Les Oiseaux du Ciel

- | Frankreich/Großbritannien 2005 | 109 Minuten

Regie: Eliane de Latour

Das Schicksal zweier Schwarzafrikaner, die sich durch die illegale Einreise nach Europa Glück und Zukunft für sich und ihre Familien versprechen. Während der eine aufgegriffen und in sein Heimatland, die Elfenbeinküste, abgeschoben wird, schlägt sich der andere mit entwürdigenden Gelegenheitsjobs durch. Der engagierte Film nimmt weitgehend die Perspektive der Einwanderer ein und nutzt den europäischen Blick, um deren Wahrnehmung als Störfaktoren darzustellen. Eine desillusionierende Beschreibung der heutigen Welt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LES OISEAUX DU CIEL
Produktionsland
Frankreich/Großbritannien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Les Films de Cinéma/Autonomous/Les Films d'Ici
Regie
Eliane de Latour
Buch
Eliane de Latour
Kamera
Renaud Chassaing
Schnitt
Nelly Quettier
Darsteller
Fraser James (Shad) · Djédjé Apali (Otho) · Marie-Josée Croze (Tango) · Sara Martins (Olga) · Lucien Jean-Baptiste (Tetanos)
Länge
109 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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Diskussion
Wer mit leeren Händen zurückkehrt, hat verloren. Man wird über ihn reden, die eigenen Eltern sind enttäuscht. Deutsche Autos und französische Markenmode tauchen in den Dialogen wie Beschwörungsformeln auf: Wenn du eines Tages Mercedes fährst, Kleider von Jean-Paul Gaultier trägst und ausreichend Geld an deine in Afrika zurückgelassene Familie schickst, dann hast du es geschafft – wie du es geschafft hast, ist ganz egal, Moral spielt keine Rolle. In zwei parallelen Erzählsträngen lotet Eliane de Latour den afrikanischen Traum von Europa aus, der sich nicht nur für den glücklosen Heimkehrer als trügerisch erweist. Freiwillig ist Otho nicht ins Haus seines Vaters in Abidjan an der Elfenbeinküste zurückgekehrt. Bei einer Razzia in Spanien wird er erwischt und ausgewiesen, sein Freund Shad kommt davon und setzt seine Odyssee fort. Während Otho in Abidjan zunächst alles versucht, um zurück nach Europa zu kommen und so doch noch zum Helden zu werden, schlägt sich Shad mit Gelegenheitsjobs durch. Als illegaler Einwanderer ist er oft abhängig von kriminellen Vermittlern, die einen Großteil seines Lohns einstreichen. Neben Geld schickt er Audiokassetten an Otho, mit einem Diktiergerät hält er seine Erfahrungen in Liedern und Berichten fest. Das Geld soll der Freund verteilen, an Shads Vater und Othos Schwester, die Shad nach seiner Rückkehr heiraten will. Eliane de Latour konzentriert sich auf die Perspektive der Einwanderer; die der weißen, westlichen Gesellschaften, in denen sie sich bewegen, ist nebensächlich und wird nur dann wichtig, wenn die Einwanderer wahrgenommen werden – meist als Störfaktoren oder billige Arbeitskräfte. Shads Geschichte in Europa spielt in erster Linie in multi-ethnischen Subkulturen, die auch ihre eigenen Konflikte mit sich bringen: So führt der Streit mit einem Jamaikaner dazu, dass Shad seinen Job in einer Großküche in London verliert; dann arbeitet er kurz als Wachmann, in Paris wirbt er Kunden für Haarverlängerungen in einem afrikanischen Friseursalon an. Sein Erfolg führt zu Neid und Konflikten. Um als Illegaler nicht mehr von niedrigen Löhnen und der Willkür von Kollegen und Arbeitgebern abhängig zu sein, plant er eine Scheinheirat mit seiner lesbischen Freundin Tango, einer Französin. Jetzt wird auch Shad von den Weißen wahrgenommen: als missliebiger Eindringling, der ihnen die Tochter oder Freundin wegnehmen will. Othos Haltung indes wandelt sich. Von allen als Verlierer diskreditiert, beginnt er, sich gegen die europäische Heldenreise einzusetzen und dafür, zu Hause etwas aufzubauen. Er unterstützt einen jungen Modedesigner aus Abidjan in seinen Visionen, der wiederum gefälschte europäische Markenkleidung für den afrikanischen Markt herstellen muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Regisseurin hat als Anthropologin in Westafrika gearbeitet und Dokumentarfilme gedreht; „Les oiseaux du ciel“ ist ihr zweiter Spielfilm. In ihrem Porträt komplexer sozialer Verflechtungen versucht sie, nichts auszulassen; sensibel arbeitet sie mit ihren beiden Hauptdarstellern. Das Diktiergerät, mit dem Shad seine Erfahrungen aufzeichnet, und die sozialkritische Haltung sind deutliche Referenzen an ein großes Vorbild, das gewissermaßen aktualisiert wird: an „Moi, un noir“ (1957) von Jean Rouch. Ein junger Mann von der Elfenbeinküste ist in dem dokumentarischen Essay in alltäglichen Szenen zu sehen, die er selbst kommentiert. Dabei spielt der Einfluss des Westens auf die afrikanische Lebensweise eine wesentliche Rolle, zum ersten Mal wird dieser aus afrikanischer Perspektive reflektiert. Irgendwann in Paris vertraut Shad seinem Diktiergerät einmal die Wahrheit an: dass sein europäisches Leben weder helden- noch traumhaft ist. Dann wirft er den Recorder in den nächsten Müllcontainer.
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