Villa Henriette

Jugendfilm | Österreich/Schweiz 2004 | 88 Minuten

Regie: Peter Payer

Ein zwölfjähriges Mädchen lebt mit seiner Großfamilie in einer maroden Art-Deco-Villa, die ein geheimnisvolles Eigenleben führt. Als die Familie in finanzielle Not gerät und das Anwesen versteigert werden soll, rettet es zusammen mit zwei Freunden sein Zuhause vor dem Verkauf. Fantasievolle, gegen den Genre-Strich gebürstete Verfilmung eines bekannten Jugendbuchs, das mit einem skurrilen Figurenarsenal, witzig-hintergründigen Dialogen, einem ironisierenden Soundtrack, subversiven Regieeinfällen und einem präzis geführten, spielfreudigen Ensemble dem Familienfilm neue Reize abgewinnt. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
VILLA HENRIETTE
Produktionsland
Österreich/Schweiz
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
MINI Film/Lotus-Film/maximage
Regie
Peter Payer
Buch
Milan Dor
Kamera
Thomas Hardmeier
Schnitt
Britta Nahler
Darsteller
Hannah Tiefengraber (Maria) · Cornelia Froboess (Großmutter) · Nina Petri (Mutter) · Michou Friesz (Olli) · Branko Samarovski (Onkel Albert)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Jugendfilm | Kinderfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Eurovideo (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
"Wer seine Träume verwirklichen will, muss erst einmal aufwachen“ – und schon lässt die geheimnisvolle Art-Deco-Villa Henriette ihre Rolladen hoch- und niederschnellen, um Marie aus den Federn zu treiben. Denn das zwölfjährige Mädchen ist die einzige Bewohnerin, mit der das marode Haus vertrauliche Zwiesprache führt. Die übrigen Familienmitglieder werden von ihm eher malträtiert, weil sie seinen Wunsch nach Instandsetzung nicht wahrhaben wollen. Die erfinderische Großmutter hat ihr letztes Geld in die Entwicklung eines elektrischen Tretrollers gesteckt, ist dabei aber einem Betrüger aufgesessen. Der Vater verheimlicht schon seit Monaten, dass er seinen Job als Archäologe verloren hat, und die Mutter, eine Stewardess, hat schon lange die Nase voll von den Marotten des Hauses. Den Bruder der Großmutter plagen Hexenschuss und Harndrang; er kümmert sich nur noch um seine Blumen; die dichtende Schwester des Vaters läuft samt eigenbrötlerischem Sohn wie abwesend durch diese skurrile Lebensgemeinschaft. Als die Schulden überhand nehmen, will die Bank das Anwesen versteigern. Da kommt Marie die rettende Idee, und gemeinsam mit ihren Freunden Konrad und Stefan, die beide in sie verliebt sind, kämpft sie um den Erhalt der „Villa Henriette“. Die mit dem „Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis“ ausgezeichnete Österreicherin Christine Nöstlinger gehört zu den erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen deutscher Sprache, deren Bücher regelmäßig fürs Kino adaptiert werden („Konrad aus der Konservendose, fd 24 170; „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“, fd 20 801; „Die 3 Posträuber“, fd 34 158). Landeten ihre Romane bisher immer in den Händen eher konventioneller Autoren und Regisseure, fand „Villa Henriette“ zwei Filmemacher, die eher durch schwarz-humorige Gesellschaftssatiren als den Hang zum Familienfilm bekannt wurden. Wohl auch deshalb heben sich Milan Dors Drehbuch mit seinen schrägen Figuren und absurd-philosophischen Dialogen und auch Peter Payers subversive Inszenierung deutlich von der Genre-Routine ab. In der Farbgebung setzt Kameramann Thomas Hardmeier auf inhaltliche Akzente: Das Innen- und Außenleben der Villa erscheint in eher warmen (Braun-)Tönen, während die „feindliche“ Umwelt in kalte, bläuliche Farben getaucht ist. Die Komponisten haben dazu einen kongenialen Soundtrack entwickelt, der statt harmonischer Weisen ironisierende Klänge anstimmt und an die Stelle eingängiger Kinderlieder verstörend wirkende österreichische Chansons setzt. „Villa Henriette“ wird so auf allen Ebenen zum Gegenbild einer idyllischen „Villa Kunterbunt“ à la Pippi Langstrumpf. Dennoch werden sich (ältere) Kinder gerne in diese Welt entführen lassen, weil man die Erwachsenen trotz ihrer Schrullen nie auslacht, sondern sie gerade deshalb liebenswürdig erscheinen. Großartig in ihrer hintergründigen Komik ist jene Szene, in der Konrads Vater im sprechenden Kühlschrank einen Freund für einsame Stunden findet und die bisher eher belächelte Erfindung plötzlich einen Sinn bekommt. Die von Hannah Tiefengraber wundervoll unprätentiös gespielte Marie dürfte mit ihren ersten, behutsam erzählten „Liebes“-Erfahrungen so manchem Mädchen aus dem Herzen sprechen. Auch die Jungen können aus den Konflikten zwischen Marie, Konrad und Stefan etwas über den Umgang mit dem anderen Geschlecht lernen. Selbstredend heben Dor und Payer dabei nie den moralischen Zeigefinger, sondern bleiben eher ein wenig auf Distanz zu ihren Protagonisten. Dass sie dabei auf die in diesem Genre üblich gewordenen derben Töne und aufdringlichen Bilder verzichten, zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der sie an dieses Märchen für Kinder und Erwachsene herangegangen sind, um es zu einer Utopie über die Macht der Fantasie zu entwickeln.
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