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Leders Journal: Schön kurzgeschlossen

Leders Journal (XXV): „Kurzschluss“ und „Der zweite Kurzschluss“ mit Anke Engelke und Matthias Brandt im Ersten

Veröffentlicht am
16. Januar 2024
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Mit Sequels ist es so eine Sache, oft sind sie eine Enttäuschung. Der ARD gelang zum Jahreswechsel jedoch ein kleiner Coup: nachdem der Sender 2022 mit dem rund 30-minütigen „Kurzschluss“ geglänzt hätte, legte er 2023 mit „Der zweite Kurzschluss“ auf selbem Niveau nach – auch dank der vortrefflichen Hauptdarsteller Anke Engelke und Matthias Brandt. Beide Filme sind noch bis Anfang Februar in der ARD-Mediathek verfügbar.


Ende 2022 überraschte das Erste Programm die Zuschauerinnen und Zuschauer mit einem kleinen Fernsehfilm, der im Reigen schaler Live-Events und müder Wiederholungen auffiel. „Kurzschluss“ von Erik Haffner (Regie) und Claudius Pläging sowie Max Bierhals (Buch) entpuppte sich als die filmische Erzählung eines besonderen Ereignisses. Dem Zufall und eigenem Ungeschick verdanken es die – mutmaßlich: grüne – Bürgermeisterin einer rheinischen Kleinstadt und der E-Commerce-Unternehmer aus Berlin, dass sie die letzten Minuten vor dem Jahreswechsel im Raum einer Sparkasse verbringen müssen. Beim Versuch, eine festsitzende Bankkarte aus dem Geldautomaten zu lösen, hatten sie die titelgebende Elektro-Reaktion ausgelöst, die die Ausgangstür versperrte.


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Nun sitzen die beiden, die auf den ersten Blick nichts außer Abneigung miteinander verbindet, fest. Ihre immer absurderen Versuche, aus dem vollverglasten Raum zu gelangen, scheitern und legen langsam, aber sicher den Raum in Trümmer. Bei den zögerlichen Gesprächsversuchen stellen sie fest, dass sie einst in dieselbe Schule gingen. Und so identifizieren sie sich nach einigem Zögern und voller Verblüffung mit den Spitznamen, mit denen sie damals bezeichnet wurden: „Busen-Jenny“ und „Doofmann“. Gleichzeitig entdecken sie, dass sie beide hinter der jeweiligen Fassade des politischen und wirtschaftlichen Erfolgs ein eher tristes Leben verbergen. Das bringt sie einander näher, sodass sie beschließen, miteinander in Kontakt zu bleiben, als ein veritabler Crash sie aus ihrer misslichen Lage befreit.


Anke Engelke und Mathias Brandt glänzen

Das war so gut geschrieben wie mit vielen kleinen visuellen Gags gut inszeniert. Der Film gewann aber vor allem durch seine Darsteller: Anke Engelke als Politikerin und Matthias Brandt als Unternehmer brillierten mit leisen Untertönen ihrer sprachlichen Selbstbehauptung und lebten zudem ihre Emotionen in Wut und Sarkasmus aus. Man spürte förmlich, wie sehr den beiden das Spiel miteinander Spaß bereitete, und dass sie vermutlich eigene Generationserfahrungen in die Dialoge einbrachten. Und die kurze Form von 29 Minuten bewies einmal mehr, dass nicht alles abendfüllend erzählt werden muss.

Wer das damals sah, mag ein gewisses Unbehagen beschlichen haben, als die ARD ankündigte, man würde im Ersten Programm ein Jahr später eine Fortsetzung mit dem logischen Titel „Der zweite Kurzschluss“ ausstrahlen. Das könnte doch nur ein zweiter Aufguss einer schönen, aber eben auch einmaligen Idee werden. Wer dann diesen Film, den diesmal Michael Binz nach dem Drehbuch von Claudius Pläging inszeniert hat, sah, wurde positiv überraschte.

Zwar erscheint die Idee, nach der diesmal das bekannte Paar in einem Raum eingesperrt verbringt, noch weiter hergeholt als beim ersten Mal. Diesmal stranden die beiden im Raum des Gerätewartes einer Turnhalle, in der die große Silvesterfeier der Kleinstadt stattfindet; diesmal sperren sie sich selbst ein, um Nachstellungen von Gästen zu entgehen. Dass man ihnen erst mit Worten, dann auch mit körperlicher Gewalt signalisiert, dass sie bei der Veranstaltung unerwünscht seien, ist auch eine Folge der Politik, die einst die Bürgermeisterin verantwortet hatte. Und obgleich sie ihr Amt verlor, ist sie Hassobjekt geblieben. Wie eine angeblich gute Gesinnung von Bürgerinnen und Bürgern eskalieren kann, zeigt der Film gleichsam nebenbei.

Ob des Amtsverlustes ist die Frau ebenso unglücklich wie der Unternehmer, der eher müde von den Umsatzsteigerungen seiner Firma berichtet. Sie sagt mehr sich selbst als anderen: „Ich prüfe derzeit meine Angebote und werde in Zukunft stärker auf meine Work-Life-Balance achten.“ Und er behauptet, seine Firma habe nun „erfolgreich KI implementiert“. Sprüche, die sie sich selbst nicht glauben und die sich nun als das herausstellen, was sie sind: Selbstlügen der besonders geschwätzigen Art. Wie sie das überwinden und wie sie zu einer Zwiesprache finden, in der sie einander ihre Lebensprobleme darlegen können, ist ebenso leicht inszeniert und bis in die Details kleiner Gesten von Engelke und Brandt souverän gespielt. Auch diesmal waltet eine von Melancholie umflorte Komik, die bestens zum Jahreswechsel passte.

Klar kommen sie diesmal einander näher als beim ersten Mal. Aber am Ende trennen sie sich denn doch, um sich vage zu verabreden: „Dann sehen wir uns in einem Jahr wieder!“ Eine Verabredung, auf die sich sicher viele gerne einlassen werden.


Hier geht es zu „Kurzschluss“ in der ARD-Mediathek

Hier geht es zu „Der zweite Kurzschluss“ in der ARD-Mediathek

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