Komödie | Deutschland 2006-08 | 87 Minuten

Regie: Veit Helmer

In einem südtürkischen Dorf erzwingen die solidarisierten Frauen durch einen Schlafzimmer-Boykott die Instandsetzung der Wasserversorgung durch die antriebsschwachen Männer. In Anlehnung an den antiken griechischen Komödiendichter Aristophanes ("Lysistrata"), zugleich inspiriert durch eine aktuelle Zeitungsmeldung, entstand eine melancholische Komödie um das Schicksal zweier junger Menschen, die ihre Ehe vollziehen wollen, was sich durch den Streik der Frauen verzögert. Der Film versucht sich in expressionistischer Stummfilm-Gestik, lässt dabei aber erhellenden Witz weitgehend vermissen. - Ab 14.
Zur Filmkritik filmfriend

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006-08
Produktionsfirma
Veit Helmer Filmprod./SWR/BR/arte
Regie
Veit Helmer
Buch
Veit Helmer · Zaza Buadze · Gordan Mihic · Ahmet Golbol
Kamera
Giorgi Beridze
Musik
Lars Löhn · Shigeru Umebayashi
Schnitt
Vincent Assmann
Darsteller
Kristyna Malérová (Aya) · Max Mauff (Temelko) · Nino Chkeidze (Großmutter) · Vlasta Velisavljevic (Veteran) · Hendrik Arnst (Wirt)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
farbfilm (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Vorbei die Zeiten, als Frauen durch sexuelle Verweigerung das Ende eines Krieges erzwingen konnten – „Lysistrata“ war gestern. Heute, in „Absurdistan“, kann der Beischlaf-Boykott das nutzlose, faule Männervolk kaum zur Reparatur maroder Wasserrohre bewegen. Nicht Aristophanes’ Komödie, sondern eine aktuelle Zeitungsmeldung hat Veit Helmer zu seinem dritten Langspielfilm inspiriert: In einem Dorf in der Südtürkei hätten die Frauen ihre Männer aus den Schlafzimmern verbannt und mit dieser Maßnahme endlich die überfällige Instandsetzung der Trinkwasserleitungen erreicht. Veit Helmers Vorliebe für weltentrückte Orte und weltenthobene Geschichten artikuliert sich nach dem verfallenden Schwimmbad in seinem ersten langen Kinofilm „Tuvalu“ (fd 34 315) und dem entgrenzten Untergrund des Frankfurter Flughafens in „Tor zum Himmel“ (fd 36 289) auch in „Absurdistan“. Im Nordwesten Aserbaidschans gedreht, aber weder räumlich noch zeitlich genau bestimmt, setzt er den simplen Plot als märchenhafte Slapstick-Komödie, als poetischen Comic um. Aya und Temelko waren schon als Kinder füreinander bestimmt – genau genommen sind auch keine anderen jungen Menschen übrig. Für ihr erstes Mal errechnet Ayas Großmutter die perfekte Sternenkonstellation – doch als die Sterne endlich richtig stehen, leckt die rostige Riesen-Pipeline, und aus dem Rohr am Dorfbrunnen tröpfelt es nur noch. Um den studierten Temelko und die übrigen Männer, die sich bevorzugt in der Dorfkneipe aufhalten, zur Reparatur zu nötigen, beschließen die Frauen den gemeinschaftlichen Liebesentzug. Helmer bedient sich einer StummfilmDramaturgie wie schon in „Tuvalu“. Es gibt kaum Dialog, ersetzt wird dieser durch eine Voice-Over der beiden Hauptfiguren. Der multinationale Cast (Darsteller aus 16 Ländern spielen die Dorfbewohner) beschränkt sich in erster Linie auf Mimik und Gestik, und die wird in Stummfilm-Manier leicht überhöht: Die Augen werden etwas weiter aufgerissen, die Stirn wird etwas häufiger gerunzelt, gelacht wird lauthals und mit zurückgelegtem Kopf. Die vergnügte Blasmusik des Japaners Shigeru Umebayashi – der für Zhang Yimou und vor allem für Wong Kar-wai komponierte – scheint eher auf die Heimat des Drehbuchautors, des Serben Gordan Mihic zu verweisen. Mihic schrieb u.a. das Drehbuch zu Emir Kusturicas „Schwarze Katze, weißer Kater“ (fd 33 507); in vielerlei Hinsicht erinnert die Komik in „Absurdistan“ an diese abstruse Komödie. Doch gerade im Vergleich wirkt „Absurdistan“ harmloser und verlangsamt, wie ein illustrierter Schwank oder ein Kinderfilm von Kusturica. Unterstützt wird der Eindruck durch den „Sendung mit der Maus“-Effekt des Kommentars. Über die Zeitungsmeldung will „Absurdistan“ nicht richtig hinauskommen, leidet wie viele deutsche Komödien ein wenig unter dem Fluch des Stammtischwitzes. Dabei gibt es poetische und komische Momente, in denen Helmers ganz eigener Stilwillen deutlich wird. So verschafft der Erfinder Temelko – vergleichbar der Figur des in mechanische Sinnlosigkeiten vernarrten Daniel Düsentrieb bei Donald Duck – seiner Angebeteten Aya einen Vorgeschmack auf den lange hinausgezögerten Liebesakt, indem er sie mit einer phallischen Schleuderapparatur in den Himmel schießt. Gegenwärtige Themen werden märchenhaft und in große, wenn auch nicht so ungewöhnliche Bilder wie in „Tuvalu“ verpackt – etwa Landflucht und Wassermangel. Beim Sundance Festival, wo „Absurdistan“ als einer von zwei deutschen Beiträgen im Wettbewerb lief, kam er sehr gut an. Möglicherweise, weil es zwar ausschließlich um Sex geht, dieser jedoch nicht stattfindet.
Kommentar verfassen

Kommentieren