Drama | Thailand 2003 | 117 Minuten

Regie: Komgrit Threewimol

Ein junger Thai wird zur Hochzeit seiner Jugendliebe eingeladen. Auf der Reise an den Ort seiner Kindheit werden Erinnerungen an die 1970er-Jahrer lebendig. Der von sechs jungen Regisseuren gemeinsam gestaltete Film entfaltet mit ästhetischen Bildern und clipartigen Sequenzen ein unterhaltsames Bildfeuerwerk. Dabei überzeugt er mit talentierten Kinderdarstellern, liebevoll inszenierten Details, großer Musikalität und einem bemerkenswerten Arsenal professionell genutzter filmsprachlicher Mittel. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
FAN CHAN
Produktionsland
Thailand
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
GMM/Tai Entertainment/Hub ho hin Films/365 Film Production (Kollektiv)
Regie
Komgrit Threewimol · Songyos Sugmakanan · Nithiwat Tharatorn · Vijja Kojew · Vithaya Thongyuyong
Buch
Komgrit Threewimol · Songyos Sugmakanan · Nithiwat Tharatorn · Vijja Kojew · Vithaya Thongyuyong
Kamera
Songyos Sugmakanan
Musik
Soothorn Yodsrithong · Viroj Ta-Arsa · Kongkiat Ruennoy
Schnitt
Nithiwat Tharatorn
Darsteller
Chalee Trirat (Jeab als Junge) · Chawin Chitsomboon (Jeab als junger Mann) · Focus Jeerakul (Noinah) · Wongsakorn Rasameetat (Jeabs Vater) · Anurasa Chantarangsri (Jeabs Mutter)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Mit ihren geflochtenen schwarzen Zöpfen und den langen Ponyfransen sieht Noinah aus wie die kleine Schwester von Gong Li. Eine Träne läuft ihr übers Gesicht. „Warum hast du das gemacht?“, fragt sie Jeab und rüttelt an seinen Schultern. Jeab hat ihr geliebtes Gummiband durchtrennt – und damit symbolisch ihre Freundschaft beendet. Dann stößt er sie zurück, sie landet im Staub der Straße und weint. Es ist, als ob für einen Moment alle Emotionen einfrieren würden. „Mein Dad sagt, Frauen werden schnell ärgerlich, aber sie kommen auch schnell wieder darüber weg“, versucht Jack den Schulfreund später zu trösten.

In „My Girl“, einem Wunderwerk der filmischen Be- und Entschleunigung, erzählen sechs junge thailändische Regisseure – in einer ausholenden Rückblende – von den Problemen einer ersten zarten Kindheitsliebe. Noinah und Jeab sind Nachbarskinder, etwa zehn Jahre alt und von klein auf eng befreundet. Ihre Mütter sind gute Freundinnen und ihre Väter, beide Friseure, betreiben – getrennt durch einem Getränkeladen – nebeneinander ihre Salons. Jeab spielt als einziger Junge mit Noinah, die unter den Mädchen des Viertels den Ton angibt. Ihre Beziehung wird zum Problem, als er sich um die Anerkennung der Jungen zu bemühen beginnt, die jenseits einer befahrenen Straße spielen. In der knapp skizzierten Rahmenhandlung begleitet Jeabs Off-Stimme die Geschichte. Da ist er Anfang 20 und lebt in Bangkok, als er von Noinah die Einladung zu ihrer Hochzeit erhält. Auf dem Weg in die Stadt seiner Kindheit schiebt er alte Musikkassetten in sein Autoradio – durch die Erinnerungen an die Kindheitsjahre wach werden. Es sind die Jahre des Gummi-Twist, es wird viel gesungen, beispielsweise bei der Feier des nationalen Kindertages in der Schule, wenn eine Boy-Group um den pummeligen Jack und Noinahs Girl-Group mit den zeitgenössischen thailändischen Liebesliedern ihre Auftritte haben.

Die Einführung der Charaktere entwickelt „My Girl“ in liebevoll und stilsicher inszenierten Sequenzen. Da werden die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Väter bei der Arbeit beobachtet: Während Noinahs Vater als Zigaretten rauchender Künstler dargestellt wird, der Inspiration braucht, arbeitet Jeabs Vater mit geschäftsmäßiger Präzision. Jeab wird als notorischer Langschläfer, Jack als notorischer Sitzenbleiber und Noinah als Queen des Gummi-Twist vorgestellt. Einige Szenen sind wie Videoclips arrangiert, etwa wenn Jeab für Jacks Bande ein Fußballspiel gewinnt und die Mannschaft anschließend in Siegerlaune nach Hause radelt. An den Lenkern hängen bunte Wassersäckchen, die im Licht der Abendsonne schaukeln.

In Thailand war der Film ein überwältigender Erfolg, was einerseits am gelungenen Einsatz der 1970er-Jahre-Songs gelegen haben mag, andererseits am Wortwitz des Off-Kommentars, in dem Jeab etwa vom mangelnden Verständnis der Mütter für den beruflichen Ehrgeiz ihrer Männer berichtet. „Die schneiden nur Haare und keine Kehlen durch“, heißt es da sarkastisch, „die wachsen wieder nach und die Leute brauchen immer wieder ein Schnitt!“ Auch für westlich geprägte Augen und Ohren bietet „My Girl“ eine Fülle schöner Bilder und kurzweiliges Vergnügen. Beispielsweise bei einer trickreich inszenierten Schwertkampfszene der Jungen. Eine Traumsequenz, die auf den ersten Blick wie eine aufwendige Computer- Animation aussieht, sich bei genauerem Hinsehen aber als intelligenter Filmtrick entpuppt. Vor allem die Kamera gerät in Bewegung, wenn Jack, der mit seiner Körperfülle einem kleinen Sumo-Kämpfer ähnelt, sich mit ausgestreckten Armen um die eigene Achse dreht und zwei andere Kämpfer durch die Luft wirbelt. Spannung baut sich auf, wenn im Schulbus Jeab neben Noinah sitzt und Jack klarstellt: „Wir spielen nicht mit Weicheiern!“ Zu den Mutproben, die Jeab bestehen muss, zählt dann auch das Durchschneiden des Gummibandes.

Wiederkehrende Bilder von liebevoll fotografierten Details sorgen im Lauf der Geschichte für visuelle Kontinuität, etwa wenn Jeab morgens mit dem Vater dem Schulbus hinterher jagt und der Blick auf die Fronten der Friseurläden fäält, auf die Pfütze, in der sich die Schatten der Fahrräder oder der Vollmond spiegeln, oder auf zwei Spatzen, die auf dem Dach des Hauses sitzen. Das Schlussbild zum wortreichen Off-Monolog kommt deshalb um so effektvoller zur Geltung. Es zeigt nicht das Bild der erwachsenen, sondern das der jungen Noinah, „das Mädchen mit den schwarzen Zöpfen und den rosigen Wangen.“

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