Der Medici-Krieger

- | Italien/Deutschland/Frankreich/Bulgarien 2001 | 100 Minuten

Regie: Ermanno Olmi

Die letzten Monate im Leben von Giovanni di Medici, dem Befehlshaber der päpstlichen Truppen, die im Winter 1526 das Heer Karls V. am Einmarsch nach Italien zu verhindern versuchten. Der sich langsam entwickelnde, zugleich bilderstarke Spielfilm zeigte die historische Schlacht am Po mit atemberaubend schönen Aufnahmen, die sowohl an Dokumentarfilme als auch an Gemälde erinnern und die Agonie des lebensgefährlich verletzten jungen Feldherrn spiegeln. Kein Anti-Kriegsfilm im herkömmlichen Sinn, eher eine Meditation über den schleichenden Umschwung eines durch "modernere" Waffen immer unmenschlicheren Umgangs miteinander. - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
IL MESTIERE DELLE ARMI
Produktionsland
Italien/Deutschland/Frankreich/Bulgarien
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Boyana/Cinema 11/RAI/Studio Canal/Taurus
Regie
Ermanno Olmi
Buch
Ermanno Olmi
Kamera
Fabio Olmi
Musik
Fabio Vacchi
Schnitt
Paolo Cottignola
Darsteller
Hristo Jivkov (Giovanni de' Medici) · Desislava Tenekedjieva (Caterina de' Medici) · Sandra Ceccarelli (Nobildonna di Mantova) · Sasa Vulicevic (Pietro Aretino) · Sergio Frammatico (Federico Gonzaga)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
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Heimkino

Verleih DVD
M.I.B.
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Diskussion
Was unterscheidet einen Berufsoldaten im Mittelalter von einem des 21. Jahrhunderts? Nur die Art der Kriegsführung, denn beide haben ihr Leben ganz auf den Kampf ausgerichtet. Sie wissen, dass sie im Kampf sterben können, doch nicht, wie und wann. „Der Medici-Krieger“ oder besser „Das Handwerk der Waffen“, wie der Film im Original heißt, erzählt die Geschichte von Giovanni de Medici, dem Hauptmann der päpstlichen Truppen unter General de Rovere, die im Winter 1526 gegen das Heer des Kaisers Karl V. kämpfen, das schon bis zum Po vorgerückt ist. Wobei man sich vergegenwärtigen muss, dass auch Italien zum Heiligen römischen Reich deutscher Nation gehört, es also um einen Machtkampf Kaiser gegen Papst geht und nicht um einen klassischen Eroberungskrieg, denn das Land, auf dem die italienischen Fürstentümer liegen, gehört formell ohnehin Karl V. Dass es ein aussichtsloser Kampf für die päpstlichen Truppen ist, macht Regisseur Ermanno Olmi sehr schnell und sehr deutlich klar: Während die Männer um Giovanni de Medici noch in Ritterrüstungen und mit Lanzen zu Pferde in die Schlacht ziehen, gießen ihre Gegner (die in der Originalfassung deutsch sprechen) unter Führung des Generals Georg von Frundsberg schon die ersten Bleikugeln. Immer wieder blicken die Zuschauer in Großaufnahme auf die dunkle Kanonenmündungen, doch die Papsttruppen ahnen noch nichts von den Feuerwaffen. Als die auch zahlenmäßig unterlegenen Reiter in der entscheidenden Schlacht vom Kugelhagel aus Gewehren und Kanonen überrascht werden, sind sie überrascht und hilflos, auch der sonst taktisch so geschickt agierende Giovanni de Medici. Er wird von einer Kugel an der Wade verletzt, die Wunde ist so groß und tief, dass er tagelang um sein Leben kämpft. Die Amputation kommt jedoch zu spät, der 28-jährige Hauptmann stirbt, und die Truppen Karl V. überqueren den Po – erobern Rom und die Macht.

Von Ermanno Olmi, dem Altmeister des italienischen Kinos, der für seine langen Einstellungen und eine gewisse Statik und Theatralik bekannt ist („Der Holzschuhbaum“, fd 21 105), darf man natürlich keinen Actionfilm erwarten. Dennoch gehört die nur etwas mehr als fünf Minuten andauernde Schlachtszene zu den faszinierendsten Kriegsbildern der Filmgeschichte: In einer wunderschönen Flusslandschaft, halb im Nebel, stehen die Reiter in Reih und Glied am Horizont, die Lanzen wie einen Schutzwall gen Himmel gereckt. Kurz darauf fällt der Lanzenzaun nach unten in Schräglage, die Reiter greifen an. Schnelle Schnitte zu den Kanonen und den weniger adrett aufgestellten Gewehrschützen im Feindeslager machen den Kampf lebendig. Fahnen wehen, Soldaten fallen, Pferde wiehern und Menschen schreien. Zwischendurch blitzen in Großaufnahme immer wieder zwei Bilder auf: das entschlossene und doch leicht entrückt wirkende Gesicht des jungen Hauptmanns mit dem Eisenhelm und die Mündung der Kanone. Dem 70-jährigen Olmi gelingen stilisierte und doch realistisch wirkende malerische Bilder, die ebenso an die Kavallerie bei John Ford wie an Kurosawas „Kagemusha“ (fd 22 658) oder an Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ (33 341) erinnern. Aber immer nur für Bruchteile von Sekunden, dann überlagern sich Menschen und Landschaften, Waffen- und Naturgebilde. Der auf einen Nahkampf Mann gegen Mann mit Stichwaffen eingestellte junge Befehlshaber kann nur ungläubig auf die Gegner starren, die nicht in Augennähe kommen, sondern aus der Distanz ihre Waffen abfeuern.

Es mag sein, dass dies wirklich die erste High-Tech-Schlacht der Geschichte gewesen ist, wie Olmi in Cannes sagte, als sein Film im letzten Jahr im Wettbewerb lief – und unterging, trotz der in jeder Sekunde fulminanten Bilder, die den Gemälden alter Meister nachempfunden sind. Denn Olmis Film beginnt sehr langsam und spröde mit Landschaftsaufnahmen in starker Dunkelheit oder extremer Helle. Es gibt einen Erzähler und eine erklärende Off- Stimme. Das und die beständigen Einblendungen der Schauplätze sowie der handelnden Personen geben dem Ganzen einen dokumentarischen Charakter, der in den steifen Szenen mit den Herrschern außerdem theatralisch wird, obwohl Der Medici-Krieger“ kein Schauspielerfilm ist und ohne Stars auskommt.

Man braucht eine gute halbe Stunde, um sich in den ungewohnten Duktus einzufinden. Doch die Ruhe und Bedächtigkeit der Tableaus passen zu der Zeit, in der dieser Film spielt. Alles geschieht wie nebenbei und unspektakulär: die Vorbereitungen auf den Kampf, die wortkargen Szenen, in denen der Hauptmann bei Frau und Kind zuhause weilt, die leidenschaftlichen erotischen Momente in den Armen seiner Geliebten, die bedächtigen, wenn in dunklen Gewölben die Kugeln gegossen werden. Es geht Olmi nicht darum, den Krieg zu rechtfertigen oder ihn in Frage stellen, wenngleich er für die gottesgläubigen Truppen Partei ergreift, und Giovanni de Medici zuweilen ähnlich verloren wirkt wie Jeanne d’Arc in den Filmen von Dreyer und Besson. Olmi hat ein viel weiteres Thema im Visier: den unmerklichen Umschwung eines durch „modernere“ Waffen unmenschlicheren Umgangs miteinander. Insofern ist „Der Medici- Krieger“ ein sehr moderner Film, der seine neun Donatellos italienische Filmpreise) verdient hat.
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