Zé - Heilung in den unsichtbaren Welten

- | Deutschland/Schweiz 2001 | 90 Minuten

Regie: Kamal Musale

Dokumentarische Ich-Reportage eines deutschen Psychotherapeuten, der sieben Jahre lang brasilianische Geistheiler beobachtete und die Zuschauer an eine "spirituelle Medizin" heranführen möchte. Mehr ein Dokument esoterischen Weltverständnisses als konkrete Studie über eine verbreitete Form der Elendsmedizin, das mit dem Verzicht auf rationale Durchdringung der Phänomene jeden Wahrheits- und Erkenntnisanspruch preis gibt. (Teils O.m.d.U.)
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
2001
Regie
Kamal Musale
Buch
Kamal Musale · Sebastian Elsaesser
Kamera
Kamal Musale · Hans Meier · Sylvain Reymond
Musik
Roger Baudet · Eric Ghersinu
Schnitt
Kamal Musale · Loredana Cristelli · Daniel Gibel · Petra Hölge
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
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Diskussion
In Milos Formans „Der Mondmann“ (fd 34 247) bricht der schon vom nahen Tod gezeichnete Andy Kaufman in sarkastisches Gelächter aus, als er die Behandlungsmethode eines philippinischen Wunderheiler durchschaut: Das Blut zwischen den Händen des Mannes stammt nicht vom Patienten, sondern ist ein Trick, der Kaufman, dem Meister perfekter Fakes, die letzte Hoffnung raubt. In den brasilianischen Favelas hingegen, in die der Dokumentarfilm „Zé – Heilung in den unsichtbaren Welten“ führt, besteht kein Zweifel daran, woher das Blut stammt: aus eiternden Wunden, Schnitten und Löchern, in die die „Heiler“ mit brachialer Gewalt Skalpelle, Scheren oder auch ordinäre Kugelschreiber stoßen. Doch kein Patient schreit oder stöhnt, obwohl es keine Narkose gibt; auch auf Sterilität wird kein Wert gelegt. Dafür erklärt Autor Sebastian Elsaesser aus dem Off, dass hier Geistwesen am Werke seien, die die „Periphysis“, den feinstofflichen Körper, behandelten. Er selbst war vor Jahren nach Brasilien gekommen, weil er zu erblinden drohte. Die Behandlung (ein Heiler stieß im eine Nadel in sein gesundes Auge) hatte Erfolg: Heute verfüge er über ein Auge für Außen und eines für Innen, weil damals ein Heilungsprozess begann, der seine Wahrnehmung von Grund auf veränderte. An dieser Entgrenzung möchte Elsaesser die Zuschauer teilhaben lassen. Deshalb schloss er sich mit dem Schweizer Filmemacher Kamal Musale zusammen und beobachtete über einen Zeitraum von sieben Jahren brasilianische Geistheiler bei ihrer Arbeit. Der Film, der daraus entstand, ist kein herkömmlicher Dokumentarfilm, sondern ein persönliches Essay, die Ich-Reportage eines Bekehrten, der sich mit gemäßigt missionarischem Gestus an ein eher skeptisches, rational eingestelltes Publikum wendet, um ihm von anderen Dimensionen zu berichten. „Was ist das Schwerste? Was Dir das Leichteste dünkt. Den Augen zu sehen, was vor den Augen liegt“, heißt es mit Goethes Worten im Vorspann. Doch was liegt vor den Augen? Für die Zuschauer die Projektion von „Zé“, in dem man Elsaesser bei unzähligen Behandlungen und im Gespräch mit den Heilern sieht. Kein einziger Patient kommt zu Wort, ihre Reihung wirkt mechanisch, anonym. Der Film ist auf Betacam und Video gedreht, was die qualitativen Schwankungen der Aufnahmen erklärt, nicht aber die der „Inszenierung“. Es gibt grobkörnige, schlecht ausgeleuchtete „Live“-Mitschnitte der Behandlungen, nachgestellte, farblich und akustisch durchkomponierte Kunstszenen, Selbstporträts, Zeichnungen und historische Dokumente wie Fotos oder Zeitungsausschnitte, ihren Zusammenhang erhalten sie erst durch den sinnstiftenden Kommentar Elsaessers. Was „vor den Augen liegt“, klingt also im Ohr und setzt sich im Kopf des Betrachters zur Einheit zusammen. Dort aber können seine Deutungen durchaus Unruhe provozieren, weil es der gelernte Psychotherapeut mit der Begrifflichkeit nicht so genau nimmt und Phänomene wie „spirituelle Chirurgie“ oder „Periphysis“ vielleicht nur von denen verstanden werden, die sie schon verstanden zu haben glauben. Zu denken könnte beispielsweise geben, dass es sich bei den „Geistheilungen“ um eine reine Elendsmedizin handelt, die in Armenvierteln blüht. Elsaesser erwähnt zwar am Ende kurz, dass die esoterische Medizin nicht vor Missbrauch und Scharlatanerie gefeit ist, weiß dafür aber kein Kriterium zu benennen; der von ihm selbst artikulierte Verdacht, dass man Heiler, die sich einem „Geist“ als Medium zu Verfügung stellen, in Europa als schizophren bezeichnen würde, versandet wie manches andere. Völlig indiskutabel wird es dort, wo Elsaesser seinen eigenen unreflektierten Vorurteilen erliegt: Weil die „Geister“, die er ihm Film präsentiert, deutsche Namen tragen und ihre blutigen Behandlungen so gar nicht dem Ideal einer „sanften“ Alternativmedizin entsprechen, fragt er so lange nach, bis er zu hören bekommt, was er hören will: Ja, sagt „Dr. Arkinson“, er wäre ein KZ-Arzt gewesen und hätte viele zu Tode gespritzt. Spätestens hier müssten sich auch jene, die esoterischem Denken nahe stehen, ernsthaft Gedanken über Logik, Rationalität und die Voraussetzungen menschlichen Bewusstseins machen.
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