- | USA 2000 | 103 Minuten

Regie: Luis Mandoki

Eine junge Polizistin lernt einen phlegmatisch wirkenden Mann kennen, der ihr das Leben rettet, und kommt allmählich hinter sein tragisches Geheimnis. In der Auseinandersetzung mit ihm findet sie selbst Mut und Kraft, sich ihren eigenen Problemen zu stellen. Geschickt konstruiertes und erzähltes Melodram, dem es nicht um glatte Unterhaltung geht, sondern der zwei vom Schicksal gezeichnete Menschen porträtiert, die einander zur Hilfe werden. Überzeugend auch dank der guten Hauptdarsteller. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ANGEL EYES
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Angel Eyes Prod./Franchise Pic./Morgan Creek/The Canton Company
Regie
Luis Mandoki
Buch
Gerald Di Pego
Kamera
Piotr Sobocinski
Musik
Marco Beltrami
Schnitt
Gerald Greenberg
Darsteller
Jennifer Lopez (Sharon) · James Caviezel (Catch) · Jeremy Sisto (Larry Pogue) · Terrence Dashon Howard (Robby) · Sonia Braga (Josephine Pogue)
Länge
103 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Seit einer Ewigkeit, so scheint es, hat Catch keine Nacht mehr durchgeschlafen. Einem Untoten gleich streift er durch die menschenleeren Straßen Chicagos, die ihm ein zweites Zuhause sind. Trotz seiner scheinbaren Entrücktheit, entgeht dem jungen Mann nicht die geringste Unachtsamkeit der Menschen, mit denen er das Viertel teilt. Fast zwanghaft wirkt sein Verlangen, auch ungefragt anderen Menschen zu helfen und sei es auch nur durch das Abstellen eines angelassenen Autoscheinwerfers. Officer Sharon Pogues karitative Ambitionen sind da schon weit handfesterer Natur. Die energische Polizistin geht vollends in ihrem Beruf auf und nutzt den aufreibenden Einsatz-Alltag zum Abbau angestauter Aggressionen. Wenn es gilt, ihr Viertel von kriminellen Objekten zu säubern, muss sie selbst von ihren männlichen Kollegen des öfteren daran erinnert werden, nicht allzu weit über das Ziel hinauszuschießen. Bei so viel Engagement bleibt das Privatleben fast gänzlich auf der Strecke. Das kommt ihr entgegen, denn wegen diverser Misserfolge hat sie beschlossen, auf Männerbekanntschaften für absehbare Zeit zu verzichten. Chronische Familienprobleme drücken zudem massiv auf ihr angespanntes Gemüt: Seit Jahren hat sie mit ihrem Vater kein Wort mehr gesprochen. Als Teenager hatte Sharon damals die Cops zu Hilfe gerufen, als ihr Vater einmal mehr auf ihre Mutter einprügelte. Seitdem gilt sie als Nestbeschmutzer; seitdem gilt ihre Leidenschaft der Polizei. Wahrscheinlich wäre Sharon nicht mehr am Leben, hätte Catch nicht im entscheidenden Augenblick die Waffe aus der Hand eines schießwütigen Kleinkriminellen gerissen. In den Wirren einer Verfolgungsjagd war die Polizistin in einen Hinterhalt geraten und dem Angreifer wehrlos ausgeliefert. Die selbstlose Tat des introvertierten Sonderlings beeindruckt Sharon nachhaltig, sie beschließt, den Fremden noch einmal zu treffen. Schon in den ersten Minuten weicht ihr Stimmungsgemisch aus beruflicher Neugier und oberflächlicher Dankbarkeit einem seltsamen Gefühl der Faszination gegenüber einem Mann, der offensichtlich weit mehr Geheimnisse in sich birgt, als sie mit ihrer antrainierten Routine zu entschlüsseln weiß. Beide fühlen aus scheinbar unerfindlichen Gründen eine starke Anziehung zueinander. Je häufiger sie sich treffen, desto sicherer ist sich Sharon, dass in Catchs Vergangenheit die Lösung zu diesem Rätsel liegt. Spätestens seit seinen Filmen „When a Man loves Woman“ (fd 30 886) und „Message in a Bottle“ (fd 33 821) gilt der aus Mexiko stammende Regisseur Luis Mandoki in Hollywood als Experte für gefühlsüberladende Melodramen. Umso erstaunlicher ist es daher, dass er mit „Angel Eyes“ die eingefahrenen Pfade des überemotionalen Liebes-Roman-Sujets überwindet und weit dezentere Oktaven der Gefühlspartitur anschlägt. Gerald Di Pegos Drehbuch versucht, die an sich selbständigen Geschichten zweier Familientragödien zu einem Erzählstrang zu vereinigen. Da ist zunächst die vermeintlich kühle Frau, die die familiären und zwischenmenschlichen Misserfolge durch ihre Arbeit zu kompensieren versucht. Auf der anderen Seite der Mann, der die tragischen Vorkommnisse der Vergangenheit, die zum Tod seiner Frau und seines Kindes führten, völlig aus seinem Alltag verdrängt hat. Das Bindeglied beider Einzelschicksale liegt inszenatorisch bereits im Prolog verborgen: Ein Jahr vor ihrem bewussten Zusammentreffen rettet die zu der Zeit als Verkehrspolizistin arbeitende Sharon den komatösen Catch, dessen Name eigentlich Steven Lambert ist, aus einem Autowrack. Die Aufgabe des Drehbuchs ist es, das Geheimnis um Catchs gestörter Persönlichkeit peu à peu zu lüften und zugleich die Familienprobleme Sharons zu lösen. Schnell wird klar, dass die Frau zum emotionalen Katalysator für Catchs Trauma avanciert, dessen Neutralisierung die Erkenntnis eröffnet, dass er nicht Schuld am Tod seiner Familie ist und demzufolge bereit ist für eine neue (nämlich ihre) Beziehung. Das Spannende an dieser recht konventionellen und mithin vorhersehbaren Wandlung sind weniger die Ereignisse die Catch durchlebt als die Figur selbst. Nur Dank der großartigen Leistung von Jim Cavisel („Der schmale Grat“, fd 33 554) bleibt „Angel Eyes“ bis zum Ende fesselnd. Die Szene, als sich das ungleiche Paar in einen Jazzclub verirrt, Catch wie hypnotisiert zur Trompete greift und zu Duke Ellingtons „In a Sentimental Mood“ improvisiert, ist nicht nur die zentrale Szene seiner Selbstfindung, sie ist Dank Cavisels fragiler Charakterinterpretation der Höhepunkt des ganzen Films. Auch Jennifer Lopez ist für die Rolle der impulsiven Polizistin wie geschaffen. Zwar sind ihre expressiven Fähigkeiten eher beschränkt, dennoch findet man derzeit kaum eine andere Darstellerin, der man ein ebenso physisches wie verletzliches Wesen wie das der Sharon abnehmen würde. Dass „Angel Eyes“ schließlich nicht zur Kategorie der aalglatten Unterhaltungsfilme gehört, dafür sorgt der Verzicht auf das totale Happy End. Die finale Aussprache zwischen Sharon und ihrem Vater steht dafür, dass ein Film nicht immer dadurch gewinnt, dass sich am Ende alle Probleme in Wohlgefallen auflösen.
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