG-AFTRA und der AMPTP hatten sich den Sommer über als schwierig erwiesen, die Fronten verhärtet. Uneinigkeit hinsichtlich ihrer Verhandlungsposition gegenüber den Autoren und Schauspielern hatten dabei vor allem die AMPTP und einzelne ihrer Vertreter an den Tag gelegt. Als zu unterschiedlich erweisen sich Positionen der traditionsreichen Studiobetriebe und der neuen Tech-Unternehmer in Hollywood. Mit dem Aufkommen von Streaming-Unternehmen wie Netflix, Hulu, Apple, Amazon und Co. war ein lange etabliertes Geschäftsmodell für Drehbuchautoren ins Wanken geraten. Hatten sie unter früheren TV-Produktionsbedingungen vor allem von den Tantiemen und Einnahmen durch Wiederausstrahlung profitiert, weigerten sich die Tech-Unternehmen bis zur Unterzeichnung des neuen Vertragswerks, Zuschauerzahlen und ähnliche Metriken mitzuteilen.

Zudem hat sich in Streamingzeiten die Anzahl von Episoden pro Staffel enorm reduziert. Besaßen Zugpferde der großen Networks früher Episodenzahlen von 26 und mehr pro Staffel, beschränkt sich die Anzahl heute häufig auf zehn, acht oder sogar nur sechs Episoden pro Staffel – für Drehbuchautoren und deren Lebensunterhalt zunehmend ein Problem. Auch bei der Besetzung der Writers’ Rooms drückten die Streamer die Preise und beschränkten die Mitarbeiterzahlen. Zuletzt war es immer seltener der Fall, dass Autoren bei Dreharbeiten vor Ort sein konnten. Ein Problem, gerade für die Praxis angehender Showrunner, die drohten, das Handwerk nicht zu erlernen.

Die rasante Entwicklung im Bereich KI wurde schließlich zu einem bestimmenden Thema des Streiks. Studios und Streamingdienste spielen dabei weniger mit dem Gedanken, Autoren gänzlich abzuschaffen und durch Künstliche Intelligenz zu ersetzen, als mit der Idee, bestimmte Vorarbeiten des Drehbuchschreibens der KI anzuvertrauen, um die Arbeit schließlich von menschlichen Autoren perfektionieren zu lassen. Das aktuell vorliegende Vertragswerk setzt jedoch auch einem solchen Einsatz klare Grenzen. Der Absatz zum Themenpunkt „Generative Künstliche Intelligenz“ hält fest, dass es sich bei von KI generierten Texten nicht um das Werk einer Person oder eines Autors handeln kann. Entsprechende Vorlagen müssen von Studios gegenüber beauftragten Autoren als solche gekennzeichnet werden. KI kann keinen „Writer Credit“ beanspruchen, entsprechend keine Urheberschaft. Das Zuvorkommen der Studios an diesem Punkt dürfte wohl auch mit einem US-Richterspruch aus dem August im Zusammenhang stehen, der klar festhält, dass auf KI-erzeugte Kunst grundsätzlich kein Urheberrecht beansprucht werden kann.

Über Monate bewegte sich nichts im Streik (© IMAGO / Pacific Press Agency)
Über Monate bewegte sich nichts im Streik (© IMAGO / Pacific Press Agency)


Von der Solidarität der Streikenden überrascht

Die Verlautbarung der AMPTP hinsichtlich der Einigung mit der WGA fiel äußerst schmallippig aus: „Die WGA und die AMPTP haben eine vorläufige Einigung erzielt“, hieß es im Pressebereich der AMPTP dazu lediglich. Zu Beginn des Streiks zeigten sich einzelne Vertreter der Vereinigung noch optimistisch, dass der Streik der Autoren nicht allzu lange währen würde. Zitate von Studio-Vertretern, die besagten, dass die Drehbuchautoren schon einlenken würden, wenn sie erst begännen, ihre Häuser zu verlieren, machten in Hollywood die Runde und sorgten für Empörung. Mit der anhaltenden Solidarität der Streikenden untereinander hatten die Studiobosse offenbar nicht gerechnet. So erfuhren Talkshow-Moderatoren wie Bill Maher und Drew Barrymore heftigen Gegenwind, als sie in derselben Woche bekanntgaben, dass ihre Talkshows wieder auf Sendung gehen würden – ohne geschriebenes Material, das für gewöhnlich Autoren zuliefern. Der Protest gegen die – aus Sicht der WGA – Streikbrecher fiel so eindeutig aus, dass beide Moderatoren kleinmütig zurückruderten.

Es war wohl diese demonstrierte Geschlossenheit der Reihen, die auf Seite der Studios und Streamer schließlich zu weitreichenden Zugeständnissen führte. Diese sehen nun eine Erhöhung der Mindesthonorare sowie eine Gewinnbeteiligung im Erfolgsfall vor. Dafür verpflichten sich die Streamingdienste, Informationen über ihre Zuschauerzahlen in Zukunft mit der WGA zu teilen, nicht aber mit der Öffentlichkeit. Ob eine solche teilweise Datentransparenz im notorisch gesprächigen Hollywood durchzuhalten sein wird, daran dürften Zweifel bestehen.

Unter dem Strich kann die WGA das noch vorläufige Vertragswerk als vollen Erfolg verbuchen, kam die AMPTP doch sämtlichen Forderungen der Autoren nach. Auf einem ganz anderen Blatt jedoch steht die Frage nach den mittel- und langfristigen Erfolgsaussichten des Modells Streaming, das zuletzt viel mehr Drehbuchautoren Aufträge verschaffte als in den guten alten TV-Tagen. Nach Jahren des durch Investorengelder ermöglichten Wachstums geraten die Abonnentenmodelle zusehends an ihre Grenze. Das verdonnert die Studios zum Sparen. Zuletzt wurden auch zahlreiche erfolgreich laufende Showformate gecancelt. Unter den neuverhandelten Arbeitsbedingungen steigen die Kosten derweil weiter. Für Zuschauer bedeutet das zweierlei: Die Zahl der produzierten Serien und Filme dürfte abnehmen. Die aktuell maue Herbstsaison – traditionell Zeitpunkt vieler hochkarätiger Produktionen – gibt davon schon einen Eindruck.

Von Ausdauer und Solidarität der Streikenden wurden die Studios überrascht (© IMAGO / ZUMA Wire)
Von Ausdauer und Solidarität der Streikenden wurden die Studios überrascht (© IMAGO / ZUMA Wire)


Das Modell Streaming ist wenig tragfähig

Zweitens dürften die Kosten für Abonnements der Streaming-Services in kommender Zeit deutlich steigen. Auch Abo-Modelle mit Werbung werden die Dienste ihren Kunden in Zukunft schmackhaft machen wollen. Die Tage, in denen das Streaming Zuschauern mehr Inhalte für weniger Geld versprach, dürften endgültig gezählt sein. Und das nicht wegen der erstreikten Zugewinne der Autoren. Vielmehr hat der Writers und Actors Strike offenbart, wie wenig tragfähig das Modell Streaming tatsächlich ist, selbst der Branchenprimus Netflix ächzt unter einer milliardenschweren Schuldenlast. Längst bieten sich Unternehmen wie Amazon und Apple einen Wettbewerb um quotenverheißende Sportrechte.

Erfolgsversprechend erscheint auch die Wiederbelebung des alten in den USA bekannten Syndication-Modells. So dürften Eigenproduktionen der Streamer in Zukunft auch bei der Konkurrenz zu sehen sein. Mit der Lizensierung ihrer Titel und einer Ausstrahlung zu bestimmten Zeitfenstern versprechen sich die Unternehmen zusätzliche Einnahmen, die sich auch auf die Tantiemen-Einnahmen der Kreativen auswirken würden.

Werbeeinblendungen, Wiederholungen und Sportevents für Zuschauer und Kunden, das klingt eigentlich vertraut. Es scheint so, als würden die Verantwortlichen der Studios und Konzerne in Hollywood gerade ein altbewährtes Prinzip wiederentdecken – man nannte es einst Fernsehen.

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