Casomai - Trauen wir uns?!

Komödie | Italien 2002 | 117 Minuten

Regie: Alessandro D'Alatri

Ein junger italienischer Priester will angesichts hoher Scheidungsraten nicht mehr Teil des bürgerlichen Eheschließungsrituals sein. Deshalb empfiehlt er einem jungen Paar bei der Trauung, es mit der Treue nicht so genau zu nehmen - eine charmante Finte, die die Hochzeitsgesellschaft empört und dem Film eine weitausholende Fantasiereise erlaubt, bei der die Ehe des Paares wie im Flug aufgeblättert wird. Ein temperamentvolles Episodendrama voller Emotionen und lakonischer Absurditäten, das manches auf den Kopf stellt, um vom Happy End nicht Abschied nehmen zu müssen. Bei aller ästhetischen Kunstfertigkeit krankt der Film an seriell entwickelten Figuren und dem über weite Strecken auf Fernsehserien-Niveau verbleibenden Drehbuch. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CASOMAI
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Magic Moments/Rai Cinema
Regie
Alessandro D'Alatri
Buch
Anna Pavignano
Kamera
Agostino Castiglioni
Musik
Pivio · Aldo de Scalzi
Schnitt
Osvaldo Bargero
Darsteller
Stefania Rocca (Stefania) · Fabio Volo (Tommaso) · Gennaro Nunziante (Don Livio) · Mino Manni (Rino) · Sara D'Amario (Laura)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Schwarz-Weiss (16:9, 1.85:1, DD2.0 ital./dt.)
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Diskussion
Die italienische Konjunktion „casomai“ bedeutet soviel wie „sofern“ oder „im Falle dass“. Ihre sprachliche Funktion besteht also darin, zu relativieren bzw. Aussagen an Bedingungen zu knüpfen. Regisseur Alessandro D’Alatri dient sie analog dazu als Chiffre einer lavierenden gesellschaftlichen Grundhaltung, die er in seiner Dramödie „Casomai – Trauen wir uns?!“ gleichzeitig kritisch wie humorig in Szene setzen möchte. Er beginnt damit in einer idyllisch entlegenen Kirche; bei der Hochzeit von Stefania und Tommaso, einem modernen Paar aus der Werbebranche. Ein feierlicher Anlass, bei dem man sich für gewöhnlich den Anschein gibt, über opportunistisches Hintertürchendenken erhaben zu sein. Soll doch das Jawort so klingen, als legten Mann und Frau sich damit tatsächlich für ihr restliches Leben aufeinander fest; bedingungslos, in guten wie in schlechten Zeiten. Dem jungen, schalkhaften Priester Don Livio gehen derlei Trauungsrituale jedoch zu weit an der Realität von Seitensprüngen und Scheidungsraten vorbei, als dass er sie einfach unkommentiert abspulen könnte. Mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen lässt er die beiden Eheleute daher nicht etwa schwören, sich „immer“ treu zu sein, sondern „na ja, wenigstens meistens“; und wenn es mit ihnen gar nicht klappe, könnten sie sich ja immer noch scheiden lassen. Bewusst provoziert er mit diesem flapsigen Zeremoniell den Widerspruch der Anwesenden und den Wunsch nach wahrhafter Verbindlichkeit. Um wirklich ernst genommen zu werden, macht er sich zunächst einmal lächerlich. Eine charmante Finte, die jedoch im Folgenden allzu breitgetreten wird und so von der anklingenden lakonischen Absurdität in bloßen Kitsch mündet, bis die Trauung endlich vollzogen und der Prolog vollendet ist.

Mit Gennaro Nunziantes schelmischer Priesterinterpretation verschwindet anschließend die mit Abstand lebendigste und amüsanteste Figur aus einem sonst eher fahlen und steifen Ensemble wieder von der Bildfläche. Eine ganze Weile noch dümpelt der Film von Szene zu Szene, um den Alltag des frisch gebackenen Ehepaares inmitten des gemeinsamen Freundeskreises episodenhaft vorzuführen. Streckenweise wirkt das wie ein espritlos zusammengeschriebenes Spin-Off eines italienischen „Friends“-Abklatsches, aus dem einzig die kunstvolle Clip-Ästhetik des versierten Werbefilmers D’Alatri formal herausragt. Erst als Stefania und Tommaso ein Kind bekommen, hebt sich „Casomai“ auch inhaltlich vom seichten Fernsehserien-Niveau ab. Die Eltern- Kind-Beziehung spielt bei D’Alatri zwar fast genauso wenig eine Rolle wie in der US-amerikanischen Soap, doch immerhin wird das Baby hier (anders als in der Sitcom „Friends“) sichtbar gemacht; visuell, indem es ins Bild gesetzt wird, und dramaturgisch, indem es Stefanias und Tommasos Leben verändert. Ganz allmählich vergrößern sich die kleinen ehelichen Alltagsschwierigkeiten und Auseinandersetzungen zu grundsätzlichen, handfesten Konflikten. Tommaso wird in der Werbeagentur unter Druck gesetzt und sieht sich mehr und mehr vor eine Entscheidung zwischen Karriere und Familie gestellt. Stefania fühlt sich von ihrem Mann alleine gelassen. Die beiden Eheleute reden (und schlafen) kaum noch miteinander. Auch der Freundeskreis unternehmungslustiger, jungdynamischer Singles weiß mit den müden Eltern immer weniger anzufangen. Mehrfach suchen Tommaso und Stefania nach Wegen, ihr neues Leben wieder in den Griff zu bekommen. Jedes Mal scheitern sie aneinander, und alles wird nur noch schlimmer. Tommaso geht fremd. Und als Stefania erneut schwanger wird, entscheiden sich beide gegen ein weiteres Kind und für eine Abtreibung. Damit aber ist auch Tommasos und Stefanias gemeinsame Zukunft unwiederbringlich zerstört. Oder besser gesagt, sie wäre es, hieße der Film nicht „Casomai“, spielte er nicht mit den Konjunktiven potenzieller Lebensläufe und würde er nicht, um in erster Linie Komödie zu bleiben, die tragische Entwicklung mit einem leidlich überraschenden, abrupten Deus ex machina auf den Kopf stellen, um so ein Happy End zu retten, auf das man angesichts der bis zum Schluss oberflächlichen, empathielosen Figurencharakterisierung auch hätte verzichten können.

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