Als das Meer verschwand

Drama | Neuseeland/Großbritannien 2004 | 126 Minuten

Regie: Brad McGann

16 Jahre nach seiner Flucht aus seinem neuseeländischen Elternhaus kehrt ein berühmter Kriegsberichterstatter in sein kleines Heimatdorf zurück, um gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder den Vater zu beerdigen. Was als ebenso kurze wie unangenehme Stippvisite gedacht ist, entwickelt sich zur quälend langen, bizarren Reise in die Vergangenheit seiner Familie. Virtuos erzähltes und gespieltes, angenehm zurückhaltend inszeniertes Psychodrama, das auf der Folie eines spannenden Genrefilms über Lebenslügen und Weltflucht reflektiert. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
IN MY FATHER'S DEN
Produktionsland
Neuseeland/Großbritannien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Little Bird Prod./IFMD/T.H.E. Films/The Film Coy
Regie
Brad McGann
Buch
Brad McGann
Kamera
Stuart Dryburgh
Musik
Simon Boswell
Schnitt
Chris Plummer
Darsteller
Matthew MacFadyen (Paul Prior) · Miranda Otto (Penny) · Emily Barclay (Celia Steimer) · Colin Moy (Andrew) · Jimmy Keen (Jonathon)
Länge
126 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Standard Edition enthält u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs, des Produzenten Trevor Haysom und der Darstellerin Emily Barclay. Die Special Edition (2 DVDs) enthält zudem u.a. noch zwei im Film nicht verwendete Szenen (4 Min.) sowie den Kurzfilm "Possum" (16 Min.).

Verleih DVD
Capelight (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
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Diskussion
Kriegsberichterstatter Paul Prior hatte sich geschworen, nie wieder einen Fuß in sein Elternhaus zu setzen, das er als Teenager wortlos verließ – nur weg aus dem Dunstkreis seines Vaters, dem er einst so viel Vertrauen entgegenbrachte, weg aus der Gegend, in der seine Mutter den Tod fand. Sein Beruf hat ihm Ruhm und Geld gebracht und, als Krönung, eine Nominierung für den „Pulitzer-Preis“, die er aber nicht angenommen hat; und er hat ihn das Schweigen gelehrt angesichts der Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten auf der Welt, die man zwar dokumentieren, nicht aber ändern kann. Nun ist Paul doch wieder zu Hause und weiß nicht so recht, warum ihn die Nachricht vom Tod seines Vaters zurückbrachte. Selbst das Interesse an seinem jüngeren Bruder ist nach 16 Jahren Abwesenheit nicht sonderlich groß. Andrew, der inzwischen eine Frau und einen halbwüchsigen Sohn hat, taugt höchstens zum Vorwürfe machen und um alte Wunden aufzureißen. Dennoch verlängert Paul seinen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit: Das geheime Hinterzimmer, in dem er mit seinem Vater viele Stunden verbrachte und den ersten Sex mit seiner Jugendliebe hatte, birgt zu viele unverarbeitete Erinnerungen. Nie hätte sich Paul träumen lassen, im verteufelten Ort seiner Kindheit selbst einmal Kinder zu unterrichten; jetzt aber findet er sich als Angestellter der örtlichen Schule wieder und vermittelt ihnen den Umgang mit Sprache und Bildern, was ihm selbst das Überleben in der Welt ermöglicht hat. Über den Schuldienst lernt Paul die 16-jährige Celia kennen, ein schriftstellerisches Talent, das neben der Vorliebe für Bücher auch das geheime Versteck des Vaters mit ihm teilt. Paul und Celia verbringen etliche Stunden miteinander – mehr als beiden gut tut. Als Celia verschwindet, steht schnell ein schmutziger Verdacht im Raum, der sich in dem Ort wie ein Lauffeuer verbreitet. Dabei liegen die Leichen im Dorf in ganz anderen Kellern. Auf den ersten Blick ist „Als das Meer verschwand“ „nur“ ein solider Thriller, doch über weite Strecken verheimlicht dies der Neuseeländer Brad McGann in seinem ebenso bildgewaltigen wie erzählerisch mutigen Langfilmdebüt auf sehr geschickte Art und Weise. Es sind kleine Details, die das Interesse des Zuschauers wecken und das Mysterium der Geschichte am Leben halten. Da reicht schon eine brennende Kerze in einem ewig nicht mehr benutzten Hinterzimmer, um die Spannung nachhaltig zu entfachen. „Als das Meer verschwand“ lebt von vagen Andeutungen, falschen Fährten, der Zurückgenommenheit der durchweg brillanten Darsteller und vor allem von der Kunstfertigkeit des Regisseurs, der auch das vertrackte Drehbuch verfasste. Mit traumwandlerischer Sicherheit verschränkt McGann die Erzählebenen, die den Zuschauer sowohl über die „heilen“ Kindertage als auch Pauls trostlose Gegenwart zum eigentlichen Geheimnis der Geschichte lotsen. Dabei erweist sich der Thriller in seinem Kern als Film über Lebenslügen, die die Menschen selbst dann noch einholen, wenn sie auf die andere Seite der Welt flüchten. Seit „Lantana“ (fd 35 680) des Australiers Ray Lawrence sah man keine vergleichbar anspruchsvolle Genreunterhaltung mehr in hiesigen Kinos – einen Film, der eindrücklich und dabei angenehm wenig effektheischend von den Abgründen scheinbar „normaler“ Menschen erzählt.
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