Ländliche Ansichten: Der Alltag

Dokumentarfilm | Frankreich 2005 | 85 Minuten

Regie: Raymond Depardon

Anhand von Bauern aus den Cevennen, der Haute Loire und der Haute Ardèche zeichnet der Dokumentarfilm einen eindringlichen Lagebericht zur Situation der französischen Kleinbauern, denen aufgrund der europäischen Agrarpolitik und der Globalisierung die Existenzgrundlage immer mehr entzogen wird. Ein elegischer Abgesang als Mittelteil einer Trilogie, der mit ruhigen Bildern das Verschwinden eines Berufsstandes dokumentiert. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
PROFILS PAYSANS: LE QUOTIDIEN
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Palmeraie et Désert (Clamart)/Canal+
Regie
Raymond Depardon
Buch
Raymond Depardon
Kamera
Raymond Depardon
Schnitt
Simon Jacquet
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Nach „Profils Paysans: L’Approche“ („Bauernleben“, 2000) schlägt Raymond Depardon, der französische Journalist, Fotograf, Filmemacher und Bauernsohn aus dem Burgund, das zweite Kapitel seiner Bauern-Trilogie auf: „Profils Paysans: Les Quotidiens“, das man analog zum ersten Teil getrost in „Bauernsterben“ umtiteln könnte. War „Bauernleben“ noch ein Rückblick auf eine vom Aussterben bedrohte archaische Gesellschaft, die die bäuerliche Kultur in den Cevennen, der Haute Loire und der Haute Ardèche am Leben erhielt, so scheint diese zwei Jahre später, beim Beginn der Dreharbeiten, wie hinweggefegt: Die Ruhe und Stille des ersten Teils ist von einer Grabesstille abgelöst worden. Kapitel Zwei beginnt nahezu folgerichtig mit dem Begräbnis des Bauern Louis Bresse, einem der Protagonisten aus „Bauernleben“, über dem im Dorf Grisac niemand mehr (schlecht) reden will. Das Oratorium aus der Trauerfeier begleitet den Film, wenn Depardon seine deprimierende Reise über die Dörfer aufnimmt. Rasch erfährt man, dass die Jungen nicht mehr die beschwerliche Arbeit auf dem Land verrichten wollen, wo die Mühe kein Ende nimmt und die Pensionen nur auf dem Papier bestehen. Auch der Besuch auf dem Viehmarkt löst keine nostalgischen Gefühle aus; Rindvieh geht nicht mehr, oder nur unter Preis, einzig die Zucht von Schafen und Ziegen wirft noch etwas ab, aber das auch nur wegen der EU-Subventionen. Damit ist Depardon dann auch beim eigentlichen Thema seines Films, der Globalisierung und Kapitalisierung der (französischen) Landwirtschaft, die für industriell geführte Großbetriebe Gelder bereitstellt, die kleinen Krauterer aber durch die Subventionierungsmaschen fallen lässt. Die klagen über die harte Arbeit, die sie kaum über Wasser hält, ein zu hohes Maß an Bürokratie, Papierkrieg und unsinnige Bestimmungen. Der Film zeigt auch die Gegenseite, die scheinbaren Nutznießer dieser Entwicklung: Ein junges Paar, das sich den Traum vom Leben auf dem Land und von der eigenen Scholle erfüllen will, doch schon bald an seine Grenzen stößt; wohlhabende Städter, die Bauernhäuser in Traumdomizile umbauen, am umgebenden Land jedoch kein Interesse haben; Geisterdörfer, die zu Feriendörfern mutieren; und das Treiben der Großbanken, die wohl die einzigen sind, die von dieser Entwicklung wirklich profitieren. Die Bauern sterben aus, so das traurige Fazit des Films, der sein Resümee in einer Mischung aus Sachlichkeit und Elegie vorträgt, ohne je larmoyant zu sein, so dass es dem Zuschauer leicht fällt, trotz aller Empörung nicht aus der Haut zu fahren. Statt dessen kann man sich in den äußerst ruhigen Bildern des Films auf Einzelerfahrungen konzentrieren: darauf, dass in der Provinz auch heute noch größere Anschaffungen in Centimes ausgerechnet werden, auf den schleppenden Gang der alten Leute, der mehr als ihr Alter zu dokumentieren scheint, auf einen kettenrauchenden Mann, der trotz harter Arbeit kaum ein Auskommen hat, oder auf den eisigen Wind, der immer wieder durch die prächtig fotografierten Landschaften pfeift. 2009 soll der dritte und letzte Teil der „Profils Paysans“ vorliegen. Darauf darf man schon jetzt gespannt sein, zumal Depardon seinen Wunsch, den vorliegenden Teil mit einer Hochzeit zu beenden, verwehrt blieb. Das Interesse der jungen Männer wäre durchaus vorhanden, doch ein solches Landleben ist mit „modernen“ Frauen wohl nur schwer zu verwirklichen. Eine Trilogie, die als französische Entsprechung zu Erich Langjahrs Schweizer Bauern-Trilogie erscheint, der ebenfalls zunächst ein archaisches Leben, dann die Industrialisierung der Landwirtschaft und im dritten Teil, „Hirtenreise ins dritte Jahrtausend“, schließlich eine individuelle Rückbesinnung auf die Ursprünge dokumentiert hatte.
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