Takva - Gottesfurcht

- | Türkei/Deutschland 2006 | 100 Minuten

Regie: Özer Kiziltan

Ein frommer Moslem steigt in Istanbul zum finanziellen Kontaktmann eines Sufi-Ordens auf, erledigt in dessen Auftrag Geldgeschäfte und kümmert sich um die Liegenschaften des Ordens. Je mehr er sich mit der säkularen Welt auseinandersetzt, desto mehr wird er mit deren Übeln konfrontiert, registriert Betrug, Missbrauch und Heuchelei in den Reihen der scheinbar gottesfürchtigen Bosse. Der beeindruckende Erstlingsfilm verdichtet sich zum in der Hauptrolle überzeugend gespielten Drama, das den Gewissenskonflikt eines religiösen Menschen in den Mittelpunkt stellt und mutig die Verbindung von religiösem Fundamentalismus mit zynischer Geschäftemacherei anprangert. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
TAKVA
Produktionsland
Türkei/Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Corazón/Dorje/Yeni Sinemacilar
Regie
Özer Kiziltan
Buch
Onder Cakar
Kamera
Soykut Turan
Musik
Gökçe Akçelik
Schnitt
Andrew Bird
Darsteller
Erkan Can (Muharrem) · Güven Kiraç (Rauf) · Meray Ülgen (Seyh) · Öznur Kula (Hacer) · Erman Saban (Muhittin)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein ausführliches Interview mit Produzent Fatih Akin (22 Min.).

Verleih DVD
epix (1.85:1, DD2.0 türk.)
DVD kaufen

Diskussion
„Takva – Gottesfurcht“ führt in die verwinkelten, engen Gassen eines traditionellen Altstadtviertels in Istanbul. Zahllose Gläubige sitzen in der Moschee, beten, rezitieren den Koran und lauschen den Worten des Imam. Sie lassen die Gebetsketten durch ihre Finger gleiten, rezitieren laut die 99 Namen Allahs und strahlen dabei Glück und Zuversicht aus. Doch „Takva“ erzählt vom Scheitern eines frommen Menschen: Der streng gläubige Moslem Muharrem ist ein einfacher Mensch mit festen Prinzipien. Der unscheinbare Mann um die 50, ein stiller Einzelgänger, lebt im Haus seiner verstorbenen Eltern, in dem er auch geboren wurde. Er arbeitet seit Jahren als Angestellter im Büro einer Firma. Der Junggeselle hält sich streng an die Gebote: Er betet viel und übt sich in sexueller Enthaltsamkeit. Die Führer der strenggläubigen, ordensähnlichen Gemeinschaft der Sufis, der mystischen Ausrichtung des Islams, werden auf ihn aufmerksam, nehmen ihn in ihr Ordenshaus auf, integrieren ihn in ihren Alltag. Sie stellen ihn an, um die Mieten ihrer zahlreichen Häuser und Lokale einzuholen. Murharrem fühlt sich am Ziel seiner spirituellen Entwicklung angekommen, gleichzeitig geht er den Weg der Verweltlichung, wird in einen eleganten Anzug gesteckt, erhält Handy und Computer. Als er auf diesem Weg zum ersten Mal mit der säkularen Welt konfrontiert wird, muss er entdecken, dass auch er der Versuchung durch die sündigen und heuchlerischen Kräfte des Alltags nicht widerstehen kann und merkt, dass er in einen Zwiespalt geraten ist, der ihn zerreißen wird. Je mehr sich seine weltlichen Wünsche und Vorstellungen erfüllen, um so mehr ringt er mit sich selbst: Gegen seine erotischen Tagträume, gegen seinen Umgang mit Lüge und Korruption. „Takva“ heißt Gottesfurcht, und der türkische Film zeigt einen zuvor vorbehaltlos religiösen Menschen an den Grenzen seiner Belastbarkeit. Für Drehbuchautor Önder Çakar stellt Muharrems Geschichte auch die Entwicklung des Kapitalismus in der Türkei dar, der eine zerrissene Gesellschaft voller unversöhnlicher Gegensätze geschaffen hat, die der Moderne frönt und dennoch in den Traditionen verwurzelt ist. Der Film spiegelt den Gewissenskampf seines Protagonisten auf beeindruckende Weise wider und lässt ihn am Ende an den eigenen Widersprüchen scheitern. Dabei fasziniert besonders die fast dokumentarische Beobachtung des religiösen Alltags, der Gottesdienste und gemeinsamen Gebete und das beeindruckende Spiel des Hauptdarstellers. Der Film ist nicht antireligiös und vermittelt nicht das Bild bedrohlichen religiösen Fanatismus’ am Rande kollektiver Hysterie. Autor und Regisseur haben sich lange mit dem Islam beschäftigt und seine Regeln genau studiert, um sich ernsthaft mit der Religion auseinandersetzen zu können, aber auch mit der Vereinsamung, zu der eine religiöse Ausschließlichkeit führen kann.
Kommentar verfassen

Kommentieren