Thriller | Frankreich/Georgien 2005 | 86 Minuten

Regie: Géla Babluani

Ein junger georgischer Emigrant in Frankreich gibt sich für seinen verstorbenen Arbeitgeber aus und nimmt ein ominöses Angebot an, ohne zu wissen, worum es sich handelt. Er landet in einem makabren Russischen Roulette, bei dem reiche Männer viel Geld auf ihn und andere Todeskandidaten setzen. Spannender, kunstvoller, gesellschaftskritischer Schwarz-Weiß-Thriller. Zugleich eine sehr atmosphärische Reflexion über den Umgang mit Gewalt, die zwar von gezielten Schockszenen lebt, dabei aber nachdenklich macht und sinnstiftend nachwirkt. - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
13 TZAMETI
Produktionsland
Frankreich/Georgien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Les Films de la Strada/Quasar/Solimane/MK2
Regie
Géla Babluani
Buch
Géla Babluani
Kamera
Tariel Meliava
Schnitt
Stéphane Batut
Darsteller
George Babluani (Sébastien) · Pascal Bongard (Zeremonienmeister) · Aurélien Recoing (Jacky) · Fred Ulysse (Alain) · Nicolas Pignon (Pate)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Thriller
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Diskussion
Die lange Exposition wirkt fast schon entschuldigend für diesen Thriller, der mit gezielten Schockeffekten aufwartet. Denn zuerst lernt der Zuschauer ausführlich den 22-jährigen Georgier Sébastien kennen, der als Schwarzarbeiter mit Dachdeckerarbeiten seinen arbeitslosen Vater, den behinderten Bruder und den Rest der Familie über die Runden bringt, seit sie nach Frankreich emigriert sind. Wenn sie in ihrer Einzimmerwohnung unter sich sind, dann sprechen sie Georgisch. Schnell merkt Sébastien, dass sein Auftraggeber, dessen heruntergekommenes Haus er renoviert, heroinsüchtig ist und Geldsorgen hat. Zufällig hört er, dass sein Chef einen lukrativen Job bekommen soll. Doch der alte Mann stirbt, ohne Sébastien bezahlt zu haben. Sébastien findet einen mysteriösen Brief mit Fahrkarte, Hotelbuchung, einem Schild mit der handgemalten Ziffer 13 (Georgisch: tzameti) und der Anweisung, wie er zum Ort des Geschehens kommt. Er lässt sich die Haare schneiden und macht sich auf den Weg. Fast 30 Minuten dauert die Exposition dieser Geschichte, die der in Frankreich lebende georgische Regisseur Géla Babluani (Jahrgang 1979) in seinem Spielfilmdebüt zu einer atmosphärischen Milieustudie macht. Sie erinnert im Gebrauch der Schwarz-Weiß-Kontraste und der Figureneinführung stark an Roman Polanskis „Ekel“ (fd 13 553) und baut eine geheimnisvolle Spannung auf, zeigt aber auch, dass es um Menschen jenseits der normalen Gesellschaft geht – die von anderen beobachtet werden, ohne dass man weiß, wer die Beobachter sind. Die Spannung wächst, wenn Sébastien die Reise-Anweisungen umsetzt und dabei mit Naivität und Glück die ihn verfolgenden Polizisten ausschaltet – ohne dass er weiß, dass sie hinter ihm her sind – und endlich in dem einsamen Haus im Wald ankommt. Dort sind nur Männer, die ihn mustern und sich über sein junges Alter wundern. Also gibt er zu, dass er als Ersatz für den Toten gekommen ist, was sofort akzeptiert wird. Doch über die Sache, auf die er sich eingelassen hat, erfährt er immer noch nichts, er sieht nur, dass Männer mit Geldkoffern Wetten abschließen. Kurz darauf steht er in einem T-Shirt mit Nummer 13 zusammen mit zwölf anderen Männern aus der Unterschicht in einem Kreis; jeder hat einen Revolver in der Hand und spürt die Waffe des Nebenmanns am eigenen Kopf. Für einen Rückzug ist es zu spät. Ein grausiges Spiel beginnt. Die bedeutungsschwangere schwarze Ziffer 13, die weiße Leuchtbirne mit den aufgemalten Streifen, das Schreien des Spielleiters, das Häufchen der gierig wettenden Zuschauer, die unnatürlich ruhigen Todesschützen – der Film steckt voller Bilder, die man kaum vergessen wird, Bilder, die schockieren und faszinieren. Alles ist grau, unheimlich, unmenschlich, selbst in den Momenten unerwarteter poetischer Tristesse oder wenn die Kamera in Großaufnahme das Gesicht des jungen Mannes zeigt, der zwischen ängstlich, verstört, entschlossen und zuletzt kaltblütig eine schnelle Verwandlung durchmacht, geprägt von einem Leben, das schon immer ein Albtraum war und nun zum Horrortrip wird. Solche „Spiele“ wie in „13 Tzameti“ gibt es wirklich. Weil Babluani sie mit dem dunklen Blut in Schwarz-Weiß und CinemaScope auf eine künstlerische Ebene hievt und mit immer neuen Schocks, geheimnisvoller Atmosphäre und Spannungseffekten à la Hitchcock zeigt, wie man Zuschauer dazu bringt, etwas anzusehen, was sie nicht sehen wollen, wirkt „13 Tzameti“ länger nach als die derzeitige Welle an Kriegsfilmen, zu denen es erschreckende Parallelen gibt. Mag sein, dass der bereits 2006 mit diversen Festivalpreisen und dem European Film Award als „Entdeckung des Jahres“ ausgezeichnete Horrorthriller erst deshalb jetzt bei uns ins Kino kommt – während der Regisseur schon an der Hollywood-Version arbeitet.
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