Kinderfilm | Deutschland 1998 | 88 Minuten

Regie: René Heisig

Ein an Leukämie erkrankter zehnjähriger Junge flüchtet vor einem erneuten Krankenhausaufenthalt und begleitet seinen LKW fahrenden Vater auf einem Transport nach Spanien. Auf der Reise kommen sich der Sohn und sein Vater, der die Familie vor Jahren verlassen hatte, langsam wieder näher und geben sich gegenseitig die Kraft, mit dem ungewissen Schicksal des Kindes fertig zu werden. Ein ausgesprochen sympathischer Kinderfilm, der das in der Geschichte steckende Potenzial zwar inszenatorisch und schauspielerisch nicht ausschöpft, aber gerade jungen Zuschauern ein ernstes Thema ohne falsche Sentimentalität näher zu bringen vermag. - Ab 8.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Avista Film/arte/BR/SWF/HFFM
Regie
René Heisig
Buch
René Heisig
Kamera
Fritz Seemann
Musik
Fury in the Slaughterhouse
Schnitt
Melanie Werwie
Darsteller
Niccolo Casagrande (Paul) · Peter Lohmeyer (Michael) · Annett Kruschke (Barbara) · Nathalie Cellier (Charlotte) · Maja Felicia Feurich (Julie)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8.
Genre
Kinderfilm | Road Movie
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
In einer Zeit, in der viele junge deutsche Regisseure mit Komödien unfreiwillig beweisen, daß sie das filmische Handwerk noch nicht beherrschen, nötigt es Respekt und Sympathie ab, wenn sich jemand mit seinem Spielfilmdebüt an ein Genre wagt, das hierzulande nicht allzu ernst genommen wird, weil sich mit ihm weder die schnelle Mark noch sonderliche Reputation verbindet: an den Kinderfilm. Nicht, daß Kinder nicht das Beste verdient hätten, so verzeiht man einem Kinderfilm-Erstling doch eher die kleinen (Anfänger-)Schwächen, weil man weiß, daß die Zielgruppe sich eher über die Identifikation mit dem Thema bzw. über die Hauptfigur fesseln läßt als sich nur durch formale Brillanz blenden zu lassen. So entspringt die vom frischgebackenen Münchner Filmhochschulabsolventen René Heisig erdachte und umgesetzte Geschichte auch manch kindlicher Erfahrungswelt: Der zehnjährige Paul lebt bei seiner Mutter Barbara, nachdem sich Vater Michael vor vier Jahren aus dem Staub machte, weil er der familiären Belastung durch die Leukämie-Erkrankung seines Sohnes nicht mehr gewachsen war. Seitdem meldet sich der Vater, der sich als selbständiger LKW-Unternehmer mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt, nur noch sporadisch. Als die Krankheit wieder ausbricht und Paul ins Krankenhaus soll, flüchtet er zu seinem Vater und versteckt sich in der Kabine von dessen LKW. Michael, gerade unterwegs nach Spanien, entdeckt den blinden Passagier erst in Frankreich; da hat seine verzweifelte Ex-Frau schon längst eine Vermißtenanzeige aufgegeben. Nach Rücksprache mit ihr setzt Michael Paul in den Zug, holt ihn im nächsten Bahnhof aber wieder aus dem Abteil, weil ihn das schlechte Gewissen gepackt hat. Paul, der seinem Vater die erneute Erkrankung verschwiegen hat, ist einerseits glücklich über diese Entwicklung, andererseits macht er seinem Vater ständig Vorwürfe, daß er ihn immer wieder im Stich gelassen hat. Auf der durch kleine Abenteuer, Pannen und einen Besuch bei Michaels neuer Geliebter, der französischen Motel-Besitzerin Charlotte, unterbrochenen Reise kommen sich die beiden langsam näher. Paul verschweigt Michael immer noch seine neuerliche Erkrankung, offenbart seine (Todes-) Ängste nur Charlottes Cousine Julie. Er möchte auf keinen Fall nach Hause geschickt werden, ehe er das Meer gesehen hat. Als er starkes Nasenbluten bekommt und Michael der Ernst der Lage bewußt wird, entschließt er sich, Pauls Lebenswunsch zu erfüllen, ehe er ihn in ein Krankenhaus bringt. Die Stunden am Meer schweißen Vater und Sohn endgültig zusammen, und als Paul mit seiner herbeigeeilten Mutter per Rettungshubschrauber nach Deutschland zurückgeflogen wird, nimmt er eine Erinnerung mit, die ihm keiner nehmen kann, ganz gleich, wie sein weiteres Schicksal verlaufen wird.

Der offene Schluß, der weder in ein rührseliges Happy End noch eine herzzerreißende Ausweglosigkeit mündet, überträgt die Kraft und den Trost, die sich Paul und Michael gegenseitig geben, auch auf den (jungen) Zuschauer. Heisig gelingt es, einerseits vom „natürlichen“ Umgang mit einer vielleicht tödlich endenden Krankheit zu erzählen, der den betroffenen Kindern offensichtlich leichter zu fallen scheint als den Erwachsenen; andererseits benutzt er diese Folie, um auf ihr ein klassisches Raod Movie mit einer „Sohn-sucht-Vater“-Geschichte zu transportieren. Das funktioniert letztlich nur ansatzweise, weil dem Autor Heisig einfach zu wenig Originelles eingefallen ist, um die Geschichte über die ganze Länge interessant zu gestalten. Zudem standen dem Regisseur Heisig einfach zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung, um mehr inszenatorisches Kapital aus der Reise zu schlagen. So wirkt besonders die Fahrt durch Frankreich wie ein recht biederer Touristik-Film, der die Personen und ihre Gefühle in keinen rechten Zusammenhang mit der Landschaft bringt. Beides wirkt wie getrennt aufgenommen und verbindet sich nie zu den formalen wie emotionalen Qualitäten eines Road Movie. Manche Auseinandersetzung zwischen Paul und seinem Vater kommt allzu pädagogisch daher, etwa Michaels „Selbstbezichtigung“ an der Tankstelle, als er den Rückfall des Sohnes erkennt. Ob Heisig mit der Führung des noch unerfahrenen Niccolo Casagrande überfordert oder ob für diesen die Rolle noch zu groß war, läßt sich schwer ausmachen. Auf jeden Fall verdichtet das teilweise hölzerne Spiel des jungen Hauptdarstellers nicht gerade die Chemie zwischen ihm und seinem Filmvater Peter Lohmeyer, der trotz Routine einen doch etwas zu braven „König der Landstraße“ abgibt. Die finanziellen Mittel der beteiligten Fernsehanstalten und Filmförderungsanstalten reichen letztlich für einen ausgesprochen sympathischen Kinderfilm, verhindern aber durch das „Gießkannen-Prinzip“ den Wurf zu einem wirklich großen Familienfilm, der sich aus dem Stoff hätte durchaus entwickeln lassen.
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