Samba Traoré

Drama | Burkina Faso/Frankreich/Schweiz 1992 | 85 Minuten

Regie: Idrissa Ouédraogo

Nach dem Überfall auf eine Tankstelle in Ouagadougou zu Reichtum gekommen, kehrt ein Mann in sein Dorf zurück und versucht, an der Seite einer geliebten Frau ein neues Leben anzufangen. Als das anfängliche Wohlwollen der Dorfbewohner in Mißgunst umschlägt, holt ihn seine Vergangenheit ein. In elegischem Erzählrhythmus entwickelter Film aus Burkina Faso, der ohne Pathos vom Scheitern im Streben nach Liebe und Glück berichtet. In der Grundstruktur erinnert er an eine klassische Tragödie, ebenso aber auch an den "film noir" und an amerikanische Western. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SAMBA TRAORE
Produktionsland
Burkina Faso/Frankreich/Schweiz
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Les Films de la Plaine/Les Films de l'Avenir/Waka
Regie
Idrissa Ouédraogo
Buch
Idrissa Ouédraogo · Jacques Arhex · Santiago Amigorena
Kamera
Pierre-Laurent Chenieux · Mathieu Vadepied
Musik
Wasis Diop · Faton Cahen
Schnitt
Joëlle Dufour
Darsteller
Sangare Bakary (Samba) · Mariam Kaba (Saratou) · Abdoulaye Komboudri (Salif) · Irène Tassembedo (Binta)
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Nacht über Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Zwei Männer überfallen eine Tankstelle, der eine wird dabei getötet, der andere kann fliehen; sein Name ist Samba Traoré. Er geht zurück aufs Land, wie alle, die von der Stadt genug haben. In seinem Heimatdorf wird er von der Bevölkerung neugierig bestaunt. Woher hat er bloß all das Geld? Zunächst glauben sie ihm die Geschichten vom Lottogewinn und seinem sparsamen Leben. Er lebt sich wieder ein und findet eine Frau, Saratou, die auch aus der Stadt floh, mit einem Kind, aber ohne Mann. Sie verlieben sich, alle sind glücklich und zufrieden. Traoré erfüllt sich einen Traum und schenkt seinem Dorf eine Herde. Alles scheint gut zu werden, bis eines Tages die Polizei auftaucht. Und mit ihr kommen das Mißtrauen, der Betrug und der Verrat. Die düsteren Seiten der Dorfbewohner offenbaren sich. Traoré und ein Freund haben eine Bar aufgebaut, sie heißt "Chez Amies". Als die Bar brennt, ist Samba Traoré verloren.

"Samba Traoré" ist Idrissa Ouedraogos Resümee seiner bisherigen Arbeit. Bislang erzählten seine Filme konzentrierte kleine Geschichten, waren Partikel eines größeren Mosaiks -so konnte man "Yaaba" (fd 28 107) nur zusammen mit seinem sehr viel schwärzeren Gegenstück "Tilai" richtig einschätzen. Dieses System der gegenseitigen Kommentare findet sich in "Samba Traoré" einerseits in dem Paar Samba und Saratou wieder, andererseits in jenem befreundeten Paar, das gleichzeitig auch als klassischer "Side kick" fungiert. Hier nun geht Ouedraogo über zur Erzählung in epischer Form, wobei man eigentlich seine vorherigen Filme kennen müßte, um das Epische dieses Films wirklich verstehen zu können. Immer wieder wird in Kleinigkeiten auf Vorgänge angespielt, die in seinen früheren Werken in aller Breite dargestellt wurden. Durch diese Verdichtung kann Ouedraogo hier erstmals in größeren Zusammenhängen erzählen.

"Samba Traoré" ist ein Porträt (West-)Afrikas: beschrieben wird der Schwebezustand, das Schisma der "condition humaine africaine". Einerseits wird die Stadt als der westliche Einnuß als etwas Verderbliches gezeigt, andererseits stellt die Polizei die Ordnung wieder her. Man trauert um Traoré, weil man weiß, daß er zwar Schuld auf sich lud, aber nichts dafür kann, weil er es vielleicht nicht besser weiß. Am Ende aber gibt es keine Entschuldigung für gewalttätiges Handeln. Das Leben ist eben nicht einfach. Das klingt alles recht schlicht, und wenn man das Leben in seine Details zerlegt und nur die einfachsten Handlungen und Gefühle sowie deren Auswirkungen betrachtet, dann ist es auch einfach. Aber in dieser Einfachheit offenbaren sich zugleich auch alle Widersprüche des Lebens, die im Großen zum Chaos führen. Ouedraogo ist Realist, das wird mit diesem Film deutlich; das Rituelle, das seine früheren Filme zum Teil charakterisierte, ist völlig verschwunden. Er konzentriert sich auf die Menschen, nicht mehr auf die Funktionen, in die sie eingebunden sind. Man könnte sagen, daß er seine Methode umgedreht hat, würde er seinen Inszenierungsstil nicht konsequent beibehalten. Wie früher steht die Kamera ruhig da, teilweise betrachtet sie die Ereignisse nur aus dem ihnen gebührenden Abstand. So entsteht ein Kino des Hinsehens, Zuhörens und der Konzentration, um so das Wesentliche herausarbeiten.

Ouedraogo vollzieht den Schritt vom Ritual zu den Unwägbarkeiten der Realität und zeigt gleichzeitig, warum die Menschen die Rituale beibehalten: aus Angst vor dem Unbekannten, aus Unsicherheit im Umgang mit dem Fremden. Traoré steht schutzlos da: die Stadt konnte ihm nicht helfen, das Dorf ist auf die Dauer auch kein Schutz gegen den Westen und seine Städte. Traoré ist der Sucher nach dem afrikanischen Weg. So hat die französische Zeitschrift "Cahiers du Cinema" nicht von ungefähr "Samba Traoré" als einen afrikanischen Western bezeichnet: der Western als Genre der Zivilisation, als jenes Schema, durch das man Werden und Gedeihen zwischenmenschlicher Beziehungen betrachtet. Traoré befindet sich in einem ähnlichen Dilemma wie die Outlaws. Zerrissen zwischen zwei Zeiten, muß er verlieren. Nur: man weiß nun zwar, wie der Weg nicht verlaufen soll, aber dieses Wissen um die Fehler allein hilft nur bedingt weiter. Es war schon immer eine Schwäche des realistischen Kinos, daß ihm bis auf wenige Ausnahmen das utopische Element fehlt; Realismus kann nur reagieren, aber nicht agieren.

Mit "Samba Traoré" wurde Ouedraogo zum Weltcineasten. Natürlich erzählt er rein afrikanische Geschichten, die zunächst für ein einheimisches Publikum bestimmt sind, aber diese Geschichten kann man überall auf der Welt verstehen, weil sie von grundsätzlichen menschlichen Problemen erzählen.
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