Samurai Fiction

- | Japan 1998 | 111 Minuten

Regie: Hiroyuki Nakano

Japan, Ende des 17. Jahrhunderts: Ein Wächter der Schätze eines Clans stiehlt das wertvolle Schwert des Shogun. Der Sohn eines Clan-Beamten heftet sich an die Fersen des Diebes, wird aber überwältigt und im letzten Moment von einem Samurai gerettet, der dem Kämpfen abgeschworen hat. Begleitet von dessen Tochter, bereitet sich der Rächer, ebenso wie der Dieb, auf das entscheidende Duell vor. Auf dem Handlungsgerüst einer klassischen Samurai-Geschichte aufbauend und mit entsprechenden schwarz-weißen Bildern ausgestattet, bricht der Film nicht nur diese Tradition auf, indem er die Tragödie mit komödiantischen Elementen versetzt; mit derselben stilistischen Raffinesse schlägt er auch eine Brücke zur heutigen, von Musikvideos beeinflussten Bildersprache und kombiniert diese mit zeitgenössischer Popmusik. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
SAMURAI FICTION
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Samurai Fiction Production Committee
Regie
Hiroyuki Nakano
Buch
Hiroshi Saito
Kamera
Yujiro Yajima
Musik
Tomoyasu Hotei
Schnitt
Kiyoharu Miyazaki · Hiroyuki Nakano
Darsteller
Mitsuru Fukikoshi (Heishiro Inukai) · Tomoyasu Hotei (Rannosuke Kazamatsuri) · Morio Kazama (Hanbei Mizoguchi) · Tamaki Ogawa (Koharu) · Mari Natsuki (Okatsu)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
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Heimkino

Verleih DVD
REM (1.85:1, DD5.1 jap./dt.)
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Diskussion
„Das bin ich vor 300 Jahren“ , sagt eine Erzählstimme zu Beginn. Zu sehen ist dazu in schwarz-weißen Bildern ein junger Samurai, der sich durch einen düsteren Bambuswald schlägt. Auf visueller Ebene ist es ein Auftakt nach Art der klassischen Samurai-Filme Japans, während die leichthin geschlagene Brücke zur Gegenwart bereits auf die Modernisierung von Erzähl- und Sichtweise hinweist – eine Zweigleisigkeit, die den gesamten Film kennzeichnet. Heishiro, der junge Samurai, ist ein Heißsporn, ganz anders als sein Vater, der Oberste Rat des Clans, der sich am beschaulichen Leben eines im Käfig gehaltenen Singvogels ein Beispiel nimmt. Als ein Samurai, der eigentlich die Schätze des Clans bewachen soll, das Schwert des Shogun stiehlt, hält es Heishiro für seine Pflicht, das wertvolle Stück wiederzubringen und den Dieb zu töten. Dies aber droht ein Problem zu werden, denn Kazamatsu, der Dieb, gilt als unbezwingbar. Als Heishiro ihn stellen will, überlebt er, anders als seine zwei Begleiter, nur, weil sich in letzter Minute ein weiterer, ein ehemaliger Samurai zwischen die beiden stellt. Da dieser aber dem Kämpfen abgeschworen hat, beendet er das Duell mit bloßen Händen – was den Dieb sichtlich beeindruckt. Der friedliebende Samurai nimmt den verletzten Heishiro mit nach Hause, rät ihm, es anstelle des Fechtens lieber mit dem Steinewerfen zu versuchen, und hat außerdem eine junge, hübsche Tochter zu bieten, die sich in Heishiro verliebt. Der Dieb läßt es sich derweil in einem Freudenhaus gut gehen. Beide, Heishiro und Kazamatsu, sehnen das entscheidende Duell herbei, doch der Dieb will es lieber mit dem Samurai im Ruhestand austragen.

Kunterbunt gehen die Genres und Bildsprachen ineinander über. Während sich das Handlungsgerüst samt der Bilder, die es konstituieren, an den klassischen Samurai-Epen orientiert, getragen von langen und streng komponierten Totalen, kommen Motive ins Spiel, die vom Bruch mit jenen Traditionen erzählen, sowie parodistische Elemente, die die Tragödie zugunsten einer Komödie abwenden. Eine dekonstruktivistische Methode, die Regisseur Hiroyuki Nakano an drei Namen seiner Kollegen festmacht, die für eben diese Kinostränge stehen: Kurosawa, Mizoguchi und Suzuki. Um es dem Betrachter besonders einfach zu machen, benennt er gleich auch drei seiner Figuren nach ihnen: zwei von Heishiros Begleitern sowie den friedliebenden Samurai, der seinerseits eher eine Reminiszenz an den Spätwestern darstellt. Doch für Nakano ist Filmgeschichte ebenso ein Teil der Populärkultur wie Rock’n’Roll. Zum inhaltlichen Bruch mit der traditionellen Rachegeschichte kommt ein visueller, bei dem sich Nakanos Bildpalette vorwiegend aus dessen bisheriger Tätigkeit als Regisseur von Musikvideos speist. Das Multitalent hat einst den legendären Dee-Lite-Clip zu „Groove is in the Heart“ inszeniert und tummelt sich darüber hinaus im japanischen Fernsehen ebenso wie im Internet, wobei „Samurai Fiction“ erst der Auftakt einer Reihe von 140 (!) Episoden mit den Initialen „SF“ sein soll. In „Samurai Fiction“ sind selbst extreme Kameraperspektiven wie Aufsichten und Makroaufnahmen, beschleunigte Schnittfolgen, das Aufflackern von Viragen sowie Tanzeinlagen derart kunstvoll in den Handlungsablauf eingefügt, daß der Unterhaltungswert nicht zugunsten einer Bewußtwerdung stilistischer Spielereien verlorengeht.

Noch drastischer als die verschiedenen Bildebenen prallen Bilder und Musik aufeinander, wenn die Schwertkämpfe der Samurai mit einer handfesten Hardrockgitarre (im 80er-Jahre-Stil) unterlegt werden. Als Mittler zwischen beiden Welten fungiert Tomoyasu Hotei, einer der bekanntesten Gitarrenhelden Japans, der nicht nur den gefallenen Samurai Kazamatsu spielt, sondern auch den Soundtrack des Films einspielte. Eine Meta-Stilistik, die ebenso wie der Filmtitel auf Tarantino verweist; doch diese Referenz überbewerten hieße, von der Eigenständigkeit von Nakanos Experiment abzulenken. Als gelungene Synthese aus ambitioniertem Kino und Mainstream-tauglicher Popmusik destilliert „Samurai Fiction“ seinerseits zu reinem Pop, der sowohl die zeitgenössische Forderung nach komplexen Bezugssystemen bedient als auch den Wunsch nach humorvoller Unterhaltung.
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