Lucky People Center International

- | Schweden 1998 | 81 Minuten

Regie: Erik Pauser

Der Versuch einer filmischen Bestandsaufnahme der "mystischen und ekstatischen Kulturtechniken der Welt" zur Jahrtausendwende. In verschiedenen Kontinenten geführte Interviews mit Vertretern verschiedener Religionen, mit Künstlern und Zivilisationsaussteigern werden als Collage präsentiert. Zwar beweisen die Filmemacher eine glückliche Hand bei der Auswahl ihrer Gesprächspartner; mit der filmischen Aufarbeitung der Begegnungen aber bleiben sie künstlerisch wie intellektuell überfordert. Stattdessen gerät der Film zum überlangen Videoclip mit elektronischer Musik, deren pulsierendem Rhythmus die (teilweise willkürlich zerhackten) Gesprächsfetzen zusehends untergeordnet werden. (O.m.d.U.) - Ab 16 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
LUCKY PEOPLE CENTER INTERNATIONAL
Produktionsland
Schweden
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Memfis Film
Regie
Erik Pauser · Johan Söderberg
Kamera
Jan Röed
Musik
Lucky People Center
Schnitt
Erik Pauser · Johan Söderberg
Länge
81 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16 möglich.
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Diskussion
Hinter dem Logo „Lucky People Center“ verbergen sich drei schwedische und ein britischer Künstler mit interdisziplinärem Programm. Das ursprünglich aus einem Stockholmer Techno-Club hervorgegangene Projekt widmet sich der Produktion elektronischer Musik, tritt als Live-Performance-Gruppe in Erscheinung, produziert experimentelle Musikvideos und Fernseh-Features. Mit ihrem ersten langen Kinofilm „Lucky People Center International“ nimmt sich die Gruppe nichts Geringeres vor als eine Art kulturelle Bestandsaufnahme zur Jahrtausendwende. Im Zentrum steht die Frage nach einem Leben im Einklang mit der Natur, stehen mystische, spirituelle und religiöse Rituale und Überzeugungen. Eine Reise quer durch die Kontinente auf der Suche nach Bildern und Tönen, die das Verhältnis des Menschen zu sich selbst und seiner Welt zum Thema machen.

Zu den Menschen, mit denen man in den ersten Minuten konfrontiert wird, gehören ein buddhistischer Mönch, der in einer belebten Einkaufsmeile betet: ein ruhender Pol inmitten pulsierender Großstadt-Hektik und pittoresk-plakativ eingefangener, überlebensgroßer Werbetafeln; sodann ein russischer, der sich als Mitglied einer „Internationalen der Unkontrollierbaren Torpedos“ outet und die Bedrohung des Planeten verkündet; eine Voodo-Priesterin und ein schwedischer Naturforscher, der zwischen Gibbon-Affen lebt und deren Sprache – einen eigentümlichen Gesang – mit ihnen zu teilen gelernt hat. Zwischendurch friedvolle Archivbilder unseres Planeten aus dem Weltraum und ein blitzlichtartiger Sturm von Einzelbildern, bei denen es sich laut Presseheft um „den ganzen Film im Zeitraffer“ handelt. Auf der Tonebene ein durchgehender „Beat“, quasi der Herzschlag des Lebens, mal als ruhiger Puls, dann wieder als treibende Kraft einer technoartigen Sound-Collage. Bei zwei vorangegangenen gemeinsamen längeren Videoarbeiten fürs schwedische Fernsehen haben Erik Pauser und Johan Söderberg auf vorgefundenes Material, sprich auf Ausschnitte aus Fernsehbeiträgen zurückgegriffen. Eine Arbeitsweise, deren strukturelles Konzept in „Lucky People Center International“ offenbar weitergeführt wurde: eine schnelle, assoziative Bild- und Tonmontage, orientiert an ästhetischen Standards der Videoclip-Kunst. Diese Konzept funktioniert stellenweise ausgezeichnet, etwa in der Sequenz, in der ein Gebet des buddhistischen Lehrers Sogyal Rinpoche („Verlasse dich nicht auf die Persönlichkeit des Lehrers, sondern nur auf seine Botschaft ... Es geht nicht um blinden Glauben, sondern um intelligente Hingabe“) mit Bildern vom Massenselbstmord der kalifornischen „Heaven’s Gate“-Sekte konfrontiert.

Leider bleiben solche ebenso erhellenden wie widerspenstigen Konfrontationen die Ausnahme. Das eigentliche Problem des Films liegt bereits auf einer sehr grundsätzlichen Ebene: Warum überhaupt eine Reise um die ganze Welt antreten, warum all die Gespräche mit (meist hoch- interessanten) Vertretern verschiedener Religionen und Weltanschauungen, mit Zivilisationsaussteigern und „exotischen“ Künstlern, wenn deren Selbstäußerungen auf dieselbe Weise „verwurstet“ werden wie x-beliebige Ausschnitte aus irgendwelchen Fernseh-Features? (Und wenn es nur darum ginge, auf Kosten der Produzenten eine Weltreise zu unternehmen, wozu dann der ganze Überbau einer „Global-Bilanz“?) Was der Film seinen „Hauptdarstellern“ höchst selten gewährt, ist Zeit, ist Zuhören, auch wenn es in den jeweiligen Gesprächen immer wieder auch um diese Qualitäten geht. Kernige Statements vor illustren Kulissen – dieses „Konzept“ setzt sich mit zunehmender Dauer des Films immer mächtiger durch und führt zu gelegentlich haarsträubenden (Kon-)Sequenzen. Da meditiert der Navaho-Medizinmann Franklin Bearchild Eriacho über die willkürlichen Grenzziehungen der amerikanischen Mainstream-Kultur: „Rechtecke, Rechtecke. Sieh dich um! Alles ist rechteckig. Überall entstehen Grenzlinien...“ Und die Filmemacher entblöden sich nicht, seine „gesampelten“ Sätze später als akustische Versatzstücke über einen dumpfen Elektro-Beat zu legen, die ohne Zweifel rechteckigste aller aktuellen Musikformen: Spiritualität häppchenweise, verabreicht von einem Rap-Medizinmann?! (Und wer hier noch an Ironie glaubt, wird eines Besseren belehrt, wenn auch der buddhistische Lehrer und ein indischer Yogi solcherart „vorgeführt“ werden.) Pauser und Söderberg beweisen ein offenes Auge bei der Auswahl ihrer Gesprächspartner – mit der filmischen Aufarbeitung der Begegnungen sind sie künstlerisch wie intellektuell überfordert. Vielleicht erweist sich ihr Film, um eine Ecke gedacht, dann doch noch als eine Art Millenniums-Bestandsaufnahme: nicht hinsichtlich der „mystischen und ekstatischen Kulturtechniken der Welt“ (Presseheft), sondern im Blick auf Vertreter einer (Künstler-)Generation, die (im günstigeren Fall) so sehr in die Auseinandersetzung mit der medialen Kultur verstrickt sind oder (im ungünstigeren Fall) so schwer zwischen medialer Vermittlung und gelebtem Leben zu unterscheiden weiß, dass sie dem menschlichen Gegenüber nur noch wenig abzugewinnen wissen.
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