Double Happiness

- | Kanada 1994 | 90 Minuten

Regie: Mina Shum

Die Abnabelungsgeschichte einer jungen Chinesin im kanadischen Vancouver: Entgegen den traditionellen bzw. konservativen Wertvorstellungen ihrer Eltern strebt die Tochter eine Laufbahn als Schauspielerin an und geht zudem eine ernsthafte Beziehung mit einem nichtchinesischen Anglistikstudenten ein. Eine Zeitlang gelingt es ihr, ein Doppelleben zu inszenieren; die Ereignisse drängen jedoch auf eine schmerzhafte Entscheidung. Erfrischendes Spielfilmdebüt über universelle Generationskonflikte, fast heiter, ohne je ins oberflächlich Komödiantische abzugleiten. Ein völlig unprätentiöses Plädoyer für Toleranz, mit viel Liebe und Selbstironie erzählt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DOUBLE HAPPINESS
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
First Generation/Telefilm Canada/The National Film Board of Canada/Pacific Centre/B.C. Films/New Views
Regie
Mina Shum
Buch
Mina Shum
Kamera
Peter Wunstorf
Musik
Shadowy Men on a Shadowy Planet
Schnitt
Alison Grace
Darsteller
Sandra Oh (Jade Li) · Alannah Ong (Mutter Li) · Stephen Hedyges (Vater Li) · Frances You (Schwester Pearl Li) · Johnny Mah (Andrew Chau)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Diskussion
Die Abnabelung vom Elternhaus gehört zu jenen Erfahrungen, die einem niemand abnehmen, die man wiederum den eigenen Kindern nicht ersparen kann. Es handelt sich dabei ohne Zweifel um einen gleichzeitig elementaren wie höchst individuellen Prozeß, um eine Passage zwischen zwei grundverschiedenen Erfahrungswelten. Kurzzeitig fühlt man sich als Heranwachsender in beiden Sphären zugleich heimisch, im besten Falle kann dieser Zustand auch "doppeltes Glück" bedeuten. Womit der Titel des vorliegenden Films sehr treffend sein Thema umschreibt. Obwohl die Protagonisten von "Double Happiness" ein höchst exotisches Umfeld bevölkern, hat man es mit chinesischen Einwanderern im kanadischen Vancouver zu tun, erweisen sich die dargestellten Konflikte und Glücksmomente sofort als nachvollziehbar. Dies liegt zum einen an deren Universalität, zum anderen an der überaus sympathischen Inszenierung und Darstellung.

Jade ist Anfang 20, lebt mit ihren Eltern und einer kleineren Schwester im typischen Reihenhaus. Jade möchte Schauspielerin werden, hat es bisher aber nur zu unerheblicher Komparserie gebracht. Und: Aus ihrer flüchtigen Begegnung mit Mark, einem "nichtchinesischen" Anglistikstudenten, entwickelt sich nach und nach eine ernsthafte Beziehung. Zwei handfeste Konflikte mit Jades Eltern sind somit vorprogrammiert - denn diese sähen ihre Tochter natürlich viel lieber bei der Ausübung eines "richtigen Berufes" und an der Seite eines wohlhabenden Chinesen sowieso. Eine Zeitlang gelingt es der unverzagten jungen Frau, ein Doppelleben zu inszenieren. Sie trifft sich mit Mark und betreibt beharrlich ihre Schauspielerkarriere, mimt aber parallel dazu das brave Mädchen, das dem Vater Tee in dessen Lieblingstasse kredenzt, das sich zu nervenden Verabredungen mit elterlichen Wunschpartnern einläßt oder das auf Familienfeiern auch kantonesisch sprechen kann, um der Verwandtschaft sein Traditionsbewußtsein zu beweisen. Als ein Bruder des Vaters aus Hongkong zu Besuch eintrifft, werden die Widersprüche zwischen den beiden bis dahin strikt getrennten Welten deutlicher. Es stellt sich heraus, daß Jades älterer Bruder in Ungnade gefallen ist und das Elternhaus verlassen hat, daß gegenüber dem Onkel jedoch behauptet wird, der abwesende Bruder sei ein erfolgreicher Geschäftsmann, der leider momentan keine Zeit habe. Der Onkel gesteht im Gegenzug seiner Nichte in einer schwachen Stunde die offizielle Unmöglichkeit der eigenen Lebensumstände: er hat seine ehemalige, um viele Jahre jüngere Haushälterin geheiratet, verschweigt aber diesen Umstand Jades Vater. Dieser sei schließlich immer so überaus streng mit sich selbst gewesen. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu den Eltern und dem Wunsch nach selbstbestimmter Entwicklung vermag es Jade schließlich, sich für ihre Unabhängigkeit zu entscheiden.

Min Shum hat in ihrem ersten Langfilm offenbar eine sehr persönliche Geschichte erzählt. Selbst noch in Hongkong geboren, siedelte sie mit ihren Eltern als Kind nach Kanada über, setzte später ihre künstlerischen Ambitionen gegen den Widerstand der traditionalistischen Eltern durch. Ihr Film bedient sich nicht jener Drastik, die man aus vielen, thematisch ähnlich gelagerten Filmen kennt. Im Gegenteil: "Double Happiness" kommt geradezu heiter daher, läuft dabei aber nie Gefahr, ins oberflächlich Komödiantische abzugleiten. Mit viel Selbstironie zeichnet die Regisseurin das Milieu ihrer Herkunft, spielt mit den landläufigen Klischees; immer wird viel gekocht und gegessen, auf Familienfeiern turnen zahllose Kinder durch die Szene, man hält viel auf Etikette, ist extrem sparsam, wohlstandsgläubig, konservativ, patriarchalisch usw. usf. Einer solchen Atmosphäre entfliehen zu wollen, dies aber keineswegs leichten Herzens tun zu können, ist als schmerzhafter Zwiespalt glaubhaft umgesetzt worden. Die ewige Wiederkehr dieses Risses durch die Generationen erfährt mit der Durchleuchtung einer konkreten Familiengeschichte unaufdringliche Darstellung. "Double Happiness" ist ein völlig unprätentiöses Plädoyer für Toleranz, eine erfrischende Argumentation für gegenseitige Nachsicht. Am besten mit den eigenen Kindern bzw. Eltern ansehen!
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