Drama | USA/Kanada/Ungarn/Großbritannien 2004 | 105 Minuten

Regie: István Szabó

England in den 1930er-Jahren: Eine berühmte Theaterschauspielerin, die ihr Karriereende nahen sieht, flüchtet sich mit Billigung ihres Mannes und Managers in die Arme eines jungen Amerikaners. Dieser verfolgt selbstsüchtige Ziele und wendet sich bald einer jüngeren Schauspielerin zu, die sich in mehrfacher Hinsicht zu ihrer Konkurrentin entwickelt. Verfilmung eines Romans von William Somerset Maugham, die sich auf die brillant verkörperte Titelfigur konzentriert, die ihr ganzes Tun auf ihre Karriere focussiert. Dies beraubt die Handlung zwar zusätzliche Dimensionen, verleiht dem Film jedoch Tempo und eine Leichtigkeit, durch die dramaturgische Ungereimtheiten überspielt werden. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BEING JULIA | CSODALATOS JULIA
Produktionsland
USA/Kanada/Ungarn/Großbritannien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Serendipity Point/First Choice/Hogarth Prod./Myriad Pic.
Regie
István Szabó
Buch
Ronald Harwood
Kamera
Lajos Koltai
Musik
Mychael Danna
Schnitt
Susan Shipton
Darsteller
Annette Bening (Julia Lambert) · Jeremy Irons (Michael Gosselyn) · Bruce Greenwood (Lord Charles) · Miriam Margolyes (Dolly de Vries) · Juliet Stevenson (Evie)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und der Darsteller Annette Bening und Jeremy Irons sowie ein Feature mit vier im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.).

Verleih DVD
Concorde/Eurovideo (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
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Diskussion
England in den 1930er-Jahren: Julia, eine Theaterschauspielerin Mitte 40, ist müde. Obwohl noch eine Berühmtheit, wähnt sie bereits ihren Absturz am Horizont. Ihr Mann Michael, gleichzeitig auch ihr Manager und Besitzer des Theaters, rät ihr, sich zu entspannen, um auf andere Gedanken zu kommen. Schließlich wartet bereits die nächste große Produktion, mit ihr als zentralem Star. Entspannung findet sie mit Tom, einem ungleich jüngeren Amerikaner, der zudem noch ein heißblütiger Fan von Julia ist – auch wenn sich bald herausstellt, dass er seine eigenen Karriereziele mit dieser Liaison verfolgt. Die Affäre wird von Michael ignoriert; es sei eine Ehe, in der auf Körperlichkeit kein großer Wert gelegt werde, erklärt Julia Tom im Bett. Dass Michael der Einzige ist, der ihr sagen kann, dass sie auch mal schlecht spielt, scheint die natürliche Grenze ihrer platonischen Liebe zu sein. Begleitet wird Julia auch von Michael Gambon, der hier den Geist ihres toten Mentors spielt und direkt zu Anfang, scheinbar an die Zuschauer gerichtet, die Losung ausgibt, dass das Theater das wahre Leben sei, und das Leben außerhalb des Theaters nur Illusion. So scheint es sich zu verhalten, wenn man den Blick auf Julia richtet: Sie teilt ihr Leben in verschiedene Rollen, die der Geliebten, der Ehefrau, des Stars. Nur die Mutterrolle kam zu kurz: Ihr minderjähriger Sohn wirft ihr während eines Urlaubs vor, sie würde so viele Rollen bedienen, dass er bezweifle, ob es sie eigentlich als echte Person gäbe. Während dieses Urlaubs, bei dem auch ihr Ehemann anwesend ist, entwickelt sich eine Liebschaft zwischen Tom und der jungen Darstellerin Avice. Die durch die Affäre gewonnene Lebensenergie Julias schwindet wieder, ihre Unsicherheit wächst. Halt sucht sie bei ihrem Langzeit-Geliebten, der zu Beginn des Films mit ihr brach, weil die Gerüchte über beide überhand nahmen. Als sie sich ihm wieder annähern will, gesteht er ihr seine Homosexualität – „das erklärt unsere gute Chemie“, stellt Julia keineswegs gekränkt fest. Julias Feuer wird erst wieder entfacht, als ihr Mann Avice für eine Hauptrolle engagiert und sich alle begeistert von der Jungdarstellerin zeigen. Gestenreich lässt sie ihr den Vortritt und täuscht Unterstützung vor, nur um sie am Premierenabend mit einer gleichermaßen gekonnten wie ausgedehnten Improvisation aufs Glatteis zu führen und damit ihre Rachegelüste zu befriedigen. Regisseur István Szabó ist nicht erst seit „Taking Sides – Der Fall Furtwängler“ (fd 35 299) für seine exzellente Schauspielführung bekannt. Bereits „Mephisto“ (fd 23 139) spielte im Theatermilieu, wenn auch in einem ernsteren Zusammenhang: Ein deutscher Schauspieler verkauft sich für den Ruhm an die Nazis. Julia aber ist neurotisch, kapriziös, frech und schnell in ihren Dialogen, stolz, selbstverliebt und extrovertiert. Annette Bening spielt diese Figur, die auch abseits der Bühne nicht aufhört zu spielen, und die Vitalität und Kraft, mit der sie Julia Leben verleiht, lassen fast vergessen, dass die Figur mit ihrer ausgeprägten Selbstsucht und ihrem bisweilen arroganten Gestus wenig Liebenswertes besitzt. Julia spinnt Intrigen, betrügt, wird betrogen, und stets scheint ihre Karriere im Mittelpunkt zu stehen. Auch der Racheakt, der sich im letzten Drittel des Films anbahnt, wirkt in seinem Kern kindisch. Die vielen interessanten Konstellationen, in denen Julia liebt und lebt, berühren sich nicht stark genug, um mehr als Kulisse für die Diva zu sein. Da diese trotz ihres Konfliktpotenzials allesamt überraschend selbstverständlich und lapidar behandelt werden, erscheint die Handlung um eine zusätzliche Dimension beraubt. Jeremy Irons ist zwar amüsant in der Rolle des fröhlich-naiven Gentlemans, doch wartet man vergeblich darauf, dass sein Charakter aus dem Schatten in den Vordergrund tritt. Hier zeigt sich deutlich die Unvereinbarkeit der dem Film zu Grunde liegenden Adaption des Romans von William Somerset Maugham mit den gängigen Erzählmustern des Kinos. Die ausschließliche Konzentration auf Julia verleiht dem Film ein Tempo und eine Leichtigkeit, die die dramaturgischen Ungereimtheiten ausblenden. Hätte er keine Schauspielerin wie Bening, wäre er wohl zum Scheitern verurteilt gewesen. „Ich bin eine Zicke, durch und durch“, sagt Julia an einer Stelle; tatsächlich war das Vergnügen wohl nie größer, eine Zicke intrigieren zu sehen.
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