Wag the Dog - Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt

Komödie | USA 1997 | 97 Minuten

Regie: Barry Levinson

Um von einer Sexaffäre des amerikanischen Präsidenten abzulenken, inszeniert ein dubioser Berater mit Hilfe eines Filmproduzenten elf Tage vor der erhofften Wiederwahl einen Krieg mit Albanien, der die Medien auf Trab hält und von den eigentlichen Problemen ablenkt. Eine sehr vergnügliche schwarze Komödie, die sich mit der Macht der Medien und der Manipulierbarkeit der Öffentlichkeit auseinandersetzt, deren fiktionaler Gehalt von der Realität eingeholt wurde. Getragen von guten Darstellern, regt der Film zum Nachdenken über die Machtmechanismen der Gegenwart und eine noch stärker mediengesteuerte Zukunft an. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WAG THE DOG
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Tribeca/Baltimore Pictures/Punch
Regie
Barry Levinson
Buch
David Mamet · Hilary Henkin
Kamera
Robert Richardson
Musik
Mark Knopfler · Willie Nelson
Schnitt
Stu Linder
Darsteller
Robert De Niro (Conrad Brean) · Dustin Hoffman (Stanley Motss) · Anne Heche (Winifred Ames) · Woody Harrelson (Sgt. William Schuman) · Denis Leary (Fad King)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Die Extras des USA-Imports umfassen im Gegensatz zur deutschen DVD u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und des Hauptdartstellers Dustin Hoffman.

Verleih DVD
Concorde (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.), USA Import: New Line Studios (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl.)
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Diskussion
„Wedel den Hund“ bedeutet der enigmatische Titel des Films, denn „wenn der Schwanz cleverer als der Hund wäre, würde er mit ihm wedeln“. Um umgekehrte Verhältnisse geht es also, um eine auf den Kopf gestellte Welt. Es geht um Macht und die Frage, wer letztlich am längeren Hebel sitzt, wer der Realität seine eigene Wirklichkeit diktieren darf. Als Barry Levinsons Projekt Anfang 1997 in Angriff genommen und in nur 29 Drehtagen realisiert wurde, mag den meisten Beteiligten die Geschichte wie ein zynisches Planspiel mit einem ahnungsvollen Blick hinter die Kulissen der politischen Macht vorgekommen sein. Knapp ein Jahr später, angesichts der Sexaffäre um US-Präsident Clinton und des drohenden Irak-Konflikts, haben sich Wirklichkeit und Fiktion zu eben jener Melange verbunden, die in „Wag the Dog“ lustvoll angeprangert und vorgeführt wird.

Elf Tage vor der Wiederwahl steckt der amerikanische Präsident in der Klemme. Eine Affäre mit einer Schülerin – ihm wird ein dreiminütiges Tête-à-tête in Oval Office nachgesagt, sorgt für Schlagzeilen und mindert seine Chancen. Der Krisenstab ist wie gelähmt, doch als Conrad Brean zum Berater der Mannschaft berufen wird, ändert sich die Sachlage ebenso wie die Stimmung im Präsidentenlager. Zeitgewinn und Ablenkung sind nötig, und was würde besser von den kleinen Schmuddelgeschichten ablenken als eine wirklich schmutzige Geschichte: ein Krieg etwa. Brean ist in seinem Element, erfindet einen geheimnisvollen B-3-Bomber, eine albanische Kofferatombombe, eine albanische Kommandoeinheit in Kanada, die es auf Washington abgesehen hat. Geschickt werden die Meldungen an die nachrichtenlüsternen Medien lanciert, und angesichts solch existenzbedrohener Lage hat der Präsident natürlich Besseres zu tun, als der Öffentlichkeit über Sexaffären Rede und Antwort zu stehen. Er, der über die ganze Geschichte telefonisch auf dem Laufenden gehalten wird, erklärt Albanien den Krieg. Doch ein Krieg ohne Bilder ist seit dem Golfkrieg undenkbar, und so geht Breans Plan in die zweite Phase. Mit Stanley Motss ist rasch ein ebenso hilfsbereiter wie von sich eingenommener Hollywood-Produzent gefunden, der eine Medienkampagne entwickelt und die ersten Bilder eines vor dem mordenen Mob fliehenden albanischen Mädchens nebst Kätzchen liefert. Winifred Ames, die Präsidentenberaterin, die dem Ränkespiel anfänglich verständnislos gegenüberstand, kommt nun auf den Geschmack, und die drei Verschwörer wittern, daß sie in der Lage sind, Weltgeschichte zu schreiben, ohne daß überhaupt etwas passiert wäre. Der Haken ist allerdings, daß die CIA den Krieg wenige Tage vor der Präsidentenwahl für beendet erklärt und nun wieder die lästigen Fragen auf den Spickzetteln der Journalisten stehen. Die Geschichte scheint verfahren, aber nicht aussichtslos, wenn man Motss an seiner Seite weiß. Der legt nach, erfindet einen hinter den feindlichen Linien versprengten Kriegshelden, setzt dessen Befreiung medienwirksam in Szene und will die Ankunft des Helden als nationales Schauspiel inszenieren. Fast würde die Realität dem Spektakel einen Strich durch die Rechnung machen, doch da stellt sich einmal mehr heraus, daß der beste Held ein toter Held ist. Ende gut, alles gut – wäre da nicht die Geltungssucht des Produzenten, der endlich einmal so etwas wie den „Oscar“ gewinnen will.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob der Film oder die Clinton-Affäre zuerst da war. Ein glücklicher oder unglücklicher Zufall, je nach Betrachtungsweise, hat die beiden Ereignisse zusammengeführt, und doch ist nicht von der Hand zu weisen, daß in der Postproduktionsphase die Fiktion von der Wirklichkeit inspiriert wurde. Aber eigentlich geht es in dem sarkastischen Spiel um den Zynismus der Medien und eine nachrichtengläubige Öffentlichkeit, um Manipulierbarkeit der Realität und deren Vermittlung durch unkontrollierbar gewordene Mediennetzwerke. Selbst der vorgeblich mächtigste Mann der Welt ist vor diesem weltumspannenden Hintergrund nur ein kleines Licht. So ist nicht verwunderlich, daß Oberstratege Brean (wunderbar abgebrüht gespielt von Robert De Niro) immer wieder die Erinnerung an den Golfkrieg heraufbeschwört, der als erster Krieg rund um die Uhr weltweit übertragen wurde – freilich erst nach Freigabe der Bilder durch das Pentagon, quasi als Planspiel der Militärs. Wenn sich zu diesem zynisch-ideologischen Hintergrund technisches Know-how gesellt, dann ist alles mach- und vermittelbar, so die zum Nachdenken anregende Botschaft. Wie Bilder manipuliert und Realitäten hergestellt werden können, dazu liefert „Wag the Dog“ anschauliche Bespiele. Da wird aus einem leeren, blauen Studio eine albanische Trümmerlandschaft, deren Dramatik per Computer gesteigert werden kann, und die Kartoffelchip-Tüte in den Händen einer Schauspielerin wird zum verstörten Kätzchen. Eine (Schein-)Welt von Gnaden eines ebenso infantilen wie machtbesessenen Impresarios, den Dustin Hoffman überzeugend als einerseits lächerlichen, andererseits genialen Zeremonienmeister darstellt. Trotz aller Pluspunkte, die den Film auszeichnen – die Darsteller, die zum Teil furiose Inszenierung, die elegante Kameraführung – , kann der Film aber nicht halten, was er verspricht. Am Ende scheint es, als wäre er selbst seiner Überfülle an Gags und Einfällen müde geworden, die Inszenierung verliert an Tempo, der Schluß wirkt ein wenig abgehackt, bewußt kurz gehalten. Dennoch bietet Levinson intelligente Unterhaltung, die mit ihrem schwarzen Humor immer wieder darauf hinweist, wer die eigentliche Macht in unserem „globalen Dorf“ hat und wie eine vollends mediengesteuerte Zukunft aussehen könnte, wenn die richtigen/falschen Interessen zusammenfinden.
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